So also sieht sie aus, die Wende. 2000 – eine Jahreszahl, entstanden durch kalendarische Zufälligkeiten, markiert tatsächlich eine Zäsur, zumindest in Österreich. 2000, das Jahr, in d das Undenkbare Realität wurde: Mit Hilfe der ÖVP – nein, eigentlich mit Hilfe von Wolfgang Schüssel – gelangte eine Partei in Machtpositionen, bei der nicht nur ausländischen Beobachtern die Abgrenzung zu Nazigedankengut bisweilen etwas schwer fällt. Eine Partei, deren Führer ganz ungeniert vor SSlern spricht und deren Gesinnung lobt; der Österreich als Missgeburt bezeichnet hat; der ganz ungezwungen auch der Nazi-Beschäftigungspolitik noch etwas abgewinnen kann.
Es ist diese "Wende", die Österreichs Ansehen europaweit nachhaltig geschädigt hat. Dass diese Art von Wende auch in Europa zu den Undenkbarkeiten zählte, zeigen die Reaktionen unserer EU-Partner: Die sogenannten "Sanktionen" (die natürlich keine waren – oder kennen Sie einen Österreicher, der irgendeine Auswirkung davon gespürt hat?) waren nichts mehr als eine Manifestation der Ratlosigkeit. Wenigstens der neuen Regierung wollte man es mitteilen: In kein anderen zivilisierten Land der westlichen Welt hätte eine derartige Partei in Regierungsverantwortung kommen können. SO haben das die allermeisten ÖVP-Wähler wohl auch wieder nicht gewollt.
Ratlosigkeit macht sich aber auch im eigenen Land breit. Man darf plötzlich sagen, dass der Bundespräsident ein "Lump" ist, und irgendein Salzburger Provinzpolitiker darf dann noch vor sich hin rülpsen, dass Lump sogar zu gut ist, denn Lumpi heiße ja sein, des Provinzpolitikers Hund. Und ein Bundeskanzler, der uns das alles eingebrockt hat, weil ihm angeblich das Wohl des Landes so wichtig ist, geht auf Tauchstation.
Also die Wende.
Immerhin durfte Österreich auf d aussenpolitische Parkett wieder von sich Reden machen: Eine UN-Resolution, die einseitig das Vorgehen Israels im aktuellen Konflikt verurteilt, fand die Zustimmung unseres Landes. Man hätte die Situation natürlich auch neutral beurteilen können, wie das niand geringerer als die Bundesrepublik Deutschland getan hat, die durch Stimmenthaltung signalisierte, dass an d Konflikt wahrscheinlich zwei Seiten beteiligt sind (immerhin fand der überflüssige Besuch des Tpelberges, der als Auslöser oder möglicherweise Vorwand für die Intifada dient, ja mit ausdrücklich Wissen und Billigung der palästinensischen Behörden statt).
Frostiger wurde im Wendejahr 2000 auch das innenpolitische Klima. Die Spitzelaffäre donstriert recht eindrucksvoll, dass es hier zumindest eine Partei gibt (oder zumindest gegeben hat), die möglicherweise versucht, unter Umgehung dokratischer Spielregeln Staatsbürger zu bespitzeln. Einen besonders schlechten Geschmack hinterläßt in dies Zusammenhang Justizminister Böhmdorfer. Wahrscheinlich gibt es in dies Land nicht viele Anwälte, die Medien und Journalisten öfter geklagt haben als seine Kanzlei. Auch so etwas kann offenbar als Qualifikation für einen Justizministerposten dienen. Alle Alarmglocken müssen klingeln, wenn dieser – nach eigenen Worten – enge Freund Jörg Haiders aus der eigenen Regierungspartei ganz offiziell aufgefordert wird, in die Untersuchungen über die Spitzelaffäre einzugreifen.
Zur Diskussion steht plötzlich aber nicht nur der Rechtsstaat – auch das Donstrationsrecht wird relativiert.
