Sammeln einst und jetzt

Förderer der klassischen Moderne

Von Petra Springer

In Wien existierten im 19. Jahrhundert neben der Kunst­sammlung der kaiserlichen Familie vier bedeutende private Sammlungen von Adeligen, die auch öffentlich zugänglich waren: die der Fürsten Liechtenstein, der Grafen Harrach, Czernin von Chudenitz und Schönborn. Aufgrund der angespannten finanziellen Situation des Monarchen wurden die kaiserlichen Sammlungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts nicht mehr maßgeblich erweitert, ebenso jene der Adeligen. Jüdische Familien, durch Handel, Bankwesen, Wissenschaft und Industrie zu erheblichem Wohlstand gekommen, traten an Stelle der Aristokratie in die Rolle als Mäzene und legten bedeutende Kunstsammlungen an.

Klimt: Amalie Zuckerkandl

Einerseits gab es Spezialsammlungen wie jene des Bankiers Albert Figdor mit einem Schwerpunkt auf Kunsthandwerk, andererseits wurden Werke älterer Epochen mit moderner Kunst kombiniert, wie in den Sammlungen Moritz Kuffner, Ferdinand Bloch-Bauer oder Richard Lieben. Weiters gab es Sammlungen, die sich ausschließlich auf die Moderne konzentrierten, wie jene der Familie Eisler oder des Zahnarztes Heinrich Rieger. Während die UnterstützerInnen der neuen künstlerischen Bewegungen großteils aus dem großbürgerlichen jüdischen Umfeld stammten, waren die berühmten Vertreter Gustav Klimt, Egon Schiele und Oskar Kokoschka keine Juden – einzig Richard Gerstl hatte einen jüdischen Vater. Ebenso wenig waren die Hauptvertreter der Wiener Werkstätte jüdischer Herkunft. MalerInnen wie Isidor Kaufmann, Jehudo Meier Epstein, Tina Blau oder Broncia Koller waren zwar arriviert und erhielten Aufträge, konnten aber an die großen Erfolge der bekannteren Kollegen nicht anschließen.

Es gab damals zwar staatliche Förderungen, die privaten Unterstützungen hingegen wurden in erster Linie von den jüdischen Mäzenen getragen. Ein Förderer war z. B.  der Industrielle Karl Wittgenstein,
der zum größten Teil den Bau der Sezession finanzierte und deren Künstler sammelte. Auch Josefine und Josef Winter besaßen eine beachtliche Kunstsammlung mit Arbeiten von Rudolf von Alt. In Jenny Steiners Eigentum befanden sich eindrucksvolle Werke der österreichischen Moderne, wie Gustav Klimts „Wasserschlangen II" oder Egon Schieles „Mutter mit zwei Kindern". Die KunstsammlerInnen verfügten damals über ein dichtes Netzwerk von Kunst- und Antiquitätenhandlungen, einige sammelten und handelten gleichzeitig, wie die Brüder Elkan und Abraham Silbermann. Die Namen der SammlerInnen scheinen schier endlos. Sophie Lillie rekonstruiert in ihrer Publikation „Was einmal war” 148 private Kunstsammlungen, die vor 1938 in Wien bestanden und zeichnet den Weg zahlreicher Kunstobjekte bis in die Gegenwart nach.

Unmittelbar nach dem Anschluss im Jahr 1938 setzte der Raub von Kunstgegenständen ein. Zahlreiche Galerien, Kunst- und Antiquitätengeschäfte wurden arisiert oder zwangsweise aufgelöst. Der Kunsthandel zählte zu den großen Profiteuren dieser gewaltsamen Umverteilungsmaßnahmen. Seit etwa 1990 ist das Schicksal von verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut Gegenstand österreichischer und internationaler Provenienzforschung. Ziel ist die Restitution an die rechtmäßigen BesitzerInnen bzw. deren ErbInnen. 1998 wurde ein Gesetz zur Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen beschlossen und ein Jahr später um „sonstiges bewegliches Kulturgut” erweitert. Besonders spektakulär war 2006 die Restitution von fünf Klimt-Gemälden aus dem Belvedere. Einen Rekordpreis von 135 Mio. Dollar zahlte Ronald Lauder für Klimts „Adele Bloch-Bauer I”, der das Werk für die von ihm gegründete Neue Galerie in Manhattan erwarb. Das Restitutionsgesetz greift aber nicht für Privatstiftungen wie für das immer wieder ins öffentliche Interesse rückende Leopold Museum. Schwer ausforschbar sind Werke, die sich in Privatbesitz befinden. Die erste Privatrestitution fand 2010 statt: Klimts „Kirche in Cassone” aus Sammlung von Victor Zuckerkandl gelangte über Friedrich Welz
 schlussendlich in eine Grazer Privatsammlung. Das Bild wurde bei Sotheby’s versteigert, den Betrag teilten sich der Privatbesitzer und der rechtmäßige Erbe, der damals 81-jährige Großneffe Zuckerkandls, Georges Jorisch.

