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Ausgabe August / Oktober 2009

Rosch Haschana 5770

Aus dem Inhalt der aktuellen Ausgabe

Coverbild des Heftes
Abbildung eines Monuments
vor dem Rathaus von Rechovot,
geschaffenvon David Gerstein.
Der von der amerikanischen Pop-art
beeinflusste israelische Künstler nennt
die Skulptur "Scientific Orange"


Dan Ashbel, Botschafter des Staates Israel

Neujahrsbotschaft

Liebe Leserinnen und Leser der Illustrierten Neuen Welt!

Dan Ashbel

Wenn der Sommer sich seinem Ende neigt und der Herbst auf den kommenden Winter deutet, ist Rosh Hashana, das neue Jahr, nicht weit. Dies ist eine Zeit der Reflektionen und Gedanken über das vergangene und zugleich eine Zeit der Pläne und Hoffnungen auf das uns zukommende neue Jahr. In den letzten Jahren habe ich mich fast daran gewöhnt, meine Gedanken mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, zu teilen. Es freut mich dies auch in diesem Jahr zu tun, obwohl es das letzte Mal ist, wo ich das als Botschafter des Staates Israel in Österreich mache. Während Sie diese Ausgabe der Neuen Illustrierten Welt lesen, werden meine Frau Zehava und ich entweder schon in Israel zurück sein oder uns gerade auf dem Weg nach Hause befinden. Daher sind die Gedanken, die ich hier vorbringen werde, auch vermischt mit der Atmosphäre eines Lebenskapitels, das zu Ende geht. Je länger ich mich mit den Staatsgeschäften Israels beschäftige, um so mehr wird mir bewusst, dass auch für mich selbstverständliche Themen immer wieder einer Erwähnung und Erklärung bedürfen.

Auch im 62. Jahr seiner Unabhängigkeit ist die Existenz Israels keine Selbstverständlichkeit. Dies auf der einen Seite - und auf der anderen gleicht das, was in diesem Land vor und seit dem herzlianischen Traum geschehen ist, nahezu einem Wunder. Mitte des 19. Jahrhunderts lebten im Land Israel knapp 40.000 Juden. Wer - außer einem Visionär wie Herzl - konnte sich damals vorstellen, dass binnen hundert Jahren 650.000 Juden im Land leben und den Staat Israel gründen würden. Heute nähert sich die Anzahl der Juden in Israel an 6 Millionen. Seit der Zeit des Zweiten Tempels ist es das erste Mal in der jüdischen Geschichte, dass die Mehrheit des jüdischen Volkes wieder in seiner Heimat Israel zuhause ist. Israel, wie kein anderes Land auf der Welt, muss sich aber auch heute der Ablehnung seines Existenzrechtes stellen. Diese Ablehnung besteht nicht nur aus Worten sondern auch aus konkreten Plänen und Absichten einiger unserer Nachbarn, unseren Staat von der Weltkarte zu eliminieren. Um diesen Absichten und Plänen zu entgegnen, müssen wir die Forderung nach Annerkennung des Existenzrechtes des Staates Israel als den Staat des jüdischen Volkes stellen. Nicht weil wir die Bestätigung brauchen, sondern damit unsere palästinensischen und arabischen Nachbarn diese Tatsache wahrnehmen. So wie Israel bereit ist, einen Staat Palästina als den Staat des palästinensischen Volkes anzuerkennen, erwarten wir von den Palästinensern die Annerkennung Israels als Staat des jüdischen Volkes.

Das Problem der palästinensischen Flüchtlinge kann und muss außerhalb der Grenzen Israels gelöst werden. Nach der Gründung des Staates Israel im Jahr 1948 entstanden zwei Flüchtlingsprobleme: jüdische Flüchtlinge aus arabischen Ländern und arabische Flüchtlinge aus Palästina. Über das erste Problem wird heute nicht mehr gesprochen, da die Flüchtlinge in Israel absorbiert wurden. Die Palästinenser pochen aber immer noch auf ihr so genanntes „Rückkehrrecht“, und zwar in den Staat Israel. Es ist weder logisch noch gerecht, dieses Problem auf Kosten und im kleinen Gebiet von Israel zu lösen.

Ein Friedensabkommen zwischen Israel und den Palästinensern muss den Konflikt und auch die Forderungen, die mit dem Konflikt verbunden sind, als beendet erklären. Ein Staat Palästina, der mit Israel eine gemeinsame Grenze haben wird, kann und darf nicht die Rückkehr von Flüchtlingen nach Israel oder territoriale Forderungen betreffend des Staatsgebietes Israels stellen. Ein Ende des Konflikts muss auch das Ende der Forderungen bedeuten.

Frieden muss auch Sicherheit mit sich bringen. Israel kann sich entlang seiner östlichen Grenze eine Wiederholung von Gaza und dem Süden des Libanons nicht leisten. Wir möchten sicherstellen, dass geräumte Gebiete nicht von den durch den Iran gestützten Terroristen übernommen werden. Eine Situation in der das eng bewohnte Zentrum Israels durch Raketen oder Kanonen bedroht wird, bedeutet weder Frieden noch Sicherheit. Daher ist die effektive Entmilitarisierung dieses Staates von höchster Bedeutung. Kein fremdes Militär soll zwischen der Mittelmeerküste und dem Jordantal stationiert werden. Die Selbstbestimmung der Palästinenser bedarf auf keinen Fall Raketen, die Tel Aviv bedrohen.

Ein wichtiger Baustein einer Friedensregelung muss die internationale Annerkennung dieser Entmilitarisierung sein. Eine internationale Garantie für diese Abkommen soll auch als Warnung für die gelten, die eines Tages auf die Idee kommen könnten, diese Abkommen zu ignorieren.