Die Donstrationen gefährden die Dokratie? Wie bitte? Das klingt doch sehr nach einer Umkehrung der Wahrheit, wie sie in Diktaturen unter Hitler oder Stalin üblich war. Nicht die Donstranten sind es, die Dokratie gefährden, sondern eine Regierung, die jede österreichische Konsenskultur bedenkenlos über Bord geworfen hat. Es ist üblich geworden, Gesetze durchzupeitschen, ohne vorher mit den betroffenen Gruppen den Konsens zu suchen. Im besseren Fall hörten sich die derzeit an der Macht befindlichen Politiker die Betroffenen an – getan wird aber dann, was Schwarzblau für gut befinden, und zwar ohne Rücksicht auf Verluste. Hier geht ein Kapitel österreichischer Geschichte zu Grunde, ganz im Sinn der "Dritten Republik", die Jörg Haider bereits vor Jahren propagierte. Das also ist die Dritte Republik: Politik ohne Rücksicht auf Betroffene. So betrachtet fällt die Bilanz für das Jahr 2000 eindeutig negativ aus – wären da nicht bereits erste Lichtpunkte auf ein bräunlich gefärbten Horizont zu erkennen. Den Auftakt machten die Wahlen zur Arbeiterkammer: Schallende Ohrfeigen für Schwarzblau.
Den vorläufigen Schlußpunkt setzten die Burgenländer. Schallende Ohrfeige für Schwarzblau.
Der Unmut der Bevölkerung gegen eine überhebliche und rücksichtslose Administration ist unüberhörbar – er übertönt sogar die Dissonanzen eines Bankenskandals vom Zuschnitt einer Bank Burgenland.
Bleibt nur die Frage, ob es der Opposition gelingt, sich zu neuen Standpunkten durchzuringen. Regionale Erfolge sollten nämlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ziele, Organisation und personelle Ausstattung der großen Oppositionspartei noch immer ein beachtliches Verbesserungspotential aufweisen. Momentan profitieren die Oppositionsparteien nur von der Unzufriedenheit zahlreicher Österreicherinnen und Österreicher mit den "herrschenden" Zuständen.
Für die notwendige nächste Wende wird das zu wenig sein.
Franz C. Bauer
Am Abend nach Jom Kippur, am 9. Oktober, begann für viele Israelis ein neuer Krieg. Schon seit einigen Wochen tobte die Al Aksa Intifada, der Aufstand der Palästinenser. Die Entführung dreier israelischer Soldaten in Libanon durch die Hisbollah löste einen Massenbewegung aus, die eine Mischung aus Ventil für Frustration und Nationalsport ist. In den beliebtesten israelischen Portalen wie Walla (www.walla.co.il) und Nana (www.nana.co.il) haben die Surfer eigene Foren eingerichtet, wo Tipps über Angriffe auf die Site der Hisbollah ausgetauscht werden. Etwa durch einen Klick auf eine beistimmte Adresse Massen-e-mails abzusenden. Die Hisbollah betreibt insgesamt sieben Websites, änderte in den letzten Wochen mehrmals die Adressen und rief die gesamte arabische Welt zum Gegenangriff auf israelische Regierungssites auf. In der letzten Oktoberwoche erreichten die gegenseitigen Angriffe den vorläufigen Höhepunkt. Der Webmaster der Hisbollah Ali Ayoub berichtete über zwei bis drei Millionen Zugriffe auf die Hauptsite der Hisbollah. Eine israelische Site mit d Namen www.hezbul lah.org hatte kurzfristig die Besetzung der offiziellen Hisbollah-Site verkündet. Diese Besetzung der Hisbollah-Site war eine von insgesamt vier dokumentierten erfolgreichen Angriffen israelischer Hacker. Von der arabischen Seite kamen vor all aus Pakistan und England neue Angriffe. Eine Gruppe von Hackern, die sich sonst im Kaschmirkonflikt betätigt, sah ihre Stunde gekommen, islamische Solidarität zu zeigen. Der bekannteste israelische Hacker der letzten Jahre, "Analyser" Ehud Tennenbaum,hat aus d Krieg im Cyberspace längst die geschäftlich renditeträchtigen Schlüsse gezogen. Mit ein kleinen Team entwickelt der Hackerstar, der den Pentagoncomputer virtuell betrat, in Haft genommen wurde und sich anschliessend einen Manager nahm, ein Programm namens Pflaster. Dieser virtuelle Wundverband soll es erlauben weltweit Hackerangriffe aufzuspüren.
Samuel Laster
Der ehemalige israelische Ministerpräsident Shimon Peres hatte eine Vision: Er sah Israelis und Palästinenser in kleinen virtuellen Geinschaften Internetprojekte zusammen verwirklichen, anstatt sich auf der Strasse mit Steinen und Gummigeschoßen zu begegnen. Die Wirklichkeit des Jahres 2000 sieht indes ganz anders aus.Israelische Fahnen und die Hymne Atiqua, die von der ewigen Sehnsucht der Rückkehr des jüdischen Volkes ins Gelobte Land kündet, ärgerten fast einen ganzen Tag lang die islamischen Extristen.Yasser, ein Araber mit israelischer Staatsbürgerschaft, hat als Aktivist der Bewegung "Ärzte für Menschenrechte" in den letzten Wochen einige heftige Onlinediskussionen geführt, die mit Schimpfworten begannen und mit tiefer Verständnis endeten, wie er betont: "Wenn ich wählen könnte zwischen Surfen und Schiessen, dann bin ich für Ersteres."
