Dorit Feldmann: "Divine In.Tent"
Die Künstlerin drückt hier die unsichtbaren
Zusammehänge zwischen der physischen
und metaphysischen Welt aus, die ferne
Vergangenheit in der Wüste als Metapher
der Reise in Richtung eines zukünftigen
konstruktiven kulturellen Dialoges,
ausgehend von den symbolischen Zentren
Vatikan in Rom und Tempelberg in Jerusalem
Eine Karikatur in der Tageszeitung ”Haaretz” zeigte ihn als Superman auf dem Flug in sein Büro im Verteidigungsministerium: Ehud Barak, der ehemalige Premierminister mit der kürzesten Amtszeit in der Geschichte Israels, sitzt wieder im Sattel. Nach sechs Jahren in der politischen Wüste kämpfte sich der 65-jährige erfolgreiche Geschäftsmann in die labile Regierung zurück. Zu einer Zeit, in der es im Nahen Osten allerorts kriselt, findet sich der am höchsten dekorierte Soldat der israelischen Armee in einer entscheidenden Position mit historischer Tragweite wieder.
Sein Erfolg in den Vorwahlen der Arbeiterpartei, der ihm zum Vorsitzenden des wichtigsten Koalitionspartners und zu einem potentiellen Premierministerkandidaten machte, kam unerwartet. Viele Israelis sind bis heute enttäuscht vom ”Wunderkind der israelischen Politik”. Der ehemalige Generalstabchef, der seine zahlreichen Auszeichnungen in gewagten Kommandoaktionen errang, verkörperte im Jahr 1999 die Hoffnung auf einen umfassenden Frieden. Nach seinen 22 Monaten im Amt war das Friedenslager am Boden, Verhandlungen mit Syrien und den Palästinensern kläglich gescheitert und hatten in die zweiten Intifada gemündet, die mehr als 1000 Bürgern das Leben kostete. Barak hatte sich aus dem Libanon zurückgezogen, was nicht Frieden, sondern einen blutigen Krieg mit der Hisbollah bescherte. Der Umstand, dass Barak nach einer niederschmetternden Wahlniederlage gegen Ariel Sharon einfach seinen Hut nahm, die Partei und seine beliebte Ehefrau hinter sich lies, um Dank seiner vorzüglichen Kontakte mehr als 1,4 Millionen € im Jahr zu verdienen, machen ihn bis heute unbeliebt.
Doch die öffentliche Meinung hat sich gewandelt. Wünschten sich die Israelis in den Wahlen vor einem Jahr nur Normalität, wird in den letzten Monaten die Angst vor Krieg greifbar. Israel hat das Augenmerk von der blühenden Wirtschaft abgewandt. Man will vor allem Sicherheit und wählte Barak wegen seiner militärischen Erfahrungen. Barak, der nicht verhüllt, dass er eigentlich Premier sein will, steht als Verteidigungsminister vielen Herausforderungen gegenüber. Im Norden rüstet die libanesische Hisbollahmiliz, im Süden hat die Hamas einen eigenen Staat erkämpft und Teheran, das offen die Vernichtung Israels fordert, frönt im Osten atomaren Ambitionen. Kein Wunder, dass ausländische Zeitungen mit Gerüchten aufwarten, laut denen Barak bereits eine Eroberung des Gazastreifens planen und Luftangriffe gegen Reaktoren im Iran proben lässt.
Doch Barak, der spektakulären Militäreinsätzen nicht abgeneigt ist, verfolgt zwei Ziele. Er muss zweierlei Dinge beweisen. Zum einen hängt seine Zukunft davon ab, dass er der Armee, die im vergangenen Sommer gegen die Hisbollah enttäuschte, zu neuen Siegen verhilft. Zum anderen muss er Staatsmännigkeit beweisen. Sechs Jahre nach seinem diplomatischen Fiasko setzen seine Anhänger wieder auf ihn, da er es sich Dank seiner militärischen Vergangenheit erlauben kann, die Friedensofferten aus Syrien angemessen zu erwidern und auch auf der palästinensischen Front dramatische Schritte zu wagen. Selbst aus Damaskus ertönten positive Reaktionen auf die Ernennung Baraks, mit dem man vor sieben Jahren fast einen Frieden ausgehandelt hatte. Dem Diplomphysiker und passionierten Pianisten ist keine Einarbeitungsphase vergönnt. Der Überflieger Barak muss überraschen, um zu überleben, sei es auf dem Schlachtfeld oder am Verhandlungstisch.
Gil Yaron
Aus dem Archiv: Anwar as-Sadat (re.) zu Besuch
bei Menachem Begin
Das Archivmaterial über den historischen Besuch des ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat in Jerusalem 1977 zeigt verblüffend viele Parallelen zur Gegenwart. Über Jahre hatte Sadat Israel Friedenssignale gesendet, doch Jerusalem zog es vor, sie zu ignorieren. Fehlgeleitete Sicherheitskonzepte, psychologische Barrieren und Überheblichkeit schienen einen Frieden und die daran gekoppelten Zugeständnisse an Ägypten überflüssig zu machen. “Lieber Scharm a-Scheich ohne Frieden, als ein Frieden ohne Scharm a-Scheich”, kommentierte der legendäre Verteidigungsminister Moshe Dayan die Ouvertüren aus Kairo. Geheimdienste warnten vor einer Einigung mit Kairo, das letztlich immer noch die Zerstörung Israels anstrebe. Man dürfe nicht in eine Falle der Ägypter fallen, mahnte Generalstabschef Motta Gur noch wenige Tage vor dem Eintreffen Sadats. Dreißig Jahre später sendet eine arabische Hauptstadt wieder Friedenssignale und Militärs wie Politiker glauben, eine Finte statt einer ernsthaften Absicht auszumachen. Sollte sich die Geschichte wiederholen, sind die Entwicklungen in Nahost Anlass zur Besorgnis.