Schiele: Porträt Rieger

2011 fand in Wien das Symposium „Kunst sammeln – Kunst handeln” mit zahlreichen ExpertInnen aus Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, Israel, Polen, Schweiz, Slowakei, USA und Österreich statt. Die meisten vorgetragenen Beiträge zur Entwicklung des Kunstsammelns und Kunsthandelns seit den 1920er Jahren sind nun in der gleichnamigen Publikation im Böhlau Verlag erschienen. Der von Eva Blimlinger und Monika Mayer herausgegebene Band beinhaltet durchwegs interessante und aufschlussreiche Beiträge. So widmet sich Mayer den jüdischen FörderInnen der Österreichischen Galerie seit ihrer Gründung 1903 bis zum Anschluss. Namen wie Felix von Oppenheimer, Adele und Ferdinand Bloch-Bauer, Victor Zuckerkandl, Otto Kallir-Nierenstein, Lea Bondi oder Broncia Koller sind aufgrund von Förderungen, Leihgaben, Hinterlassenschaften und Widmungen mit den Sammlungen im Belvedere verbunden. Vanessa Voigt und Horst Kessler gehen in ihrem Beitrag der Beschlagnahmung jüdischer Sammlungen 1938/39 in München nach. Dieter Hecht beschreibt die Wiener Kunsthandlung E. Hirschler & Com., deren Inhaber Kunst sowohl sammelten, als auch handelten. Durch den Anschluss verlor Paul Hirschler Berufsgrundlage und Vermögen. Nach seinem Tod 1941 konnte seine Frau, die „Arierin“ war, sein Vermögen wieder geltend machen, doch wie viel noch vorhanden war, lässt sich nicht mehr genau feststellen.

Zu den Profiteuren des Kunstraubes zählen der Salzburger Galerist Friedrich Welz und der Münchner Kunsthändler Adolf Weinmüller. Gerhard Plasser thematisiert ersteren und Meike Hopp beschreibt Weinmüllers Rolle bei der „einheitlichen Neuregelung des Deutschen Kunsthandels“. Floris Kunert und Annemarie Marck werfen einen Blick auf den niederländischen Kunstmarkt von 1939 bis 1945, die NS-Erwerbungsstrategien nach der Besetzung 1940 und die Restitutionspolitik Hollands.

Zeitgenössische Kunst im Blickpunkt

Das Jüdische Museum Wien zeigt bis 7. Oktober die Ausstellung „Fremde überall” mit Werken zeitgenössischer KünstlerInnen aus der Sammlung Jana und Eduard Pomeranz. Die Sammlung internationaler KünstlerInnen soll an jene jüdischen SammlerInnen und Mäzene erinnern, die Wien um 1900 prägten, und diese einst reiche, durch die Nationalsozialisten zerstörte Sammlertradition in der Gegenwart fortführen.

Eduard Pomeranz

Eduard Pomeranz, 1969 in Odessa/Ukraine geboren, kam siebenjährig und ohne Deutschkenntnisse mit seiner Familie nach Wien. Er war u. a. als Wertpapier-Analyst sowie Aktien- und Futureshändler für Banken und internationale Brokerage-Unternehmen tätig. Als 25-Jähriger gründete er 1995 gemeinsam mit Gerd Bwiss und Christoph Langmann die FTC Vermögensberatung Pomeranz & Partner GmbH als unabhängigen Commodity Trading Advisor mit Schwerpunkt auf den Bereich Managed Futures. Dabei kommen vollautomatisierte, computergestützte Tradingsysteme zum Einsatz, die auf einem langfristigen trendfolgenden Ansatz beruhen.

Die Pomeranz Collection wurde 2007 gegründet. Die erste Zeit wurde Pomeranz von Ariane Neuberger, der ehemaligen Leiterin der Kunstsammlung der Bank Austria, unterstützt. Heute steht dem Sammlerehepaar ein Kurator und Kunstkritiker beratend zur Seite, der auch die Ausstellung im Jüdischen Museum Wien kuratiert hat: Ami Barak, 1952 in Rumänien geboren und langjähriger künstlerischer Leiter der Abteilung für bildende Kunst der Stadt Paris. Das Sammeln begann Pomeranz am 12. Jänner 2007 mit dem Kauf von zwei Zeichnungen von Sol Lewitt bei einer Auktion in Israel, mittlerweile befinden sich an die 200 Kunstwerke in der Privatstiftung.

In einem Interview mit Andrea Schurian berichtet der Sammler, dass er Geld nach systematischen Ansätzen mit Computerprogrammen managt. Parameter aus der Finanzindustrie können so auch auf Kunst umgelegt werden, weshalb er ein Screening Programm entwickelte, dass als Vorselektion KünstlerInnen auswirft. Kunstwerke müssen einerseits in sein Sammelkonzept passen, andererseits sind von der Kunstgeschichte bereits akzeptierte und am Kunstmarkt sehr etablierte KünstlerInnen nicht mehr leistbar. Pomeranz kauft Werke von KünstlerInnen, die zwar von der Kunstgeschichte akzeptiert sind, aber vom Markt noch nicht: „Manche sind vom Markt noch unterbewertet: die kaufen wir. Und wir kaufen natürlich Werke junger aufsteigender Künstler.”

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Letzte Änderung: 04.08.2012
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