Mit all der Bedeutung, die militärischen und politischen Abkommen beigemessen wird, brauchen sowohl Israelis wie auch Palästinenser einen wirtschaftlichen Frieden. Die West Bank genießt zurzeit ein jährliches Wachstum von über 7 Prozent, während Gaza unter der Herrschaft der Hamas fast nur Elend zu verzeichnen hat. Die Palästinenser müssen zwischen der aus dem Iran geführten Unterdrückung und der freien Entfaltung, wie sie in den Golf-Staaten zu verfolgen ist, wählen. Wir wollen und können ihnen auf dem Weg zum Erfolg helfen. Es ist die Pflicht der internationalen Gemeinschaft und steht auch im Interesse der Menschen in der Region den unterdrückenden radikalen Islamismus in die Schranken zu weisen. Nur so können wir die Region des Nahen Osten vor einer nuklearen Katastrophe retten. Die Kräfte der Vernunft, des Fortschritts, der Toleranz und des Friedens müssen die Oberhand gewinnen. Gemeinsam mit unseren Nachbarn und der internationalen Gemeinschaft der Völker können wir es schaffen und endlich auch uns den ersehnten Frieden herbei führen.

Ich hoffe, dass das neue Jahr uns näher an diese Ziele führen wird. Diese Hoffnung nehme ich auch mit nach Hause nach Israel und benütze diese Gelegenheit, um Ihnen ein schönes und friedliches Neues Jahr zu wünschen. Shana Tova und auf ein Wiedersehen, vielleicht auch in Israel.

Dan Ashbel Botschafter des Staates Israel

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Quadratur des Kreises II

Kommentar von Gil Yaron

Pünktlich zum jüdischen Neujahr soll im Nahen Osten ein neuer Friedensprozess beginnen. Die USA hoffen, noch während der UN-Vollversammlung in New York im September ein Gipfeltreffen zwischen Israels Premier Benjamin Netanyahu und dem palästinensischen Präsidenten Machmud Abbas zustande zu bringen. Unter der Schirmherrschaft von US-Präsident Barack Obama soll damit der Grundstein für einen regionalen Verhandlungsprozess gelegt werden. Doch nicht alle Akteure tanzen nach der Pfeife des neuen Hausherrn in Washington. Ausgerechnet Israel übernimmt dabei die geächtete Rolle des Spielverderbers.

Seit Monaten verhandelt Jerusalem mit den USA über eine Formel, die der Quadratur des Kreises gleichkommt. Die internationale Staatengemeinschaft, allen voran Israels wichtigster Bündnispartner die USA, erwarten von beiden Seiten deutliche Gesten. Deswegen bekannte der Erzfalke Netanyahu sich vor wenigen Wochen öffentlich zur Zwei-Staaten Lösung. Doch dieser Schritt reichte nicht aus. Der Westen fordert die sofortige Einstellung aller Bauaktivitäten im 1967 von Israel eroberten Westjordanland. Die Palästinenser wollen hier ihren Staat errichten und beklagen, dass die Ansiedlung der mehr als 300.000 Israelis dies verhindere.

Netanyahu will dieser Forderung größtenteils nachkommen, doch er hat daheim ein Problem. Seine Koalition stützt sich auf die Siedler, die jeden Baustopp kategorisch ablehnen und ihn zu Fall bringen könnten. Um sich auf beiden Fronten abzusichern, versucht Netanyahu einen heiklen Balanceakt. Vizepremier Eli Jischai, als Parteivorsitzender der religiösen Schas einer der wichtigsten Koalitionspartner, umschrieb die neue Politik des rechten Premiers gewollt amorph: Man wolle „eine strategische Verzögerung" von Neubauten, die angesichts der politischen Lage akzeptabel sei. Kein Baustopp, sondern eine Pause von bis zu neun Monaten.

Gleichzeitig versprach Netanyahu den Siedlern noch die Errichtung von 500 Wohnungen. Ein hochrangiger Berater des Premiers sagte dazu: „Bevor man taucht, muss man tief einatmen." Darüber hinaus sollen 2500 Wohneinheiten, mit deren Bau bereits begonnen wurde, fertig gestellt werden. Ferner betreffe der Baustopp Ostjerusalem nicht, das von Israelis wie Palästinensern als Hauptstadt beansprucht wird.

Mit seinem Slalomkurs verprellte Netanyahu alle seine Gesprächspartner. Die EU-Außenminister übten scharfe Kritik, das Weiße Haus äußerte „Bedauern". Die USA „erkennen die Legitimität einer weiteren Ausdehnung der Siedlungen nicht an und mahnen dazu, sie einzustellen".

Der international ohnehin unbeliebte israelische Premier verspielte das diplomatische Kapital, das ihm eigentlich zusteht, denn paradoxerweise hat Netanyahu mehr für die Lebensbedingungen der Palästinenser getan als alle seine Vorgänger der vergangenen neun Jahre. Straßensperren werden geräumt. Die gebeutelten Städte des Westjordanlands blühen auf. Die Weltbank rechnet für das besetzte Westjordanland im Jahr 2009 mit einem Wirtschaftswachstum von 7%. Die Kooperation zwischen palästinensischen und israelischen Sicherheitskräften ist so gut wie seit Ausbruch der zweiten Intifada vor exakt neun Jahren nicht mehr.