(Von der Redaktion gekürzt)
Die 1887 gegründete Clark University in Worcester, Massachusetts ist seit lang für unverwechselbares Engagent, visionäre Initiativen und bahnbrechende wissenschaftliche Leistungen bekannt. Heute hat die Clark University mit der Gründung des "Center für Holocaust Studies" wieder einmal wissenschaftliche, sozialpädagogische und allgein gesellschaftliche Pionier- und Aufklärungsarbeit geleistet.
Nach Deborah Dwork, der vom Child Study Center der Yale University kommenden, international bekannten Sozialhistorikerin und Direktorin des Instituts, waren die entscheidenden Promotoren des Projekts Sidney und Ralph Rose und Richard P. Traina, der frühere Präsident der Universität. Der Rose-Lehrstuhl in "Holocaust Studies and Modern Jewish History and Culture", den Professor Dwork innehat, wurde von dieser aus Polen stammenden Familie gestiftet, die viele Angehörige durch den Holocaust verlor. Präsident Traina, der Bergen-Belsen besuchte, um ein realistischeres Verständnis dieser Zeit zu bekommen, war einer der wichtigsten Förderer des Zentrums seit den ersten Tagen. Ein anderer Hauptdonator ist die Strassler Familie, die den "Strassler Family Chair for the Study of Holocaust History" schenkte.
Dieses Zentrum ist das erste und einzige seiner Art in der Welt, das ein Doktoratstudium der Geschichte des Holocaust und ein interdisziplinäres Undergraduate Studium im besonderen dieses Völkermords und anderer Genozide anbietet.
Obwohl das Studienzentrum erst seit drei Jahren besteht, hat es bereits großes Interesse und eine breite Aufmerksamkeit auf sich gezogen und viele bekannte Forscher und religiöse Autoritäten aus den USA, Europa und Israel als Gäste beherbergt.
"Der Holocaust wird nicht vergessen werden können, solange es noch Tausende von Überlebenden gibt. Machen wir aber nicht eine besondere und aussergewöhnliche Anstrengung, wird der Holocaust nach und nach aus d menschlichen Bewußtsein verschwinden und ein mehr oder weniger vergessenes historisches Ereignis werden. Aufgabe und Mission dieses Zentrums ist es deshalb, zu verhindern, dass solches geschieht."
(Den vollständigen Artikel von Franz Schwediauer finden Sie in der aktuellen Ausgabe der INW 12-1/2000-2001)
Center for Holocaust Studies Clark University,
950 Main Strett Worcester,
MA01610-1477
Telefon: 508 793 8897
www.clarku.edu/departments/holocaust
Der Widerspruch zwischen Haß und Liebe zur ehaligen Heimat, zwischen Gefühl der Zugehörigkeit und der Ausgrenzung und zwischen Verständnis und Fassungslosigkeit angesichts einer erneuten rechtsextren Führung könnte kaum deutlicher ausgedrückt sein als im Titel von Hella Picks neu Buch Das schuldige Opfer. Hella Pick, in Wien geborene und heute in London lebend, hat in ihr Leben erschienenen Buch dargelegt, was viele österreichische igranten nach mehr als fünfzig Jahren Abwesenheit zu ihrer Heimat fühlen: Sehnsucht nach Österreich, nach einer glücklichen Vergangenheit, nach d Land der Musik, der deutschen Literatur, stets jedoch überklammert von einer Abscheu gegen die österreichische Nazivergangenheit. Und oft, allzu oft hat die Politik der Gegenwart es diesen igranten nicht leichter gacht: Da erinnert sich Pick an Kurt Waldheim und an die Zeit, als das Ausland Jörg Haider, den mehr als ein Drittel der Bevölkerung des modernen Österreichs gewählt hat, verschmähte. "Wie eingefleischt ist der Antisitismus in Österreich?" fragt sich die Autorin und berkt gleichzeitig, dass sie eine generelle Verurteilung des Landes stets zurückgewiesen habe und dass sie für das Zurückfinden in die Heimat "manchmal allerdings in Anführungszeichen gedruckt" dankbar ist.