Dabei hätte alles anders laufen können. Noch vor dem Jom-Kippur-Krieg im Oktober 1973 erreichte ein geheimer Brief die weißen Blechhütten des israelischen Außenministeriums in Jerusalem. Nach ersten Untersuchungen machte sich Aufregung breit. Absender war der Präsident Ägyptens, des mächtigsten arabischen Staates und gefährlichster Nachbar Israels. In seinem Schreiben machte Sadat ein Friedensangebot, falls Israel sich vollends aus den 1967 besetzten Gebieten zurückziehe. Die Beamten, voller Hoffnung auf die baldige Eröffnung von Gesprächen, leiteten das Schreiben sofort an Premierministerin Golda Meir weiter. Es waren nicht die einzigen Signale aus dem Land der Pyramiden. Über den späteren US-Außenminister Henry Kissinger und andere Gesandte streckte Sadat Fühler aus und wagte sogar eine öffentliche diplomatische Offensive, um die skeptischen Israelis aus der Reserve zu locken. Am 4. Februar 1971 erklärte er vor einem verblüfften Kairoer Parlament: “Falls Israel sich zurückzieht, bin ich bereit, einen Friedensvertrag zu unterschreiben.”
Doch Israel reagierte abweisend. Nach dem glorreichen Sieg des Sechs-Tage Kriegs war die Angst vor einem bevorstehenden Untergang dem Gefühl der Unbesiegbarkeit gewichen. Wirtschafts- und Militärexperten fanden triftige Gründe, keinen Frieden zu schließen. Die Erdöl- und Erdgasreserven der Halbinsel Sinai hätten ausgereicht, um von Energieimporten unabhängig zu werden. Die Straße von Tiran, das Tor Israels nach Asien, dessen Sperrung einst Druckmittel in den Händen der Ägypter war, befand sich fest in israelischer Hand. Erstmals besaß der Zwergstaat strategische Tiefe. Mehr als 170 militärische Einrichtungen im Sinai und ihre Nähe zur ägyptischen Hauptstadt schienen die Vernichtung Israels unmöglich zu machen. Nachdem Sadat 1972 15.000 sowjetische Militärberater, die die marode Armee nach der Niederlage von 1967 auf Vordermann hatten bringen sollen, aus dem Land warf, war den Israelis klar, dass die Gefahr aus dem Süden für immer gebannt sei. Angesichts der unklaren politischen Lage in Ägypten fragte man, wer Sadats Nachfolge antreten würde, und ob der Erbe einen Friedensvertrag auch einhalten würde. Nach einer Aufgabe des Sinai sei man dem guten Willen dieses unbekannten Herrschers ausgeliefert. Bei solchen handfesten Überlegungen konnte man in einem Papierfetzen aus Kairo keinen Wert erkennen. Man war zwar zu Frieden bereit, wollte jedoch die Bedingungen diktieren. Sollte Kairo sie nicht annehmen, sollte es mit jemand anders Frieden machen. Das starke Israel brauchte ihn nicht.
Israels Unnachgiebigkeit trieb Sadat letztlich zum Überraschungsschlag von 1973. Dieser war nicht dazu gedacht, Israel zu vernichten, denn dafür war die Angst vor einem Verzweiflungsakt der vermutlichen Atommacht Israel zu groß. Der Jom-Kippur-Krieg war vielmehr darauf ausgerichtet, dem festsitzenden diplomatischen Prozess neuen Schwung zu verleihen. Der Krieg war nicht nur militärisch für Ägypten ein Erfolg. Bis zum heutigen Tage feiert die ägyptische Armee im Kairoer Militärmuseum den “al-Uubur al-athim”, die große Überquerung des Sinai-Kanals. Der Krieg hatte Folgen. Zum einen konnte Sadat, der lang unterschätzte Erbe seines charismatischen Vorgänger Gamal Abd an-Nasser, aus einer Position der Stärke auftreten. Auf israelischer Seite wurde der Nimbus der Unbesiegbarkeit gebrochen. Nachdem 2656 Israelis im Kampf gefallen waren, erkannte man endlich den Wert des Friedens. Der Umstand, dass die Diplomatie der Weltmächte eine völlige Niederlage der Ägypter verhinderte und die Armeen beider Seiten hoffnungslos ineinander verstrickt ließ, zwang beide Seiten zu ersten Verhandlungen.
Doch der Weg bis zur Räumung der Sinai- halbinsel war noch weit, denn vor einem Friedensschluss musste noch die psychologische Barriere überwunden werden. Die Hetzkampagnen arabischer Propagandisten hatten das vom Holocaust traumatisierte Volk vollends davon überzeugt, die Vernichtung des Judenstaates sei im genetischen Code der Ägypter eingebettet. Die Forderung, auf die Grenzen von 1948 zurückzukehren, kam aus israelischer Sicht einer Aufforderung zum Selbstmord gleich. Vor dem Sechs-Tage- Krieg war Israel das Land mit der im Verhältnis zum Staatsgebiet längsten Grenze der Welt. “Unser Staat hat keine Grenze, er ist eine”, fasste Dayan zusammen. Sadat reichte einen Ölzweig, aber in Israel glaubte man hinter der grandiosen Geste des ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat einen Schlagstock zu erkennen. So tief waren die Gräben zwischen den Erzfeinden Israel und Ägypten nach dreißig Jahren Krieg, dass Militärs, Geheimdienste, ja selbst der israelische Premier Menachem Begin hinter der historischen Ankündigung Sadats, die Knesset in Jerusalem besuchen zu wollen, eine Kriegslist wähnten. Nur das Eingreifen des Verteidigungsministers Eser Weizman verhinderte in letzter Minute die Mobilisierung tausender Reservisten im Vorfeld des Sadatbesuchs, wohl kaum eine angemessene Reaktion. Man einigte sich letztlich darauf, Spezialeinheiten am Flughafen zu postieren, um jeder Eventualität vorzubeugen. Während der Präsident aus Kairo den künftigen Verlauf Geschichte steuern wollte, war man in Jerusalem noch damit beschäftigt, auf die Vergangenheit zu reagieren. Die Vorstellung, ein Erzfeind könne ernsthaft Frieden wollen, war bis zur Landung des Flugzeugs der ägyptischen Luftwaffe schlicht undenkbar. Das Sadat schließlich in Tel Aviv doch aus dem Flugzeug stieg, kam in den Augen der Israelis einem Wunder gleich.