Doch Netanyahu steht als der Böse da, auch, weil seine palästinensischen Gesprächspartner, allen voran der palästinensische Premier Salam Fayad, bemüht sind, die Vorgaben des Westens penibel zu erfüllen. Nach Jahren, in denen die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) zu einem Synonym für Korruption, Misswirtschaft und Terrorismus wurde, ist es Fayad gelungen, ihr Ansehen zu heben. Er hat mehr als 30.000 fiktive Stellen gestrichen und bekämpft die Hamas mit Erfolg. Jetzt fordert die PA mit internationaler Unterstützung von Israel, seine Obligationen gemäß des internationalen Nahost-Friedensplans, der Roadmap, einzuhalten, und den Siedlungsbau vollkommen einzufrieren. Folgerichtig verkündet Abbas, er werde den israelischen Premier nur treffen, wenn im Westjordanland nicht mehr gebaut werde. Er will keine Zugeständnisse an Siedler mehr dulden: „Dass Israel bereits mit dem Bau illegaler Siedlungen begonnen hat, ist nicht unser Problem", so Abbas.

Der unbestechliche Fayad, der selbst in Israel als Vorkämpfer einer „anständigen" PA hoch geschätzt wird, erweist sich zunehmend als diplomatische Herausforderung. Im Vorfeld des UN-Gipfels veröffentlichte er einen Friedensplan, der im Westen viele Anhänger finden und Netanyahu weiter isolieren könnte. Fayad will seine internationale Anerkennung ummünzen. „Wir freuen uns über die andauernde internationale Unterstützung dafür, Palästina als einen unabhängigen, demokratischen, progressiven und modernen arabischen Staat zu errichten, mit voller Souveränität über das Westjordanland und Gaza unOstjerusalem als seiner Hauptstadt", schrieb Fayad in seinem Plan.

Im Gegensatz zu den anderen palästinensischen Befreiungsbewegungen fordert Fayad ausdrücklich nur die 1967 von Israel eroberten Gebiete. Der Konflikt sei exklusiv mit internationalem Recht, guter Verwaltung und der Errichtung starker nationaler Institutionen zu lösen, „wobei wir sicherstellen müssen, dass wir unsere Verpflichtungen gegenüber unseren Bürgern und unseren Partnern in der Staatengemeinschaft erfüllen“. Kein Wort vom bewaffneten Kampf ist in seinem Programm zu finden, stattdessen ist die Rede von Palästina als „friedliebender Staat, der Gewalt verabscheut, sich zu friedlicher Koexistenz mit seinen Nachbarn verpflichtet und Brücken der Kooperation baut“. Fayad wünscht sich ein Palästina als „Symbol von Frieden, Toleranz und Wohlstand in dieser problembehafteten Region", und das in spätestens zwei Jahren. Die Entstehung eines solchen Staates, drängt Fayad, sei „nicht nur möglich, sondern lebenswichtig“.

Fayads Friedensplan liest sich wie der Traum von einem besseren Nahen Osten, genau wie man es in der EU und Washington gerne hört. Israels Regierung hingegen will Fayads Plan totschweigen. „Einseitige Initiativen fördern den Dialog nicht, sondern ermutigen die andere Seite ebenfalls zu einseitigen Handlungen", sagte Israels Außenminister Avigdor Liebermann, der sich damit nicht auf den Siedlungsbau bezog. Zwar decken sich Teile von Fayads Friedensplan mit der Idee des „wirtschaftlichen Friedens", die Netanyahu als Vorstufe einer endgültigen Lösung propagiert. Dennoch reagierte das unmittelbare Umfeld Netanyahus mit eiskaltem Schweigen auf Fayads Plan. Ebenso kühl behandelt Israel seit sieben Jahren die arabischen Friedensinitiative, die dem Judenstaat im Gegenzug für einen Rückzug auf die Grenzen von 1967 Anerkennung und die völlige Normalisierung der Beziehungen anbietet. Gekoppelt mit überflüssigen Auseinandersetzungen, wie dem Streit über einen anti-israelischen Zeitungsartikel in Schweden, der eine Krise in den bilateralen Beziehungen auslöste, stößt die Regierung in Jerusalem in westlichen Hauptstädten auf immer größeren Unmut. Die einzige Hoffnung für Netanyahu liegt in den Fehlern der arabischen Welt. Die Palästinenser, die seit zwei Jahren in einem andauernden Bruderkrieg zwischen den Islamisten der Hamas und der pro-westlichen Fatah zutiefst gespalten sind, bleiben jeder Einigung fern. Solange sich die beiden Lager bekämpfen, wird Netanyahu nicht gezwungen werden, einen bindenden Friedensvertrag zu unterschreiben, da auf palästinensischer Seite kein legitimer Volksvertreter auffindbar bleibt. Fayad bleibt ein Außenseiter in der palästinensischen Politik und wird von Fatah und Hamas angefeindet.

Netanyahu kann sich darauf verlassen, dass auch den arabischen Staaten, die den Friedensprozess mit vertrauensbildenden Maßnahmen begleiten sollen, eine Teilschuld zukommen wird. Sie sollen El Al beispielsweise den Überflug gewähren oder Handelsbeziehungen aufnehmen. Washington will so ein „Klima schaffen, in dem Verhandlungen möglich" seien, hieß es aus dem Weißen Haus. Saudi Arabien winkte bereits dankend ab. Ein Überflug israelischer Flugzeuge, hieß es aus Riad, entweihe die heiligen Stätten des Islam und sei deswegen unmöglich. Zu Rosch Haschana erwartet den Nahen Osten leider anscheinend nicht viel Neues.

