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Aus dem Inhalt der Ausgabe Nr. 8, 9 – 2001

Ausserdem finden Sie in der reichhaltigen Festausgabe:

Das Titelbild dieser Ausgabe stammte von Ilana Lilienthal. Sie nennt die Collage aus Sand, Zweigen und Kristallen auf Plexiglas "A Dream". Lilienthal hat für ihre Technik, eine Mischung aus Skulptur und Malerei, die Bezeichnung Scupaintings gewählt. Die Werke der in Israel geborenen Künstlerin sind in namhaften Galerien New Yorks vertreten, Ausstellungen waren im Metropolitan Museum, aber auch im Deutschen Museum München zu sehen. © Sammlung Depadrillo, Providence Capital Group, USA


Kommentar

Israel und der Terror

Ein Jahr nach dem Ausbruch der palästinensischen Gewaltwelle gegenüber Israel scheint es notwendig, sich erneut mit grundsätzlichen Fragen, den israelisch-palästinensischen Konflikt betreffend, auseinanderzusetzen.

Die Medien, die sich ausführlich mit den Ereignissen im Nahen Osten beschäftigen, verwenden in der Regel den Terminus "Spirale der Gewalt, um die Vorgänge zu beschreiben. Diese Bezeichnung ist jedoch irreführend, da die Gewalt nicht von beiden Seiten ausgeht. Vielmehr wurde die Gewalt ausschliesslich von der palästinensischen Seite initiiert und die israelische Seite war gezwungen, sich dagegen zu verteidigen.

Das Paradox, vielleicht auch die große Tragödie, besteht darin, dass sich die Palästinenser genau zu jenem Zeitpunkt für die Gewalt entschieden, als beide Seite sehr nahe an einem Durchbruch und einem historischen Kompromiss waren, der zum Ende des langjährigen Konflikts führen sollte.

Beim Gipfeltreffen in Camp David, das im Juli 2000 begann, nahm die israelische Delegation bisher nie dagewesene Positionen ein – diese inkludierten bekanntlich die Bereitschaft zum Rückzug von beinahe der gesamten Westbank und dem Gazastreifen und einen territorialen Kompromiss in Jerusalem. Jeder, der die strategische Situation Israels und die Bedeutung, die diese Gebiete für viele Israelis haben, kennt, kann einschätzen, welch hohen Preis Israel für den Frieden zu zahlen bereit war. Im Sommer 2000 kam die israelische Regierung zu der Überzeugung, dass sie sich vor einer historischen Chance, zu einem Kompromiss zu gelangen, befand und dass diese Gelegenheit sie dazu verpflichtet, schicksalhafte Entscheidungen zu treffen. Der Regierung war auch bewusst, dass der Wille, die Chance auf eine Friedenslösung nicht zu versäumen, die Bereitschaft zu weitreichendem und schmerzhaftem Verzicht bedeutete und zusätzlich zahlreiche strategische Gefahren barg.

Der israelischen Delegation saß der palästinensische Führer gegenüber, der sich weigerte, jene schicksalhaften und schweren Entscheidungen auf sich zu nehmen, wie dies von der israelischen Seite geschehen war. So wie in den letzten 40 Jahren blieb Arafat weiter an seinem alten Dogma hängen: "Alles oder nichts". Die Tragödie für die Palästinenser besteht darin, dass Arafat nicht den Mut aufbrachte, der von einem politischen Führer gefordert wird – nämlich den Mut, seinen Landsleuten zu sagen, dass auch er auf einen Teil seiner Forderungen verzichten muss, um den Konflikt zu beenden und eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Dadurch verbaute Arafat seinen Landsleuten ein weiteres Mal eine historische Gelegenheit, durch einen vernünftigen Kompromiss mit Israel das langjährige Leiden zu beenden.

Seit einem Jahr ist Israel einer ungebremsten Kette von palästinensischen Terrorangriffen ausgesetzt – Terror, der gegen die zivile Bevölkerung in Israel erichtet ist, auf den Straße, in Geschäften, in Restaurants und Kaffeehäusern in den Zentren der großen Städte. Israel steht in den letzten Monaten Attentaten von"Selbstmördern" gegenüber, die von den radikal-islamischen Gruppen losgeschickt werden – und das in voller Kooperation mit der palästinensischen Behörde.