Neuerdings sind die israelischen Tageszeitungen wieder mit großen Überschriften zum Thema Syrien gefüllt. Dessen Präsident Baschar al-Assad spricht von Frieden, droht aber mit “Konsequenzen”, manchmal gar offen mit Krieg, sollten die 1967 eroberten Golanhöhen nicht bald mittels Gesprächen wieder Damaskus überantwortet werden. In Israel, wo ein friedliebender Assad ebenso wenig ins Weltbild passt wie damals ein verhandlungsbereiter Sadat, reagiert man verstört auf die widersprüchlichen Signale. Israelische Politiker und Militärs spielen mit der Wählermeinung Diplomatenpingpong. Mal rüste Syrien wild auf, dann wieder sei die Armee zu alt, um Israel ernsthaft zu gefährden, sagen sie. Mal sinne Assad auf Krieg und wolle mit einem Überraschungsschlag den Erfolg der Hisbollah vom letzten Sommer nachahmen, dann heißt es, er habe vom Libanonkrieg die richtigen Lehren gezogen. Immer wieder ertönt das Mantra, der Golan, mit seiner strategischen Lage und den Wasservorkommen, sei für die Sicherheit Israels wichtiger als ein Vertrag mit einem international isolierten, verarmten und instabilen Regime, das zudem noch Terroristen im gesamten Nahen Osten aktiv unterstützt.
Verhandlungen mit Syrien erfordern von Israel einen psychologischen Umbruch. Es verlangt von ihnen aufzuhören, unbekümmert Siedlungen zu bauen, erstklassigen Wein zu schlürfen und saftige Kirschen von den kühlen Berghöhen zu naschen. Man verschanzt sich lieber hinter dem bekannten Feindbild. Hinzu kommt das Motiv des von der Hisbollah gedemütigten israelischen Militärs. Es bereitet sich emsig auf den nächsten Krieg vor, um Ehre und Ansehen wiederherzustellen. Der Golan gleicht inzwischen einem Militärlager, in dem wöchentlich großräumige Manöver abgehalten und immense Waffenmengen konzentriert werden, zur Unruhe der Syrer.
Assad, Präsident eines Pariastaates, hat von Verhandlungen mit Israel viel zu gewinnen. Mehr noch als die Rückgabe der Golanhöhen würde Frieden seinen Einfluss im Libanon stärken, die internationale Isolation durchbrechen, die feindliche Haltung der USA dämpfen, seiner maroden Wirtschaft neue Anstöße geben und sein Regime festigen. Um die Israelis von der Ernsthaftigkeit seiner Absichten zu überzeugen, wäre er gut beraten, von den dramatischen Gesten Sadats zu lernen. Die Israelis ihrerseits sollten aber ebenfalls von der eigenen Geschichte lernen. Anstatt darauf zu bauen, dass der politisch unerfahrene Assad die historische Größe Sadats an den Tag legt, sollten sie dem syrischen Präsidenten vom Baum des arabischen Widerstands helfen, noch bevor er sich zu einem Überraschungsschlag gezwungen sieht oder der neue Rüstungswettlauf in Nahost zu einem unbeabsichtigten Krieg führt. Der Besuch Sadats vor dreißig Jahren bewies, dass der Jom-Kippur-Krieg vermeidbar war. Dasselbe gilt für einen Krieg gegen Syrien. Man sollte es beherzigen, bevor dort Soldaten fallen.
Gil Yaron
Bundeskanzler Alfred Gusenbauer mit
IDC Präsident Uriel Reichman und
Botschafter Avi Primor.
Rege diplomatische Aktivitäten sind in der Region zu verzeichnen. Europäische Politiker sind derzeit bemüht, die leisen Friedenszeichen im Nahen Osten zu unterstützen. Zeitgleich mit Gusenbauer sind EU-Außenbeauftragter Javier Solana und der Sonderbeauftragte Tony Blair in der Region, um Bewegung in die israelisch-palästinensischen Beziehungen vor der großen Nahost-Konferenz im Herbst zu bringen. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer reihte sich in diesen prominenten Reigen und hinterließ sowohl in Israel als auch bei der Fatah-Führung mit seinen Aussagen einen positiven Eindruck. Der erste Besuch eines Bundeskanzlers in Israel seit neun Jahren ist ein deutliches Zeichen für die verbesserten Beziehungen beider Staaten, die schon einige Krisen zu überstehen hatten. Anlässlich der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft des „Interdisciplinary Centers“ in Herzliya, einer angesehenen Privatuniversität bei Tel Aviv, fand der Kanzler deutliche Worte.
Wir bringen Auszüge aus seiner Rede.
Im nächsten Jahr begehen wir das 60-jährige Jubiläum der Gründung des Staates Israel. Die Idee eines jüdischen Staates und ihre Verwirklichung sind eng mit dem tragischen Schicksal der österreichischen Juden verknüpft. Die Unabhängigkeitserklärung erinnert an und ehrt auch den geistigen Vater der Idee eines jüdischen Staates, Theodor Herzl, ein österreichischer Journalist und Schriftsteller, dessen Werke auch im Burgtheater gespielt wurden. Doch angesichts des Antisemitismus in Österreich sowie in ganz Europa entwickelte er die Vision und den Traum eines jüdischen Staates.
Gusenbauer zitierte Teile aus dieser Erklärung, die nach der Ermordung der europäischen Juden die Notwendigkeit einer Heimat in einem jüdische Staat unterstrich. Er gestand ein, dass Österreich viele Jahre gebraucht habe, um seine moralische Verantwortung für das dunkelste Kapitel der Geschichte wahrzunehmen. Heute sind wir in der Lage, den Kopf in Trauer zu beugen und den Millionen Opfern des Nazi-Terrors Respekt zu zollen. Diese Verantwortung ist nicht nur auf lose Erklärungen beschränkt, sondern ist ein wichtiger Bestandteil unseres permanenten Kampfes gegen Antisemitismus und Rassismus.
Der Kanzler verurteilte scharf die antisemitischen Ausfälle des iranischen Staatspräsidenten und seine Konferenz der Holocaustleugnung, er sprach sich auch strikt gegen die Atomaufrüstung im Iran aus und meinte: Die internationale Reaktion auf das iranische Urananreicherungprogramm ist klar und unmissverständlich und wird unterstützt durch gezielte UN-Sanktionen. Iran hat sein Programm zwar verlangsamt, aber es gibt keine schlüssigen Hinweise für den Stopp der nuklearen Aufrüstung. Solange der Iran die Bedingungen nicht erfüllt, können die Sanktionen nicht aufgehoben werden. Die EU hat immer wieder erklärt, den Dialog mit Iran aufzunehmen, wenn er seinen Verpflichtungen nachkommt. Es ist ganz klar, dass ein atombewaffneter Iran für die Internationale Gemeinschaft indiskutabel ist.