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Präsident Paul Grosz s. A. – 1925–2009

Die Einfachheit des Komplizierten

Paul Grosz

Es sind jetzt schon etwa 11 Jahre vergangen, seitdem Paul Grosz, der 1987 zum Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde und des Bundesverbandes der jüdischen Gemeinden in Österreich gewählt wurde, nicht mehr im Amte war und nur hin und wieder als Ehrenpräsident repräsentierte. Aber seine Präsenz war nicht erloschen. Er war als echter Primus inter pares den Menschen immer gegenwärtig, denn er war immer hauptsächlich einer von ihnen gewesen. Deswegen liebte man ihn ganz besonders. Er war der vom Grund, der Nachbar, der fleißige Arbeitsmensch, der auch nach Erreichung der höchsten Position im hiesigen Judentum seinem Handwerk treu geblieben war. Ein aufrechter Bürger und Familienvater, ein mit den Jahren herangereifter

Weiser, immer da für alle, ohne Allüren und persönliche Ansprüche.

Die Aufgabe, die er in seiner letzten Lebensphase erfüllen sollte, wurde ihm nicht in die Wiege gelegt. Er kam nicht aus einem Nobelbezirk, sondern aus der Kürschnerwerkstatt seines Vater, die die dortigen Schichten bediente. Und seine Jugend musste er in dieser Stadt, der er ganz angehörte, als U-Boot verbringen, um zu überleben – aber immerhin, er und die seinen wurden nicht deportiert und getötet. Was er hier erlebt hatte, muss jedoch schrecklich gewesen sein, denn er wanderte nach der Befreiung nach Amerika aus. Wien ließ ihn nicht los und schließlich kam er zurück, um das Kürschnergeschäft seines Vaters weiterzuführen.

Wie wir alle Jugendlichen von damals war Paul Grosz zunächst im Verband der jüdischen Hochschüler tätig. Nach seiner Rückkehr aus den USA wurde er von Simon Wiesenthal motiviert, sich der IKG zu widmen. Paul Grosz repräsentierte, soweit ich das beurteilen kann, keine österreichische Partei, sondern die Anliegen der hiesigen Juden und des Staates Israel. Für die Juden, die nicht nur ideologisch ein bunter Haufen waren, sondern nach dem Krieg und seitdem die UdSSR viele Juden auswandern ließ, auch herkunftsmäßig nicht unterschiedlicher sein konnten, war er eine Bezugsperson und ein Fixpunkt, dem die Einheit der Gemeinde über alles galt. Nicht religiös erzogen, eignete er sich ein Maß an Jüdischkeit an, das ihn auch für die Frommen zum Gesprächspartner machte. Er wurde traditionstreu, weil das zum Judentum gehörte und das ehrt ihn sehr.

Die Ereignisse, die mit der Wahl von Waldheim zum Bundespräsidenten verknüpft waren, verursachten eine tiefe Krise im österreichischen Judentum – und auch in der IKG. Der unterschwellige Judenhass war wieder ungeniert ans Tageslicht getreten. Paul Grosz reagierte musterhaft, mit der ihm angeborenen wienerischen Art, für die er so beliebt war, und führte die Gemeinde in eine selbstbewusste, geradlinige stolze österreichisch-jüdische Zukunft, verbunden mit einer treffsicheren Aufarbeitung der Verfolgungszeit, die in der Errichtung des Nationalfonds und der Anerkennung der österreichischen Schuld gipfelte. Die Organisierung des jüdischen Lebens, besonders in Form der Zwi Perez Chajes-Schule, von Esra und den vielen Vereinen aller Gruppen, aus denen sich die Gemeinde zusammensetzt, haben zu einer Vitalität und zu einem Zusammenleben geführt, die Jahrzehnte zuvor nie mehr angestrebt wurden und das jüdische Wien nunmehr sicher in die Spur gestellt haben, die Wien, das irdische Jerusalem des mitteleuropäischen Judentums, einst einnahm. Das zurück gewonnene Identitätsbewusstsein ist bemerkenswert.

Wenn es auch schmerzhaft und bedauerlich ist, dass Paul Grosz in seinen letzten Jahren aus Gesundheitsgründen an vielem nicht mehr teilhaben konnte, bleiben sein Wirken, seine Persönlichkeit, seine Errungenschaften dankenswert und unvergänglich. Mit großer Gelassenheit, Einfachheit und Beharrlichkeit hat er seiner Gemeinde den Weg in die Zukunft geöffnet. Es liegt an den kommenden Generationen, daraus den Nutzen zu ziehen und diese Errungenschaften nicht zu schmälern oder gar zu vergeuden. Rita Koch

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Autor Josef Burg 1912–2009

Zeuge Migestalter und Opfer mitteleuorpäischer Kultur und Leidensgeschichte

Am 10. August ist Josef Burg im Alter von 97 Jahren in Czernowitz gestorben. Mit ihm ist nicht nur ein leidenschaftlicher, während vieler Jahre zum Schweigen verurteilter Apologet seiner Sprache aus der jiddischen Literatur von uns gegangen, er war auch eine der letzten Erscheinungen des altösterreichischen Arkanums Bukowina, ein Zeuge, Mitgestalter und Opfer mitteleuropäischer Kultur und Leidensgeschichte.

Josef Burg

1912 in Wischnitz als Sohn eines jüdischen Flößers geboren, kam der Zwölfjährige mit seiner Familie in die Hauptstadt der Bukowina, nach Czernowitz. Dort besuchte er die Schulen und bildete sich als Lehrer am 1919 gegründeten Jüdischen Schulverein aus.