Der palästinensische Terror stellt Israel vor eine bisher einzigartige Herausforderung (eine Herausforderung, der wohl noch kein anderer Staat gegenüber stand): Einerseits will Israel keinesfalls die zivile palästinensische Bevölkerung treffen. Auf der anderen Seite aber ist es die Aufgabe der israelischen Regierung und Armee, den Terror zu bekämpfen – sowohl jene, die Anschläge planen, als auch jene, die sie ausführen. Um es ganz klar zu sagen: die Herausforderung und die dringende – und entscheidende – Notwendigkeit ist es, den nächsten Selbstmordattentäter, der unterwegs ist, um sich in einem Tel Aviver Kaffeehaus oder einem Jerusalemer Restaurant in die Luft zu sprengen, zu stoppen.

Bei seinem Versuch, den Terror zu bekämpfen – und es ist wichtig, in diesem Zusammenhang zu betonen: den Terror, nicht das palästinensische Volk – musste der Staat Israel scharfe Kritik hinnehmen, vor allem von Seiten Europas. Diese Kritik ist nicht gerechtfertigt und ihr fehlt jede Grundlage.

Wenn wir uns beispielsweise jene Kritik ansehen, die an Israel geübt wurde wegen der von einigen Medien so genannten"gezielten Tötungen" – also das präventive Vorgehen gegen Terroristen, die Bomben bauen und sie in Israel zur Explosion bringen wollen: Jene Aktivitäten, die gezielt gegen Terroristen geführt werden, finden nur statt, wenn es klare und überprüfte Informationen gibt, dass, sollten diese ihre "Guerilla-Aktivitäten" fortsetzen, dies in Zukunft für Israel weitere Dutzende ermordeter Jugendlicher in einer Tel Aviver-Diskothek bedeuten würde. Diese Aktivität von Seiten Israels ist klar und deutlich eine Politik der Selbstverteidigung, um die "tickenden Bomben" auf ihrem Weg zum nächsten mörderischen Anschlag zu stoppen.

Israel wurde auch vorgeworfen, den Palästinensern durch die Absperrung von Westbank und Gazastreifen sowie durch das Einreiseverbot für Arbeitskräfte wirtschaftlichen Schaden zuzufügen und deren Menschenrechte zu verletzen. Dieser Vorwurf ist heuchlerisch und nicht gerechtfertigt. Der einzige Grund für das Einreiseverbot für palästinensische Arbeitskräfte ist die Notwendigkeit, das Eindringen von Terroristen nach Israel zu verhindern. Die Lösung für das Problem ist also sehr einfach: Sobald der Terror ein Ende hat, braucht Israel nicht mehr zu solchen Mitteln greifen und beide Völker können in Frieden und Ruhe nebeneinander leben – nach Einigung auf eine politische Lösung des Konflikts.

Die mediale Berichterstattung über den palästinensischen Terror und Israels Reaktion darauf ist in einem hohen Maß unausgewogen, und neigt dazu, Israel viel stärker zu kritisieren als die palästinensische Seite.

Zahlreiche Journalisten erklären dieses Phänomen damit, dass die palästinensische Seite die schwächere ist und daher automatisch, beinahe instinktiv, mehr Unterstützung durch die Medien erhält. Dies ist eine sehr problematische Festlegung. Zwar sind die Palästinenser die Schwächeren, doch diese Tatsache macht sie nicht automatisch zu jenen, die Recht haben. Die Tatsache, dass Israel stärker ist als die Palästinenser, führt oftmals dazu, dass der palästinensisch-israelische Konflikt in stereotyper Weise und mit Schlagwörtern, die die Realität verfälschen, dargestellt wird. Das Bild vom "israelischen Panzer" gegenüber dem "palästinensischen Kind" ist eine oberflächliche mediale Darstellung, die die Komplexität und umfassende Problematik dieses langjährigen Konflikts ignoriert. Es ist eine Metapher, die sich sehr leicht als "gutes Bild" in einem 40sekündigen TV-Bericht eignet, aber von einer ernsthaften und vertiefenden Auseinandersetzung weit entfernt ist.