Gusenbauer ging auch auf die politische Situation im Nahen Osten ein und schrieb dabei Syrien eine entscheidende und nicht zu unterschätzende Rolle im Friedensprozess zu. Er trete, so meinte der Kanzler, genauso wie die Europäische Gemeinschaft für die Zwei-Staaten-Lösung als einzige und dauerhaft mögliche Lösung für den Israel-Palästinenser-Konflikt ein und unterstrich das Recht Israels, in Sicherheit und frei innerhalb international anerkannten Grenzen und guten nachbarlichen Beziehungen zu existieren.
Ich vertraue der Weisheit von Präsident Abbas und der palästinensischen Regierung, jede Anstrengung zu unternehmen, die Situation in den palästinensischen Gebieten zu stabilisieren, die Behörden zu reformieren, um die Situation der bei der Grenze lebenden Israelis und Palästinenser zu verbessern. Ich vertraue auch der Weisheit israelischer und palästinensischer Führungskräfte, die Gelegenheit der internationalen und vor allem der amerikanischen Initiative zu nutzen, um den Prozess des Friedens voranzutreiben. Das positive Engagement von wichtigen arabischen Staaten wie Saudi-Arabien, Ägypten und Jordanien vergrößert die Chancen eines echten Fortschritts. Die Österreicher und die Europäische Union stehen bereit, ihren Beitrag als Nachbarn und Freunde zu leisten.
In Israel hatte sich seit dem schlechten Ergebnis des Libanonkrieges im Sommer letzten Jahres eine gewisse politische Agonie eingestellt, oft gepaart mit einer nur allzu begründeten Zukunftsangst, selten nur durchbrochen von dem sonst ebenso üblichen wie lebensnotwendigen Trotz. Bezüglich der Auseinandersetzung mit der Hisbollah im Norden wird in Israel nicht diskutiert, ob demnächst wieder ein Krieg ausbrechen wird, sondern lediglich wann. Es mehren sich die Hinweise, dass sich die Hisbollah an der Nordgrenze Israels, völlig unbehelligt von den im Südlibanon stationierten UN-Truppen, auf den nächsten Waffengang vorbereitet. Der Militärexperte Avraham Tal spricht es deutlich aus: „Ein Krieg, der unentschieden endet, ohne dass ein Abkommen unter den kriegführenden Parteien getroffen wurde, muss früher oder später wieder aufflammen. Im Konflikt zwischen Israel und dem Iran, der über den Stellvertreter Hisbollah geführt wurde, ist es keiner Seite gelungen, ihr strategisches Ziel zu erreichen.“
Im Zentrum der Diskussionen steht in Israel im Augenblick die äußerst umstrittene Unterstützung der Fatah durch die israelische Regierung. Die Auseinandersetzungen über ein angemessenes Vorgehen gegen die Hamas und eine zielführende Positionierung gegenüber der Fatah sind nur im Zusammenhang mit der Diskussion über das iranische Atomwaffenprogramm zu begreifen. Zur Existenzbedingung Israels gehört, dass es auf die Unterstützung internationaler Großmächte angewiesen ist. Und diese Großmächte zeigen Israel immer wieder einmal, dass sie gewillt sind, ihre Interessen auch gegen das israelische Sicherheitsbedürfnis durchzusetzen. Für die Israelis stellt sich die Frage, ob sich Washington angesichts der Probleme im Irak und nach einem möglichen demokratischen Wahlsieg mit dem Atomprogramm des Iran nicht doch in irgendeiner Weise arrangieren könnte. Die jetzigen Zugeständnisse an die Fatah seitens der Regierung Olmert sind als Versuch zu begreifen, die USA, die Abbas immer wieder als passablen Verhandlungspartner bezeichnet haben, bei der Stange zu halten und hinsichtlich eines eventuell notwendigen gemeinsamen militärischen Vorgehens gegen die iranische Atomrüstung nicht zu verärgern.
Israel benötigt sowohl die US-amerikanische Unterstützung als auch einigermaßen Ruhe an den eigenen Grenzen, um der iranischen Herausforderung gewachsen zu sein. Der erste, der das in Israel erkannte, war Yitzhak Rabin. Bereits Anfang der 90-er Jahre drängte er auf eine Aussöhnung mit den Palästinensern, da er mit einem damals beachtlichen politischen Weitblick die iranische Bedrohung als die zukünftig existentielle für Israel ausmachte. Das Problem ist nur: der von Rabin initiierte Friedensprozess ist in jeder Hinsicht gescheitert, und es ist nicht erkennbar, wie er mit eben jener Fatah, die für dieses Scheitern maßgeblich verantwortlich war, nun gelingen sollte.
Dementsprechend richtet sich der Blick auf die Möglichkeiten eines Ausgleichs mit den sonstigen Nachbarn. Seit dem Ende des Libanonkriegs ist man sich in Israel weitgehend einig, dass Syrien aus der Achse mit dem Iran herausgelöst werden muss. Wie das zu bewerkstelligen wäre, ist hingegen heftig umstritten. Der kürzlich verstorbene Zeev Schiff meinte noch in einem seiner letzten Artikel in Haaretz: „Das beste Mittel, um eine Barriere zwischen Israel und dem Iran zu errichten, ist ein Frieden mit Syrien.“ Andere sehen diese Möglichkeit nicht und fordern daher, Syrien mit militärischen Mitteln deutlich zu machen, dass seine Politik der Terrorunterstützung und Destabilisierung nicht unbeantwortet bleibt. Der scheidende stellvertretende Verteidigungsminister Efraim Sneh, der auch bei linken Friedensfreunden einiges Ansehen genießt, erklärte Anfang Juli, dass alle bisherigen Signale seitens Israel in Richtung Damaskus nicht die gewünschten Reaktionen gebracht hätten. Wer auch immer hier recht behält: man sollte sich stets in Erinnerung rufen, dass all das, was für Israel erstrebenswert wäre – ein dauerhafter Frieden mit den Nachbarn, die Beseitigung der Grenzstreitigkeiten, ein Ende der syrischen Terrorunterstützung – für die Baath-Faschisten in Damaskus ein Horrorszenario darstellt, das ihre Herrschaft gefährden könnte.