Der so geschmähte Völkerkerker Österreich, dem der unvergessliche Joseph Roth, auch ein „Ostjude“, ein Ehrenmal gesetzt hat, bot bei allen Unzulänglichkeiten den Juden in den fernen Landesteilen friedvolle Entfaltungsmöglichkeiten, vor allem im Vergleich zu dem, was ihnen weiter östlich und vor allem, was ihnen nachher geboten wurde.

In den Kaffeehäusern lagen Zeitungen in vier Sprachen – Deutsch, Jiddisch, Rumänisch und Polnisch – auf. Es gab eine jüdische Schule, eine jüdische Abendschule, ein jüdisches Theater, 78 Synagogen, von denen heute eine einzige existiert. Zur Einweihung der großen Synagoge am Hauptplatz reiste 1908 sogar Kaiser Franz Josef höchpersönlich an.

1908 wurde in Czernowitz die „Jüdische Sprachkonferenz“ abgehalten, die erste und einzige ihrer Art. Dort wurde verlangt, dass Jiddisch, von vielen als Jargon abgetan, von nun an die Nationalsprache der Juden sein solle – und nicht Hebräisch.

Czernowitz hat Österreich, Rumänien, die Sowjetunion und die Ukraine erlebt und überlebt“, sagte Burg in einem Interview. „Alle haben dieser Stadt ihren Stempel aufgedrückt. In der österreichischen Zeit war es eine Stadt, wie es sie sonst wohl nur selten gab. Man hat nichts gewusst von einem Antisemitismus, von einem Hass, von Mensch zu Mensch.

Es entsprach dem altösterreichischen Liassez-faire, dass sich aus der im besten Sinne multikulturellen Atmosphäre dieser kleinen Provinzstadt bedeutende Künstler entwickeln konnten.
Aus Czernowitz stammen die deutsch schreibenden Paul Celan und Rose Ausländer, die ukrainische Schriftstellerin Olha Kobyljanska, der rumänische Dichter Mihai Eminescu und die jiddischen Autoren Itzik Manger und Eliezer Steinbarg.

1934 begann Burg in Wien das Studium der Germanistik. Aus diesem Jahr stammt seine erste Erzählung „Oifn splaw“ (Auf dem Floß). 1939 folgte „Oifn tschermusch“ (dt. Auf dem Czeremosz). Nach dem Anschluss versuchte er nach London zu entkommen. Da ihm Deutschland die Durchreise verweigerte, kehrte er nach Czernowitz zurück, das 1918 rumänisch geworden war. In der Zwischenzeit hatte sich dort die rabiat antisemitische Eiserne Garde des Hitler-Satelliten Marschall Antonescu etabliert. Weil er Jude war, wurde Burg die Staatsbürgerschaft aberkannt. Als 1940 die Sowjetunion den im Hitler-Stalin-Pakt beschlossenen Landraub durchführte und die Bukowina annektierte, erwartet er, so wie sein Bruder, der als Spanienkämpfer auf Seiten der Republik gefallen war, vom Kommunismus Freiheit und Gerechtigkeit. Die Wirklichkeit sah anders aus: Nachdem er 1941 mit der Roten Armee nach Russland floh, konnte er vierzig Jahre lang nichts publizieren. Die sowjetische Kulturpolitik verleugnete eine jiddische Literatur.

Fast zwanzig Jahre lang arbeitete er an Schulen und Universitäten in Samarkand. Erst Ende der fünfziger Jahre brachte ihn die Nostalgie nach Czernowitz zurück. Dort hatte niemand seiner Verwandten den Holocaust überlebt. Die Stadt war nunmehr sowjetisch, bis sie ukrainisch wurde, und hieß Tscherniwziz.

Erst ab 1980 konnte er wieder Bücher, über ein Dutzend, veröffentlichen. Sie wurden ins Russische, Polnische, Ukrainische und Englische übersetzt. Die deutschen Übersetzungen sind im Verlag Hans Boldt erschienen. Burgs Hauptanliegen war es, die Erinnerung an die jiddische Literatur zu erhalten. Die von ihm herausgegebenen Tschernowizer Bleter sollten dazu beitragen.

2007 wurde ihm das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse, 2009 der Theodor-Kramer-Preis verliehen.

Das besondere, das jiddische Ambiente von Czernowitz hat Burg geprägt, die Prägung begleitete ihn ein Leben lang, wenn schon das Ambiente selbst zugrunde gegangen ist.Heimo Kellner

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Nolte kann's nicht lassen

Anton Pelinka zum neuen Buch Ernst Noltes
"Die dritte radikale Widerstandsbewegung: der Islamismus"

A. Pelinka
Anton Pelinka

Fast ist man versucht, Mitleid mit Ernst Nolte zu haben. Da hat der deutsche Historiker, 1923 geboren, mit seiner 1963 publizierten Habilitationsschrift „Der Faschismus in seiner Epoche" ein Standardwerk vorgelegt, das große internationale Aufmerksamkeit erlangte und als Beispiel einer „liberalen" (gemeint: nicht marxistischen) Faschismustheorie gilt. Hätte er doch dann aufgehört, zu publizieren. Er wäre als anerkannter Forscher in die Geschichte der deutschen Geschichtswissenschaft eingegangen. Immerhin: ein sehr wichtiges Buch, das können wirklich nicht alle aus der Zunft von sich behaupten.
Doch irgendwas musste den alten Nolte reizen – er begann, seine Reputation systematisch zu zerstören. 1986 brach er den deutschen „Historikerstreit" los. In der FAZ verkündete er seine These, die er dann 1989 in dem Buch „Der europäische Bürgerkrieg" verbreiterte und vertiefte: Der Nationalsozialismus – eine verständliche, weil logische Antwort auf die Bedrohung durch den Kommunismus? Der Holocaust – eine „überschießende Reaktion" auf den Bolschewismus? Auschwitz – die Fortsetzung dessen, was mit dem Gulag schon begonnenworden war?