Die Fernsehberichte beziehen sich in der Regel auch nur auf die Aussagen von führenden Palästinensern, wie sie in Europa getätigt werden – die Reden in den Moscheen und die antisemitische Hetze in den Schulen und an den Universitäten von Ramallah und Nablus werden dagegen praktisch völlig ausgeblendet.

Die Frage, die wir uns alle gegenwärtig stellen, lautet: Was wird weiter passieren? Kann der palästinensisch-israelische Konflikt beendet werden und wenn ja, wie?

Israels Standpunkt ist klar: Sofort nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten sagte Scharon, dass Israel einen hohen Preis für den Frieden bezahlen werde müssen.  Doch Israel erwartet, bei Verhandlungen einen Partner zu finden, der ebenfalls bereit ist, auf einen Teil seiner Forderungen zu verzichten – auf einen Teil, nicht auf alle. Jeder, der Verhandlungen führt, und glaubt, er könne dabei 100 Prozent seiner Forderungen durchsetzen, ist schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilt.

Israel hat, als einzige Demokratie im Nahen Osten, keinerlei Interesse, über das palästinensische Volk zu herrschen. Eine große Mehrheit der Israelis ist daher bereit, den hohen Preis für den Frieden zu bezahlen. Dies ist auch keine leere politische Phrase, denn Israel hat bereits in der Vergangenheit seine diesbezügliche Bereitschaft unter Beweis gestellt.

Israel erwartet jedoch im Gegenzug für diesen Preis, dass die Palästinenser ihrerseits das Minimum, das von ihnen gefordert wird, umsetzen, und aufhören, im Krieg und im Terror gegen Unschuldige Mittel zur Verwirklichung ihrer politischen Ziele zu sehen. Als der ägyptische Präsident Sadat zu seinem ersten historischen Besuch nach Israel kam, waren seine ersten Worte in der Knesset "No more war" – und damit gewann er das Vertrauen der Israelis.

Diese Worte haben wir vom Munde Arafats nicht gehört, auch nicht Jahre nachdem er die Osloer Abkommen unterzeichnet hatte.

Ilan Ben-Dov, Gesandter-Botschaftsrat, Botschaft des Staates Israel, Wien

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Virtueller Terror

Ein Israeli kündigte in einem Internetforum einen bevorstehenden Anschlag an. Kurz darauf kam es zur Explosion in der Pizzeria Sbarro.

Der aus Jaffa stammende Jugendliche hatte kurz vor dem verheerenden Anschlag bei der Pizzeria Sbarro in Jerusalem eine entsprechende Tat angekündigt, danach in Chatrooms das Morden als gerechtfertigt bezeichnet.

Die Polizei ermittelte zusammen mit den Portalen Tapuz (www.tapuz.co.il; www.nana.co.il) und IOL (www.iol.co.il) den jugendlichen Täter, der einem TV-Team von Channel2 Israel gegenüber die Taten als "Scherz" bezeichnete. Anhand der persönlichen "Adresse" im Internet (IP-Adresse) konnte die Polizei den Chatterroristen ausfindig machen, der sofort gestand.

Der Richter verwarf die Erklärung, es wäre ein Scherz gewesen, folgte der Anklage, die "Verbreitung von Furcht und Verwirrung in der Bevölkerung" ausmachte und verlängerte die Haft vorerst um 24 Stunden.

"Internet ist kein Massenmedium", argumentierte der Anwalt des Jugendlichen. Der Internetredakteur des israelischen Radios Eli Hacohen hingegen stellt einen Trend fest: "Mütter sehen ihre Kinder lieber vor dem PC als im Einkaufszentrum angesichts der Sicherheitslage." Internet scheint in Israel in der Tat ein schnelles Massenmedium mit einigen Unwägbarkeiten zu sein.