Endlich bezieht sich die Autorin auch auf Österreichs Intelligenzia, denn auch sie, nicht nur das Ausland, verlangte eine tiefgründige Aufarbeitung ihrer Geschichte und sahen ihr Land schon längst nicht mehr als das neutrale, dokratische Wirtschaftswunder, als das es sich verstanden und gepriesen sehen wollte, sahen vielmehr, wie es Robert Schindel ausdrückte, die Gefahr und die Bedrohung, "welche aus dokratiegeschichtlicher Rückständigkeit und d Wohlstand entsteht".(gekürzt)
Eva Burke
Die Konzeption des Buches gliedert sich in drei Schwerpunkte, wobei das Kapitel Kreisky, den Mann, den Pick aus ihrer journalistischen Tätigkeit besonders gut kennt, den Hauptteil einnimmt.
Es folgen die Kapitel um Waldheim und um eine allmähliche Ernüchterung in Österreich. Im Zuge einer Katharsis suchte das Land nach Klarheit, nach ein offenen Umgang mit seiner Geschichte und mit seinen tiefsitzenden Schuldgefühlen. Unterdessen wandten sich im Ausland die ehaligen igranten abermals ihr Österreich zu, ihrer Sprache und ihrer Musik. Diesmal stand ein rumänischer Jude der Staatsoper vor (Ioan Holender) und der Auftritt von Karel Berman, eines überlebenden Musikers aus Theresienstadt, "rührte das Haus zu stillen Tränen".
Faszinierend, wie journalistische Recherche und kompromisslos Politik, wie die Affäre um die fragwürdige Herkunft der Schiele Bilder - aber nicht unbedingt der von Pick verachtete Bronfmann des World Jewish Congress - Österreich zur Öffnung der Archive führte und zu Gesetzänderungen, welche die Rückerstattung der geraubten Kunst bewirkten.
Guilty Victim (I.B. Tauris, 2000) ist ein interessantes Buch und Pick hatte unzählige Quellen gesichtet und in viele Archive getaucht. Schade, dass sie als Journalistin nicht trockene Zusammenhänge etwas spannender zu erzählen vermag, schade auch, dass sie nicht vermehrt auf ihr persönliches Schicksal eingeht.
INW: Wie ist dieses Europäische Zentrum für jiddische Kultur entstanden?
Olivier: Mme. Catherine Trautmann, die ehalige Kulturministerin Frankreichs und jetzige Oberbürgermeisterin der Stadt Straßburg, hat aufgrund des Beschlusses des Stadtrates die Entscheidung getroffen, das Europäische Zentrum für Jiddische Kultur in Straßburg zu gründen. Dieses Projekt ist sehr umfangreich, wir werden in drei Jahren in ein sehr schönes Renaissancegebäude im historischen Zentrum von Straßburg ziehen. Bis dahin müssen viele finanzielle, organisatorische und technische Fragen beantwortet werden. Die Eröffnung dieses Hauses ist für den 9. Novber 2003 vorgesehen.
INW: Man hat den Eindruck, dass es nach langer Zeit der Stille in Europa und Israel den starken Wunsch gibt, die jiddische Kultur und Sprache zu leben beziehungsweise wiederzubeleben?
Olivier:Ja und vor all auf allerhöchster politischer Ebene wird dieses Bestreben jetzt endlich unterstützt. Die Europäische Union hat Förder- und Forschungsprogramme für ethnische Minderheiten ins Leben gerufen. Der Staat Israel hat im Jahr 1999 – spät aber doch – die Nationale Behörde für die Jiddische Kultur gegründet. Gerade dort wurde ja von offizieller Seite das Jiddische gegenüber d Hebräischen jahrzehntelang benachteiligt.
INW: Isaac Bashevis Singer hat 1978 anläßlich der Verleihung des Nobelpreises für Literatur an ihn in seiner Rede betont, dass es fünf Millionen Menschen auf der Welt gibt, die Träger der jiddischen Sprache sind. Wie sieht Ihrer Meinung nach die heutige Situation aus?
Olivier: Was wir machen ist nur eine kleine Wiedergutmachung dessen, was den europäischen Juden angetan worden ist. Wir sind nicht naiv. Aufgrund des dographischen Faktors werden immer weniger Menschen Jiddisch sprechen, das ist klar. Unsere Aufgabe wird es daher sein, jegliche Ausdrucksformen der jüdischen Seele, in welcher künstlerischen Form auch immer sie auftritt, wahrzunehmen und zu präsentieren. Der Hauptakzent wird dabei sicherlich auf der Ebene der Musik liegen.
INW: Wie sehen die weiteren Schwerpunkte der Arbeit des Europäischen Zentrums für Jiddische Kultur in der nächsten Zukunft aus?