Die Befürworter eines militärischen Vorgehens gegen den National-Islamismus, wie Barry Rubin die syrische Ideologie des jungen Assad in Abgrenzung zum sozialistisch verbrämten Panarabismus seines Vaters nennt, können darauf verweisen, dass Israel nach dem Debakel im Libanon einen militärischen Erfolg benötigt, um seine Abschreckung gegenüber jenen Feinden zu erneuern, denen gegenüber überhaupt noch mit Abschreckung als Mittel der Politik operiert werden kann. Perspektivisch muss Israel sich vor allem mit jenen Kräften auseinandersetzen, bei denen militärisches Drohpotential auf Grund von apokalyptischem Märtyrertum kaum noch funktioniert. Und diese Kräfte genießen bei den Palästinensern durchaus Sympathien: Nach einer Umfrage des Pew Global Attitudes Projects begrüßt die Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung eine nukleare Bewaffnung des Iran.
Michael B. Oren und Yossi Klein Halevi vom Shalem Center in Jerusalem haben Anfang diesen Jahres mit Bezug auf Überlegungen von Efraim Sneh (dem schon von Rabin die Befassung mit den Implikationen des iranischen Atomprogramms angetragen wurde) dargelegt, dass solch eine Bewaffnung vom Iran gar nicht eingesetzt zu werden bräuchte, um jedwede Überlegung über die Zukunft des zionistischen Projekts obsolet werden zu lassen: Atomwaffen in der Hand der iranischen Mullahs würden es jedem arabischen Regime in der Zukunft verunmöglichen, einen Friedensschluss mit Israel anzustreben. Israel könnte selbst gegen massiven Raketenbeschuss durch die iranischen Verbündeten im Süden oder Norden des Landes angesichts der Drohung mit der Teheraner Bombe nicht mehr adäquat reagieren, woraufhin sich fast die gesamte Bevölkerung in das Landesinnere flüchten müsste. Und ohne einen einzigen Schuss abzugeben, könnte Ahmadinejad oder einer seiner Nachfolger eine Entvölkerung Israels herbeizwingen. Schon heute überlegen 27 Prozent der Israelis, das Land zu verlassen, sobald der Iran über Nuklearwaffen verfügt.
Es wird in absehbarer Zeit keine Lösung der Konflikte im Nahen Osten geben. Das Beste, was von israelischer Seite zur Zeit erreicht werden kann, ist eine Verwaltung der Misere, welche zumindest die Vorbereitung auf größere Auseinandersetzungen ermöglicht. Und die wird es in absehbarer Zeit mit dem Regime in Teheran geben. Der Iran muss entweder durch das Gegenteil von dem, was derzeit praktiziert wird, in die Knie gezwungen werden, also durch konsequente politische Isolation und ökonomischen Boykott, oder aber, so das nicht wirksam ist, durch gezielte und wiederholte Militärschläge zumindest an der Entwicklung von Nuklearwaffen in der nahen Zukunft gehindert werden. Alles andere stellt die Existenz Israels zur Disposition. Und das heißt: es geht in dieser Sache um nichts anderes als die Verhinderung einer zweiten Shoah – was in Israel fast niemand bestreitet, in Europa aber gar nicht oft genug betont werden kann.
Stephan Grigat
Grigat, Stephan: "Fetisch und Freiheit. Über die Rezeption der Marxschen Fetischkritik, die Emanzipation von Staat und Kapital und die Kritik des Antisemitismus", Ça ira Verlag, 2007, 396 S., € 22,00.
Das totalitäre Regime, das den Iran zur Zeit anführt, scheint zu glauben, mit Propaganda alles erreichen zu können, und seine politische Führung will der Welt weismachen, er spreche im Auftrag des gesamten iranischen Volkes, und Volkes Stimme sei selbstverständlich Gottes Stimme, und genauso selbstverständlich spreche Gott nur zum iranischen Volk, das als einziges Gottes Sprache verstehen könne, – also aggressive Propaganda und Volksverhetzung unter Berufung auf ausgerechnet einen angeblich gerechten Gott, mit der aber gleichzeitig jede menschliche und zivilisatorische Norm außer Kraft gesetzt wird, weil es keine Berufung dagegen gibt, während man zynischerweise Rechtschaffenheit und die Einhaltung internationaler Normen nach außen hin ständig mit der Miene des heuchlerischen, aber von sich überzeugten Frömmlers behauptet. Der iranische Staatspräsident Mahmoud Ahmadinejad macht durch ekelerregende antisemitische Ausfälle von sich reden und gibt dabei auch noch vor, im Namen seines ganzen Volkes zu sprechen. Aber er lässt es mit Drohungen und Ausfällen, als wären die nicht schon schlimm genug, noch nicht bewenden, er will Israel „ausradieren“, auch mit Hilfe atomarer Waffen. Die OMV sieht in einem Staat mit einer derart selbstmörderisch-sendungsbewussten, zur Vernichtung eines anderen Staates entschlossenen Führung einen „idealen Partner“ für ihre Geschäfte. Es sieht ganz so aus, als wollte Österreich sich geradezu vordrängen, um eine Drehscheibe für Handel, aber leider nicht: Wandel, mit diesem antisemitischen und totalitären Regime des Iran zu werden. Geld stinkt ja nicht, Öl schon, aber offenbar nicht für alle, doch in mehreren Abkommen will die OMV ihre Gas- und Öl-Geschäfte mit dem Iran sogar noch intensivieren und vertiefen. Ich möchte mich all denen anschließen, die sich mit Nachdruck gegen solche „ungesunden“ Geschäfte verwahren. So wie ein militärischer Schlag gegen den Iran für mich ausgeschlossen werden muss, weil die Bevölkerung dieses Landes sich von seinen schiitisch-fundamentalistischen Usurpatoren mit Sicherheit selbst befreien wird können, so absurd scheint es mir, nur wegen erhoffter guter Geschäfte die Schlüsselindustrie eines solchen Regimes zu fördern. Damit würde wirklich die Büchse der Pandora aufgeschlossen. Etwas Entsetzliches würde dabei herauskommen.
4000 Zuschauer nahmen am 25. August 2007 in der Budapester Burg an der Vereidigung von 56 Mitgliedern der „Ungarischen Garde“ teil. Die Gardisten erschienen in schwarzen Uniformen und mit dem Emblem der Árpádfahne, die auch die Fahne der Pfeilkreuzlerpartei war. Diese magyarische Variante der NSDAP herrschte vom 15. Oktober 1944 bis zur Befreiung durch die Rote Armee 1945, sie mordete Zehntausende Juden und setzte damit die von der Horthyadministration nach der deutschen Besatzung begonnene „Endlösung der Judenfrage“ fort, die bis Anfang Juli 1944 bereits Hunderttausende in die nach Auschwitz abgehenden Waggons getrieben hatte.
