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Die Einsamkeit Israels

Es wird immer wieder versucht zu argumentieren, man könne Antisemitismus und Antizionismus trennen. Stefan Grigat gibt in seinem Buch „Die Einsamkeit Israels” klare Antwort.

Man kann und soll nicht, denn Israel und vor allem das Heimkehrrecht aller Juden ist das einzige Sicherheitsnetz der Juden. Das eine bedingt das andere, ohne sie keine Sicherheit für Juden. Denn wenn die Shoa auch präzedenzlos war, so heißt das nicht, dass sie singulär wäre. Insofern muss für Israel eine andere Normalität gelten.

Grigat liefert uns zur Untermauerung gleichsam eine Inventur der Bedrohungen, denen Israel ausgesetzt ist: Den militärischen ebenso wie den vielfältigen ideologischen, dem Judenhass in der islamischen Welt, den antisemitischen Anschuldigungen, die unter dem Feigenblatt des Antizionismus oder der Israelkritik vor allem im Westen von der Linken gepflegt wird, und letzten Endes den abwegigen Vorstellungen einer pervertierten Linken in Israel selbst.

Gerne gibt man sich der Illusion hin, dass der Antisemitismus jedenfalls in Europa, ein Monopol der nazistischen und nationalen unbelehrbaren Fanatiker ist. Mitnichten. Auch die Linke pflegt ihn. In den kommunistischen Staaten manifestierte er sich in voller Klarheit und Brutalität in der vorbehaltslosen Parteinahme für die Araber und der dauernden Diffamierung und physischen Verfolgung aller auch nur im Entferntesten des Zionismus-Delikts kosmopolitisch verdächtigen Bürger. In der westlichen Welt, wo Zurückhaltung geboten ist, hat er als Ersatz den Antizionismus gefunden. Es gab und gibt dazu einen „Extremismus“ der Mitte, die Grigat als die sogenannte Augstein Linke etikettiert. In ihrer Argumentation, wie sie sich vor allem im SPIEGEL niederschlägt, wird Israel als angebliche Gefahr für den Weltfrieden, der Gazastreifen als Lager bezeichnet, werden die Vernichtungsabsichten des iranischen Regimes verharmlost, sowie ultraorthodoxe israelische Juden mit dschihadistischen Mördern gleichgesetzt. Kaum wird in diesen Kreisen ein Wort über den Massenmord in Darfur verloren oder über die Drangsalierungen von Palästinensern und insbesondere Palästinenserinnen durch die Hamas formuliert. Warum wird Interesse für tote Araber nur dann artikuliert, wenn man glaubt jüdische Israelis dafür verantwortlich machen zu können.

Zu Recht verweist Grigat darauf, dass die zahlreichen antiisraelischen Attacken nicht in notorisch antijüdischen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit erscheinenden Medien figurieren, sondern sehr oft in politisch korrekten Mainstream Medien, wie mehrere Zitate aus dem STANDARD (Israel: Bananenrepublik, Aggressor, rücksichtslose Besatzungsmacht) und SPIEGEL belegen.

Es scheint recht einfach, zu fordern man möge sich den Regeln der westlichen Wertegemeinschaft unterwerfen, und sich dieser Forderung zu unterwerfen, so man das Glück hätte in der Schweiz oder in Österreich zu leben. Ein bisschen anders sieht es in einem Kulturkreis aus, wo Gegner nicht durch Argumente oder durch Abstimmungen überzeugen, sondern massakriert werden, wo Gewalt das einzige und normale Argumentationsmittel darstellt. Und als ob es damit und den Anfeindungen von Außen nicht genug wäre, gibt es auch noch einen autochthonen Antizionismus in Israel. Er sieht getreu der marxistisch leninistisch stalinistischen Doktrin im Zionismus einen Nationalismus, der per se schon böse ist und daher kompromisslos zu bekämpfen ist, während der Nationalismus der unterdrückten Völker grundsätzlich eine emanzipatorische Tat ist, die unterstützt werden muss. Daher sollte sich auch die israelische Linke arabisieren, was nicht gerade sehr erfolgreich war, da die arabische Linke radikal nationalistisch bis nationalsozialistisch war, und sich während des Krieges mehr am Mufti Husseini und den Achsenmächten orientierte, als an Karl Marx.

Geradezu Schwindel erregend sind dementsprechend die Kapriolen der israelischen Kommunisten. Das muss man lesen und sich ganz langsam auf der Zunge zergehen lassen: Arabische Pogrome gegen, wohlgemerkt: Juden! im damaligen Palästina im Jahre 1930 mussten laut Weisung aus der Moskauer Befehlszentrale empfunden werden als ein „berechtigter Aufstand gegen die britische Kolonialherrschaft“.

Ebenso weisungsgemäß musste bei Beginn des 2. Weltkriegs der Eintritt von Juden in die britischen Streitkräfte auf das Nachhaltigste boykottiert werden, da es sich um einen „imperialistischen Krieg“ handle, zu dem man nicht Stellung nehmen könne, der auch die Juden und vor allem die jüdische „Arbeiterklasse “nichts anginge. Nach dem Angriff Hitlers auf die Sowjetunion hingegen mussten die kurz vorher so mächtig Boykottierten zu „Waffenbrüdern der heldenhaften Roten Armee“ mutieren...

Lesen Sie mehr in der Printausgabe

Stephan Grigat: Die Einsamkeit Israels. Zionismus, die israelische Linke und die iranische Bedrohung, konkret texte 64, Hamburg 2014, 181 Seiten, 19,00 Euro.

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