Und nun hat er wieder zugeschlagen. Mit seinem 2009 im Landt Verlag, Berlin, erschienenen Buch setzt er den „Islamismus" auf eine Stufe mit dem Marxismus-Leninismus und dem Nationalsozialismus. Nolte setzt nicht gleich – er vergleicht. Und das ist natürlich legitim. Aber immer wieder schimmert sie durch, die zentrale Argumentationslinie – und die läuft auf eine Relativierung des Nationalsozialismus hinaus.
Nolte ist kein Holocaust-Leugner. Das kann man ihm wirklich nicht vorhalten. Und: Es geht – im Sinne Yehuda Bauers – ja nicht um die Einmaligkeit, es geht um die Erstmaligkeit des Holocaust. Nolte reiht sich ein in die Apologeten des Nationalsozialismus, die Konzentrationslager als britische Erfindung im Burenkrieg hinstellen: Stimmt, aber Konzentrationslager ist nicht Konzentrationslager und schon gar nicht Vernichtungslager. Die systematische Vernichtung des europäischen Judentums stellt Nolte in einen ähnlich relativierenden Zusammenhang: Hitler „musste (!)… den marxistischen Vernichtungswillen gegen das ‚Bürgertum’ in einen Vernichtungswillen gegen ‚die Juden’ umsetzen…, wenn er einen gleich starken und, wie ,die Kapitalisten’, anschaubaren Todfeind ausfindig machen wollte." (S. 382)

Buchcover

Nolte hat also Verständnis für den Nationalsozialismus und den Holocaust. Ach, und wäre es nur gegen die „Ostjuden" gegangen – die „Maßnahmen" gegen diese entsprechen „genau dem umgekehrten Fall zu Beginn des Ersten Weltkrieges, als die russische Heerführung die aus ihrer Sicht mit Deutschland sympathisierenden polnischen Juden nach Osten deportieren ließ." (S. 385) Doch Nolte ist durchaus fähig, Strenge gegenüber Hitler zu zeigen: „Dass aber Juden aus Deutschland, Frankreich und dem übrigen Europa in die Vernichtungslager des Ostens deportiert wurden, lässt sich aus der Kriegssituation allein nicht erklären." (ebenda) Ja, die Berliner Juden umzubringen, das war nicht sinnvoll – mit den Warschauer Juden, das war freilich etwas anderes. Wohl nicht richtig, aber doch irgendwie verständlich; und eben auch nicht erstmalig.

Doch Nolte wollte ja über den Islamismus schreiben. Dass er immer wieder auf den Nationalsozialismus kommt, ist wohl symptomatisch – seit dem Beginn des Historikerstreits muss er ja auch darauf bestehen, dass er kein Apologet Hitlers ist. Und dieses Bestehen treibt ihn immer wieder in einen Wirbel der Argumente.

Der Islam ist für Nolte vor allem eine arabische Sache. Dass die große Mehrheit der Muslime nicht aus dem arabischen, sondern aus dem süd- und südostasiatischen Raum kommt, das weiß Nolte natürlich. Aber die Konzentration auf den arabischen Raum macht sehr wohl Sinn – und zwar zweifach: Erstens, weil die extreme Form des Islamismus (Stichwort: Terrorismus) vor allem arabische Züge trägt; und, zweitens, weil die Konzentration auf diesen arabischen Raum Nolte die Gelegenheit gibt, viel über Israel zu schreiben.

Nolte wäre nicht Nolte, hätte er nicht viele Fakten zur Hand, die ganz eindeutig richtig sind. So etwa, wenn er beschreibt, die von der britischen Politik im Ersten Weltkrieg instrumentalisierte arabische Freiheitsbewegung hätte viele Gründe, sich vom „Westen" nach 1918 verraten zu fühlen. Dass die Araber „Opfer" eines „Prinzipienverrats" (S. 147) waren, erinnert an die hysterische Anti- Versailles-Rhetorik in Deutschland. Nolte, der Historiker, braucht doch nicht überrascht zu sein, dass Politik – erstens – voller Widersprüche ist; und dass, zweitens, im Widerstreit der Interessen alle Prinzipien auch machtpolitisch gewogen werden.

Dass die Balfour Deklaration nicht einfach als pro-zionistisches Dokument zu verstehen ist, in das in erster Linie konkrete britische Interessen einfließen; dass die dafür verantwortliche britische Politik auch – aus heutiger Sicht – naiven, zumindest latent antijüdischen Klischees bestimmt war: Das alles ist richtig, und das alles wird von Nolte überzeugend wiederholt. (S.124) Nur: So what? Wie kann man darüber überrascht sein, oder auch nur den Überraschten hervorkehren? Großmachtpolitik ist auch dadurch gekennzeichnet, dass sie in der Lage ist, die Interessenlage anderer zu manipulieren – die der Araber ebenso wie die der Zionisten.

Nolte nutzt eine Technik der provokativen Grenzwanderung: Der 11. September 2001? Er konzediert, dass die Erklärung, hinter den Anschlägen stünde der Mossad, „unhaltbar" sei. Aber: „Es bleiben freilich beunruhigende Verdachtsmomente… Die Mitwirkung eines professionellen und befreundeten Geheimdienstes kann…nicht mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden." (S.304) Wer also, wenn nicht der Mossad? Kann die Mitwirkung des Vatikans oder die des Dalai Lama mit der von Nolte geforderten „Bestimmtheit" ausgeschlossen werden? Oder meint Nolte tatsächlich das, was zu seinen Gedankengängen passen könnte – die CIA?