Die schwarze Garde wurde von „Jobbik“, einer von rechtsextremistischen Studenten gegründeten Bewegung, initiiert. Bei den Wahlen 2006 trat „Jobbik“ gemeinsam mit der von István Csurka geführten MIÉP an, mit nur 2,2 Prozent kamen sie aufgrund der 5-Prozent-Hürde nicht ins Parlament. Seither machten Mitglieder von „Jobbik“ durch gewalttätige Aktionen auf sich aufmerksam. Bei der Erstürmung des Gebäudes des staatlichen Fernsehens in Budapest im Frühherbst und den Unruhen an den beiden Nationalfeiertagen, am 23. Oktober sowie am 15. März, spielten sie eine führende Rolle und vor ein paar Wochen wurde von ihnen eine Budapester Kundgebung von Homosexuellen mit dem Ruf „Die Homosexuellen in die Donau, die Juden gleich danach“ gestört. Womit sie sich zu den Verbrechen ihrer Vorbilder, der Pfeilkreuzler, bekannten, die Ende 1944 Tausende von Juden am Donauufer erschossen.
Um die Atmosphäre zwei Tage vor dem Spektakel in der Budaer Burg aufzuwärmen, ließ „Jobbik“ mit seinen Verbündeten in Kecskemét eine Demonstration gegen „Zigeunerkriminalität“ durchführen.
Den Eid dieser Garde nahm Lajos Für ab, erster Verteidigungsminister nach der Wende 1990. Für sieht, wie „Jobbik“ und Garde-Anführer Gábor Vona, Ungarn trotz NATO-Mitgliedschaft von Slowaken, Rumänen und Serben bedroht. So heißt es in deren Gründungsurkunde, „das Ungarntum“ verfüge „weder über physischen noch psychischen Selbstschutz“.
Die Teilnahme von Lajos Für, prominenter Mitbegründer der im Parlament vertretenen konservativen Oppositionspartei Demokratisches Forum (MDF) an diesem Akt blieb nicht unwidersprochen. MDF sieht als Ziel der Gründung dieser Garde die „Einschüchterung der ruhigen und friedfertigen ungarischen Bevölkerung“ und verurteilt „die Teilnahme von Lajos Für bei der Gründung einer militanten, Angst verbreitenden Bewegung“.
Für hat anscheinend die pathologische Realitätsverweigerung seines Freundes István Csurka internalisiert. Dieser erklärte zum Nationalfeiertag am 20. August: „Die herrschende Bankierskaste trachtet mehr denn je nach dem Leben des ungarischen Volkes. Am 23. Oktober [2006] haben fremde bewaffnete Kräfte in ungarischer Polizeiuniform geschlagen. Wir wissen auch heute nicht, ob diese Russen, Serben oder Juden waren. Der Verdacht ist stark, dass es die letzteren waren.“
Zu den Anführern der schwarzen Garde gehören unter anderen András Bencsik, Chefredakteur der rechtsextremistischen Wochenzeitung „Demokrata“ und Mitglied der Kulturabteilung von Fidesz, der größten Oppositionspartei, Levente Murányi, ein Hauptzeuge bei einer Veranstaltung der EU-Volksparteien in Brüssel, bei der Fidesz die ungarische Polizei angeschwärzt hatte. Gábor Staudt, Jobbik-Vertreter im Stadtrat von Budapest, wo in trautem Einverständnis Fidesz mit Jobbik in der Innenstadt, im V. Bezirk, eine Koalition eingegangen ist. Immerhin war bei den letzten Wahlen Fidesz in 81 Gemeinden Ungarns mit Jobbik-MIÉP verbündet. Die Bagatellisierung der schwarzen Garde mit dem Argument, es seien ja nur wenige und sie hätten noch nicht gegen Gesetze verstoßen, zeigt auch einen erschreckenden Mangel an Geschichtskenntnis. Ohne zu vergleichen, auch die Pfeilkreuzler waren einmal wenige.
Als der rechte Pöbel randalierte, hat sich die von Fidesz geführte „bürgerliche“ Rechte an die Seite der antisemitische Sprüche skandierenden, mit Arpadfahnen aufmarschierenden Masse gestellt bzw. für diese Verständnis gezeigt.
Hatte noch vor 15 Jahren lediglich eine rechtsextreme Abgeordnete versucht die Pfeilkreuzlerfahne zu legitimieren, sagte im Frühjahr 2007 Fidesz-Vorsitzender Viktor Orban „Die Arpadfahne ist keine Pfeilkreuzlerfahne, denn die haben ein Pfeilkreuz hineingemalt“, er forderte auch seine Anhänger auf, die rechtsextreme „Demokrata“ zu abonnieren. Orban bringt es fertig, den Rechtsextremisten augenzwinkernd mitzuteilen, dass er ihre Abneigung gegen die repräsentative Demokratie teilt und gleichzeitig den jüdischen Gemeinden zu versichern, dass Fidesz sie verteidigen würde.
Bei der Veranstaltung in der Burg hielt auch die Fidesz-Abgeordnete Maria Wittner eine Rede und sagte, dass Menschen, die sich um ihre Heimat sorgen, einen Eid leisten, gegen den „Satan, d.h. die jetzige Regierung und die 50 Jahre Kommunismus“. Die Fahne der Ungarischen Garde wurde von einer evangelischen Pfarrerin, einem katholischen und einem reformierten Pfarrer gesegnet.
Wirklich gefährlich ist, dass Gesellschaft und Justiz expliziten Antisemitismus und Antiziganismus tolerieren und das kann auch eine antifaschistische Demonstration von ein paar hundert Menschen nicht vergessen machen. Als Teilnehmer ein Plakat hochhielten, auf dem gezeigt wird, wie das Hakenkreuz in einen Mistkübel geworfen wird, intervenierten Polizisten, denn Hakenkreuz, Pfeilkreuz und der fünfzackige rote Stern sind in Ungarn verboten.