Olivier: Wir planen die Einrichtung von Jiddisch-Kursen, die für alle zugänglich sein sollen, den Aufbau einer umfangreichen Mediathek und die Durchführung von Ausstellungen. Auf wissenschaftlich Gebiet wird es hauptsächlich um die Erforschung von geschichtlichen und sprachwissenschaftlichen Aspekten des Jiddischen gehen. Zum Beispiel wird auf das elsässische Judentum ein besonderer Augenmerk gelegt werden. Auf künstlerisch Gebiet planen wir die langfristige Zusammenarbeit mit in- und ausländischen Gruppen, die sich mit Musik, Poesie, Theater und Kabarett befassen.
Der Weltklasse-Geiger Isaak Stern, geboren 1920 in der Ukraine und als Kleinkind mit den Eltern in die USA gekommen, wird 80 Jahre! Der weltberühmte Geiger war zu keiner Zeit nur eine Musik-Maschine und nials setzte er seine Person unter einen Heiligenschein, auch seine Erfolgebetrachtete er nüchtern und realistisch. Auch in einer eben erschienen Autobiografie hat er keine Scheu vor d Menschlichen, Allzumenschlichen und erzählt auch von den Schwierigkeiten des Zusammenlebens mit ihm als engagierten und arbeitsbegierigen Künstler und eben auch von der anstrengenden Eintönigkeit auf d Weg zum Star.
Konsequent lehnte es Stern ab, in Österreich und Deutschland (bis auf eine Ausnahme) aufzutreten; erst ab 1999 hat er in Köln Meisterkurse gegeben. Zu tief hatte ihn das Schicksal der jüdischen Bevölkerung in der Ukraine geprägt. Sowohl seine Mutter als auch sein Vater hatten Verwandte in Kriminiecz. Die Familien der Verwandten, so drang das Gerücht zu Ende des Krieges zu Stern, haben sich in einer großen Gruppe von Juden befunden, die in einer Scheune zusammengetrieben und bei lebendig Leib verbrannt worden sind. Daher kam auch sein Unvermögen, in Deutschland oder Österreich je aufzutreten.
Stern war zu jeder Zeit nicht nur ein umjubelter Künstler, sondern mit zunehmend Lebensalter auch ein politischer Botschafter und engagierter Kämpfer für die klassische Kultur als human Fundament unserer Welt: "Unverwechselbarkeit und Einfachheit, dies ist es, wonach man das ganze Leben lang auf der Suche ist. Das Schwierigste, womit sich ein Künstler auseinandersetzen muß, ist zu wissen, wie kompliziert, wie beziehungsreich, wie verzwickt ein Werk ist - und was er tun muß, damit alles einfach und zwangsläufig klingt."
Beate Hennenberg
Die Autobiographie des Meistergeigers ist erschienen
verfasst mit Chaim Potok, Gustav Lübbe Verlag, 2000.
Zahlreiche Künstler wie Itzhak Perlman, Pinchas Zukerman, Midori und Yo-Yo Ma verdanken Stern ihre Entdeckung oder nachhaltige Förderung. Keiner seiner Verwandten hat den Krieg überlebt.Seine Söhne, die ebenfalls Musiker wurden, sollten dieses Ressentiment, so bat sich Stern aus, nicht annehmen. Sie als neue Generation sollten Brücken schlagen, dort, wo es Stern ideell nicht übers Herz brachte Über eine typische Begegnung in Wien schreibt er: "Kaum hatte ich diese Uniformen der Zollbeamten gesehen, spürte ich, wie sich mir die Nackenhaare sträubten. [...] Ich erinnere mich noch, wie eine Schwester von Hy Goldschmidt, ein meiner besten Freunde, mir etwas erzählte, das auf meinen ganzen Österreichbesuch abgefärbt hat. Wie sie berichtete, hatte ein paar Tage zuvor ein Fußballspiel zwischen einer österreichischen Mannschaft und einer Mannschaft jüdischer Flüchtlinge aus d Durchgangslager stattgefunden. Als die Flüchtlinge eine Zeitlang deutlich in Führung lagen, hörten sie auf einmal aus den Reihen der Zuschauer den Ruf: Zurück in die Gaskammer! […] Für mich war die Geschichte die erste frösteln machende Mahnung, wie tief der Antisitismus hier noch allen in den Knochen steckte."
(von der Redaktion gekürzt)
Letzte Änderung: 03.01.2012
Webmeisterin+Redaktion: Mag. Ditta Rudle
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