Ja, was alles von Nolte ausdrücklich nicht ausgeschlossen wird – das ist schon wert, es genussvoll zu zitieren: Er schreibt etwa von 1941, vom „(möglicherweise präventiven) Angriff gegen die Sowjetunion" (S. 384). Nolte kennt die Forschungslage – die unhaltbare Präventivkriegthese bringt er ins Spiel, indem er von dieser als „möglich" schreibt. „Möglicherweise" war Hitler doch jüdischer Herkunft? Und: „möglicherweise" war Stalin von der Wallstreet manipuliert? „Möglicherweise" ist Barack Obama in Kenya geboren?

Mit Israel tut sich Nolte natürlich schwer – und leicht zugleich. Natürlich bietet vieles, das zur israelischen Politik gehört, Belege für seine schon früher geäußerte (grundsätzlich nicht unschlüssige) These, dass Israel eigentlich das Produkt des Nationalsozialismus sei – und dass (das ist allein schon angesichts des Verhaltens der arabischen Nationalisten im Zweiten Weltkrieg nun freilich nicht mehr schlüssig) daher die Vernichtungsrhetorik, die aus islamischen Ländern kommt, als eine Art antinazistischer Widerstand zu verstehen ist.

Bezeichnend ist, welchen Israeli er positiv hervorhebt: Uri Avnery, „der deutsche Emigrant". Mit dessen Positionen sympathisiert Nolte ganz offenkundig: Israel müsse „entzionisiert" werden. (S.326) Nun haben es einige Vertreter, die Abschied vom Konzept der Zweistaaten-Lösung nehmen, nicht verdient, dass ihnen Nolte beispringt. Aber festzuhalten ist doch, auf welches intellektuelle Umfeld Nolte sich beruft.
Sebastian Haffner (und andere) haben immer wieder überzeugend argumentiert, hätte Hitler 1938 nach München und vor dem Novemberpogrom seine alles zerstörende Energie zurückgenommen – wir alle hätten ein ganz anderes Hitler-Bild. Hätte Nolte es mit seinem zu recht gerühmten Buch von 1963 bewenden lassen – wir alle hätten ein ganz anderes Nolte-Bild.

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Das Palmach-Museum in Tel Aviv

Ein architektonisch gelungener Bau von Zvi Hecker

Das Palmach-Museum liegt gleich neben dem Eretz Israel Museum zu Beginn des Akademischen Terrains am Fuße des Hügels, der zur Tel Aviver Universität hinaufführt.
Das Gebäude konzipierte 1992 der Architekt Zvi Hecker, der in Deutschland durch den Bau der jüdischen Grundschule in Berlin/ Charlottenburg und das jüdische Gemeindezentrum in Duisburg bekannt wurde. sieben Jahre vergingen, bis diese Einrichtung zur Pflege des kulturellen Erbes der Eliteeinheiten der zionistischen Pioniere, der Palmach, übersetzt „der Vorstoßtruppen", eröffnet wurde. Zvi Hecker hat das Museum in der Landschaft verwurzelt, und es wirkt ganz dem Sandstein entwachsen, aus dem die Hügel dort bestehen. Mit den Worten des israelischen Bildhauers Michi Ullmann glaubt man, es seien „zwei Berge mit Bäumen dazwischen". Seine architektonische Form, zwei Gebäude, die wie zwei flache, spitzwinkelige Keile ineinander verhakt an Höhe gewinnen und so die natürliche Sandsteinformation beibehalten, die ursprünglich die Topographie des Küstenstreifen im nördlichen Tel Aviv ausmachte – vor der Urbanisierung, diese in sich verschobenen, dünenartigen Sandsteinhügel hat Zwi Hecker nachbauen lassen, indem er kantige Sandsteinplatten diagonal in sandigen Mörtel geschichtet hat. Hieraus ergibt sich eine sehr rohe und scharfkantige Oberfläche, die durch die Verwendung unbearbeiteter Betonschichten und glänzender weißer hervorstechender Quader noch stärker wirkt. Im höchsten dieser weiß gleißenden Quader ist das Symbol des Palmach eingemeisselt und es erklärt sich an dieser exponierten Stelle fast von selbst: zwei Getreideähren, die von einem diagonal vorgelegten Schwert geschützt werden. Das Symbol deklariert die Ziele des Palmach: zur Urbarmachung des Landes und als nationale Heimat für alle Juden wird jeder Pionier kämpfen und sei es mit dem Schwert.

Die beiden Gebäudeteile stehen wie zwei Dreiecke gegeneinander versetzt. Zwischen sie ist wie ein Tal der Innenhof mit alten Bäumen spitzwinkelig eingebettet. Die lange Rampe, die den Besucher zum Eingang führt, verstärkt den Eindruck des serpentinenhaften Aufstiegs. Ihr Hin und Her spiegelt die Wirren jener Gründungsjahre, in denen der Palmach so wichtig war, also die Jahre zwischen 1941 bis zur Staatsgründung 1948.

Museumsbau

Im Innern des Museums, besser Memorial genannt, gelangt man, ebenfalls auf schrägen Rampen, zur ersten Ausstellungsebene. Hier werden einige Gemälde von dem Maler Leonard Blum ausgestellt. Er war durch seine künstlerische Begabung ein Palmachkämpfer, der die Zeit zwischen seinen Einsätzen nutzte, um die Atmosphäre unter den jungen Zionisten in den umkämpften Kibbuzim jener Tage bildlich umzusetzen und so atmosphärisch zu dokumentieren.