Erlaubt hingegen ist die antisemitische Hetze, wenn sie sich nicht gegen eine konkrete Person richtet, so wurde auch ein Pfarrer freigesprochen, der die„Ausgrenzung“ der Juden, dieser „hergelaufenen Galizianer“, forderte.
Die seit fünf Jahren regierende links-liberale Koalition hat es nicht geschafft, die Hassprediger einzubremsen, sie agiert hilflos, auch mit dem Schlagwort, was wird jetzt das Ausland über uns sagen. Aus dem österreichischen Beispiel hätte man lernen können, wie kontraproduktiv eine solche Argumentation ist.
Karl Pfeifer
Peter Bergers Buch „Kurze Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert“ ist für alle politisch und historisch Interessierten eine Pflichtlektüre: kurzweilig, präzise, mit verstecktem Humor, treffend in seiner Darstellung. Kurzum: Eines der besten in jüngerer Zeit zum Thema „Österreich“ erschienenen Bücher.
Das ist das Ende der Rezension.
Und hier beginnt sozusagen die Rezension der Rezension.
Andreas Unterberger, von der schwarz/blau-gelb-oderwasauchimmer Koalition eingesetzter Chefredakteur der Wiener Zeitung, hat es sich angelegen sein lassen, das Buch nicht nur zu lesen, sondern auch gleich zu rezensieren, was dem Leser manch spannenden Einblick in den geistigen Horizont eines kleinkoalitionär installierten Oberredakteurs verschafft.
Natürlich ist es nicht leicht, ein brillant geschriebenes und gründlich recherchiertes Buch in Grund und Boden zu schreiben, denn es könnte ja trotzdem geschehen, dass jemand den Band zur Hand nimmt.
Also begeben wir uns doch gemeinsam mit dem Rezensenten auf die Suche nach Schwachstellen des Buches – oder vielleicht gar der Rezension.
Dort ist unter anderem zu lesen: Dass Peter Berger ein aus den Niederlanden „Zugereister" … ist kann man positiv wie negativ beurteilen. Er steht dadurch manchem zweifellos vorurteilsfrei gegenüber, lässt aber bei anderen Fragen eine nur von Geburt an erwerbbare Vertrautheit mit den österreichischen Nuancen vermissen. Und etwas später: Das Operieren mit dubiosen Geheimpapieren…ist eine uralte Waffe grüner NGOs, die heute höchstens noch in der Kronenzeitung ein Echo finden. Ehrliche Entrüstung verspürt Unterberger aber, wenn Berger wenig wissenschaftlich …ausgerechnet den der KPÖ sehr nahe stehenden Wolfgang Neugebauer als Quelle zitiert. Dubiose Geheimpapiere, grüne NGOs, Wolfgang Neugebauer – geradezu eine Vollversammlung der Abendlandsgefährdung.
Also aus dubiosen Quellen hat er wenig wissenschaftlich zitiert, der Herr Ausländer (der übrigens in Wien die Mittelschule absolviert hat und dort von einem als Geschichtsprofessor verkleideten, nazi-lastigenWehrmachtsoffizier in die Geheimnisse der österreichischen Geschichtsklitterung eingeweiht wurde.)
Für leise Unsicherheit unter seinen Lesern sorgt Unterberger, wenn er einem Wissenschaftler die nur von Geburt an erwerbbare Vertrautheit mit dem Objekt seiner Wissenschaft abspricht. Wie stelle man sich diesen mystischen Vorgang der nur von Geburt an erwerbbare Vertrautheit etwa im Fall Einstein vor? Klein Albert in der Krippe, gebettet nicht auf Heu sondern in die Seiten eines Physikbuches gewickelt? Wodurch ersetzte eigentlich der Ukrainer Taras Borodajkevycz*) diese „nur von Geburt an erwerbbare Vertrautheit mit den österreichischen Nuancen“, damit er sich dann berufen fühlte, die „Wegmarken der Geschichte Österreichs“ zu verfassen? Vielleicht durch seine illegale NSDAP-Mitgliedsnummer?
Eine in der Tat spannende Frage. Könnte es vielleicht doch besser sein, man hat sie nicht, diese „nur von Geburt an erwerbbare Vertrautheit mit den österreichischen Nuancen“? Keine Sorge: Peter Berger hat sie tatsächlich nicht.
Peter Berger ist – im Gegensatz zu seinem Rezensenten – eben doch „kein echter Österreicher“
Zum Glück für die Leser.
fcb
*) Borodajkevycz war „Illegaler“, trat nach dem 2. Weltkrieg der katholischen Studentenverbindung „Norica“ bei, die ihn aber noch im gleichen Jahr wegen seiner Nazivergangenheit ausschloss. Er war Professor an der WU und dort wegen nazi-freundlicher Aussagen höchst umstritten. Bei einer Demonstration gegen ihn gab es 1965 das erste politische Todesopfer der Zweiten Republik.
Der kleine Vorarlberger Ort Hohenems hat eine lange jüdische Tradition. Es ist die Geschichte der einzigen jüdischen Gemeinde des westlichsten Bundeslandes. Es gab alles, was zu einem jüdischen Landstädtchen gehört: Synagoge, Schule und Armenhaus, Wohnbauten und Fabrikantenvillen, Mikwe und Friedhof.
Das jüdische Museum in Hohenems
1617 erlaubte Reichsgraf Caspar den Juden die Niederlassung. Unter seinem Nachfolger kam es zu den üblichen Erpressungen, Verfolgungen und schließlich Vertreibungen. Als aber 1759 die Grafschaft an Österreich fiel, bequemte man sich 1680 dazu, die Rückkehr anzubieten. Das akzeptierten die Juden erst 1687, aber dann ging es stetig aufwärts.
1797 richtete der aus Augsburg stammende Herz Kitzinger das erste Kaffeehaus Vorarlbergs, das „Kaffeehaus Kitzinger“ ein, das bald Treffpunkt für alle möglichen israelitischen Geselligkeitsvereine wurde. Mitte des 19. Jahrhunderts lebten in Hohenems 500 Juden, ein Sechstel der Bevölkerung im Ort.
Die Staatsgrundgesetze von 1867 und die damit verbundene freie Wahl des Wohnorts für Juden führten dann nicht zu einer weiteren Entwicklung, sondern vielmehr zu einer starken Abwanderung in umliegende Städte.
1935 zählte dann die jüdische Gemeinde nur noch 35 Mitglieder. Nach dem Anschluss blieb auch den wenigen Verbliebenen das Schicksal aller Juden nicht erspart.