Abgesehen von diesem Raum gibt es im Museum keine Vitrinen, keine ausgestellten Dokumente oder historischen Reliquien. Vom Eingang gelangt man, wieder über Rampen, in den Innenhof, in dem ein paar vereinzelte Bäume an ein karges Wäldchen erinnern, und von dort zum zweiten Gebäudetrakt, der das umfangreiche Fotoarchiv ausstellt. Dieses Archiv wird von ehemaligen Palmachnikim betreut und so trifft der Besucher dort kompetente Zeitzeugen, die anhand des beeindruckenden und minutiös dokumentierten Bildmaterials die Geschichte lebendig werden lassen.

Der Palmach wurde in der Mandatszeit 1941 auf Anfrage Großbritanniens von der Hagannah gegründet, um einen möglichen Überfall Deutschlands abwehren zu helfen.

Die zwiespältige Rolle des Palmach im Unabhängigkeitskrieg wird heute von israelischen Historikern untersucht. Diese beginnende Revision des kollektiven Ursprungsmythos ist schmerzhaft und die Zukunft wird zeigen, inwieweit dieser Diskurs auch hierher ins Museum getragen wird.

Den gesamten Aritkel von Barbara Kempinski finden Sie in der Neujahrsausgabe (8/9) 2009 der INW.

Palmach Museum, Haim-Levanon-Str.10, Ramat-Aviv, Tel Aviv
Für einen Museumsbesuch ist eine Reservierung notwendig.

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Jüdische Künstler aus dem Jahre 1907

Das Tel Aviv Museum reflektiert die Berliner Ausstellung

Gibt es jüdische Kunst?

Diese Frage, die auch in der Gegenwart präsent ist, stellte sich vor allem seit der Emanzipation und der folgenden Assimilation der Juden. Unter dem Titel „Fragmented Mirror" – Zerbrochener Spiegel – hat die Kuratorin der Ausstellung, Batsheva Goldman Ida, die Aspekte und Stilrichtungen dieser Zeit eindrucksvoll präsentiert, wobei durch neu hinzugefügte Perspektiven die damalige Ausstellung eine andere Dimension erfährt. Auffallend die Diskrepanz zwischen den Künstlern des westlichen Teils Europas, die sich vor allem modern weltlichen Themen und dem neuen Lebensstil widmeten, wie zum Beispiel Camille Pissaro oder Lesser Ury und des östlichen Teils, die hauptsächlich jüdische Fragen und das Leiden der Bevölkerung in den Vordergrund stellten, wie esunter anderen Maurycy Minkowsk oder Moritz Gottlieb taten.

Die Einladung, an einer „jüdischen Kunstausstellung" teilzunehmen, empörte Josef Israels (1827–1911) und in einem Schreiben an das Veranstaltungskomitee verneinte der niederländische Maler ausdrücklich die Existenz einer jüdischen Kunst. Obzwar er sich viel mit jüdischen Motiven befasste, bestand er darauf, sie bei dieser Ausstellung nicht zu präsentieren. Ganz im Gegensatz zu Lesser Ury, der besonderen Wert darauf legte, seine biblischen Szenen zu zeigen. Wie die Ausstellung auch beweist, lässt sich kein einheitlicher jüdischer Stil feststellen, obzwar alle Teilnehmer jüdischer Herkunft, ist die Bearbeitung und Auflösung sehr unterschiedlich, mehr beeinflusst vom Ambiente als der Abstammung.

Oelbild

Die damaligen Ausstellungsorganisatoren waren vor allem bemüht den großen kulturellen Beitrag der Juden in Europa und vor allem in Deutschland zu demonstrieren. So ist es kein Zufall sondern beabsichtigt, dass große Künstler der Zeit wie Hermann Struck oder E. M. Lilien nicht vertreten sind, weil diese nach Ansicht der damaligen Kuratoren zu zionistisch waren, denn die Ausstellung sollte laut ihrer Interpretation auch die gelungene Integration der Juden ausdrücken. Dem widersprechen allerdings die auch in der Ausstellung gezeigten deutschen Zeitschriften – in Originalsprache –, die antisemitische Karikaturen und Pamphlete bereits in den 80- und 90er Jahren des 19. Jahrhunderts veröffentlichten. Wie die Geschichte beweist, spielte sich die gelungene Integration mehr in den Köpfen der Juden als in der deutschen Realität ab. Diesem Motto entsprechend wurde daher der Anteil rein jüdischer Themen wie Synagoge und Verfolgung bewusst niedrig gehalten.

Auffallend die Absenz des damals schon sehr berühmten Künstlers Max Liebermann. Die Kuratorin Bersheva Goldman Ida gibt im Katalog dafür mehrere Gründe an. Anlässlich des 60. Geburtstages von Max Liebermann (1847–1935) fand eine große Retrospektive in Berlin statt und dies wurde als offizieller Grund seiner Nichtteilnahme angegeben. Wahrscheinlicher ist es aber, dass Liebermanns Kunst den Veranstaltern zu progressiv erschien und man mehr ganz im Sinne der Assimilation dem konservativen Geschmack des Kaisers Rechnung tragen wollte. Wie sehr Assimilation wie auch immer eine Rolle spielt, beweisen die zum Abschluss der Ausstellung gezeigten Objekte von Bezalel, die deutlich orientalische Einflüsse aufweisen. In der Vielfalt der Stilrichtungen und in den Widersprüchlichkeiten zeigt sich die Ausstellung in Tel Aviv sehr universell, dass sie dennoch oder vielleicht gerade deshalb typisch jüdisch ist. Joanna Nittenberg

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Letzte Änderung: 04.10.2012
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