Immerhin konnte dank eines unbürokratischen Schweizer Polizeihauptmanns eine nicht unbeträchtliche Zahl von Juden in die benachbarte Schweiz – dort spricht man gerne von Tausenden – fliehen, bis dann auch diese Grenze endgültig dicht gemacht wurde. 1940 erfolgte schließlich die Zwangsauflösung der Kultusgemeinde und es begannen die Deportationen in Konzentrations- und Vernichtungslager. Als letzte Jüdin wurde Frieda Nagelberg am 25. Februar 1942 aus dem Gebiet Vorarlberg deportiert.
Da es in Hohenems während der Pogromnacht 1938 zu keinen Ausschreitungen und Zerstörungen gekommen war, sind erheblich mehr Reste des Judentums erhalten geblieben als anderswo in Österreich.
Freilich, die 1772 vom Barockbaumeister Peter Bein errichtete Synagoge wurde bis in die fünfziger Jahre als Feuerwehrhaus mißbraucht. Erst 2004 wurde sie nach einem sorgsamen Umbau zu einer Musikschule und einem Kulturzentrum wieder einer würdigen Bestimmung übergeben.
Da im Vorarlberger Landesarchivs noch zahlreiche Dokumente zur jüdischen Geschichte Vorarlbergs zu erwarten und auszuwerten waren, kam es zu Gründung des Vereins Jüdisches Museum Hohenems und schließlich des Museums, das nach langen Überlegungen in der Villa von Clara Heimann-Rosenthal untergebracht wurde. In der Gründerzeit war ein jüdisches Patriziat entstanden, das seinen Erfolg und sein kulturelles Selbstwertgefühl dem Zeitgeist gemäß in einer attraktiven Wohngestaltung zum Ausdruck brachte.
So kam es zu sehenswerten Bauten, wie die Villa des Baumwollfabrikanten Anton Rosenthal. Sie überlebte den 2. Weltkrieg, wurde 1991 restauriert und beherbergte dann das Museum. Sie vermittelte vor allem durch die historische Möblierung einen stimmungsvollen Eindruck vom damaligen Stilgefühl des wohlhabenden Großbürgertums.
Bald übertraf die Anzahl der Besucher, die aus Deutschland, der Schweiz, auch aus Übersee kamen, alle Erwartungen. Zudem erhielt das kleine Museum von Hohenemser Juden aus aller Welt, von verschiedenen amtlichen Stellen Vorarlbergs, unter anderem auch vom Bezirksgericht Feldkirch, wo „nicht bewertbarer jüdischer Kirchenschmuck“ im Depot dahindämmerte, relevante Objekte und Dokumente zur Verfügung gestellt.
Dies ließ eine neue und umfassende Präsentation wünschenswert erscheinen. Deshalb entschloss sich der Direktor des Museums, Hanno Loewy, die Dauerausstellung zu aktualisieren Die Architekten Steinmayr und Mascher, die schon die Wiener Albertina umgebaut hatten, übernahmen die Neugestaltung.
Die wertvollen Bau- und Dekorationselemente blieben weitgehend unverstellt, das Interieur wurde den heutigen museologischen Standards entsprechend gestaltet.
Der erste Stock gibt ein Panorama von den Anfängen jüdischer Existenz, die Ansiedlung von Kaufleuten im alemannischen Gebiet bis hin zur Aufklärung, Emanzipation und versuchten Integration. Exponate zu den Lebens- und Jahreszyklen, dem Aufeinandertreffen von Alltag, Tradition und Fortschritt begleiten den historischen Rundgang. Hier begegnet man berühmten Hohenemsern wie Stefan Zweig, Jean Améry, Salomon Sulzer, den Begründer der modernen Synagogenmusik, der auch von der Christengemeinde durch Benennung einer Straße geehrt wurde. Aron Tänzer (Rabbiner von 1896 bis 1905) den unvergessen Geschichtsschreiber der Hohenemser Judengemeinde.
Ukrainischer Toraschmuck,
vermutlich mit jüdischen Flüchtlingen
nach Vorarlberg gekommen
Das Dachgeschoss ist dem 20. Jahrhundert gewidmet, beschäftigt sich mit jüdischer Gegenwart in Europa, der Diaspora und Israel mit Hohenems als Fluchtstation und den unterschiedlichen Schicksalen der letzten Gemeindemitglieder.
Dokumentiert wird der Neubeginn der Überlebenden nach 1945 (Hohenems war ein Auffanglager für jüdische Displaced Persons), der Streit um Erinnern und Nicht-Erinnern, Fragen der europäischen Einwanderungsgesellschaft.
Erst am Schluss des Rundgangs finden sich die sonst in jüdischen Museen zentralen Ritualgegenstände: silberne Thora-Aufsätze, Chanukka-Leuchter und Schabbat-Becher.
Moderne Audioguides und Videostationen in deutscher, englischer und französischer Sprache ermöglichen ein vertieftes Verständnis der Eindrücke. Für Kinder und Jugendliche gibt es altersgemäße Zugänge.
Neben dem Ausstellungsprogramm pflegt das Museum Beziehungen zu den Nachkommen jüdischer Familien aus Hohenems in aller Welt, die auch immer wieder durch Beiträge, Dokumente, Ritualien und Erinnerungen den Bestand bereichern.
Ein weiterer Link zum lebenden Judentum besteht darin, dass im Museum Religionsunterricht für israelitische Kinder gegeben wird, den die Gemeinde in Innsbruck organisiert: Vorarlberg und Tirol sind in einer Kultusgemeinde, deren Sitz Innsbruck ist, zusammengefasst. In Vorarlberg leben noch ca. 30 Juden. In Hohenems einer. Von den ehemaligen Gemeindemitgliedern kehrte niemand nach Hohenems zurück.
Heimo Kellner
Porträts von Soshana ("ein Leben für die Malerei"), Erna Frank ("Das Kunstwerk als sozialkritische Satire") und Arnold Daghani ("Ein Künstler, den es zu entdecken gilt"), ein Resümee der Documenta in Kassel und die Biennale in Venedig, sowie zahlreiche Buchrezensionen und vieles mehr lesen Sie in der umfangreichen Print-Ausgabe-der Septembernummer der INW.
Letzte Änderung: 03.01.2012
Webmeisterin+Redaktion: Mag. Ditta Rudle
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