Samuel Laster

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UN-Weltkonferenz gegen den Rassismus in Südafrika

Durban liegt in Nürnberg

Um nach Südafrika zu gelangen benutzt man normalerweise ein Flugzeug. Doch kann man sich dem Eindruck nicht erwehren, die gesamte dritte Welt sei nach Durban in einer Zeitmaschine gereist, und zwar bei Vollgas im Rückwärtsgang. Innerhalb eines Jahres von Intifada findet man sich als Israeli zurück in die 70er Jahre versetzt. Wie damals soll Zionismus wieder Rassismus sein, wie damals steht Israel fast allein. Wieder ist der Terror ein palästinensisches Exportgut und wieder sind die Juden an allem schuld, sogar daran, dass man sie umbringt. Seit fast einem Jahr nun dreht sich das Rad des Friedensprozesses im Nahen Osten in einem Teufelskreis sinnloser Gewalt zurück. Die arabischen Bemühungen in Durban nun lassen die Region in schwindelerregender Geschwindigkeit in die Zeit vor der Madridkonferenz taumeln. Man findet sich erneut in einer Zeit bar jeglichen Vertrauens und guten Willens. Was eigentlich als lobenswerter erster Schritt einer weltweiten Verdammung des Rassismus begann, verendet nun als tragische Persiflage der Nächstenliebe in einer Hassparade gegen uns Israelis, nein, gegen uns Juden überhaupt.

Auf dem ersten Schauwagen dieses Karnevals der Gerechtigkeit winkt gutmütig die Anschuldigung des israelischen Genozids an den Palästinensern. Auch wenn die Mehrheit der 3.000 Delegierten aus über 150 Nationen dafür stimmten, haben sich respektable Organisationen wie Amnesty international oder Human rights Watch sofort von dieser Deklaration distanziert. Schwieriger ist da schon die Äußerung des Büttenredners Kofi Annan von der Loge des Präsidiums, das die Leiden des Holocaust niemals als Rechtfertigung für israelische Aktionen gegen die Palästinenser gelten dürften. Überraschung Herr Annan: Das haben wir niemals behauptet! Wir bedürfen nicht des Arguments des Holocausts. Der Blutzoll, der täglich von unbewaffneten israelischen Zivilisten bezahlt wird, ist uns Legitimation genug, aktiv den Terror vorzubeugen. Es stimmt, Israel benutzt viel Gewalt gegen die Palästinenser. Doch ich erschieße jemand, da er ein Gewehr in der Hand trägt. Das nennt man Verteidigung. Palästinensischer Terror tötet ohne zu differenzieren Männer, Kinder und Frauen in Restaurants und Diskotheken, nur weil sie Juden in Israel sind. DAS ist Rassismus. Die Palästinenser leiden unter unserer Besatzung, da ihre Führung keinen Frieden will. Das nennt man schlechte Politik. Die Israelis leiden unter den Palästinensern, weil sie Juden sind. Das ist Hass.

Hass fehlte wahrlich nicht auf dieser Konferenz, allerdings nicht als Gesprächsthema, sondern als Leitmotiv. Die dritte Welt wurde nicht passiv hinter Phantasmen der arabischen Liga hergezogen, sie wirkte aktiv daran mit. Man muss nicht lange am Pappmaschee der Toleranzmaske kratzen, um darunter an das wahre Gesicht des Antisemitismus zu gelangen. Während man Israel für vermeintliche ethnische Säuberungen anprangerte, wurden aktiv aus dem Protokoll Passagen gestrichen, welche Brandsätze auf Synagogen oder  bewaffnete Übergriffe auf Juden verdammten. Da hätte sich Arafat ja selber ins Bein geschossen. Aber nein, kein Wort über Terror gegen Zivilisten in Israel. Dies Verhalten der Araber ist der letzte Nagel im Sarg des Friedensprozesses.

Was bleibt mir als Israeli und Jude jetzt noch übrig? Soll ich beschämt mein Haupt senken, da die Welt mich rügte? Die Vorwürfe wie Apartheid, Genozid, Kriegsverbrechen, Rassismus, ethnische Säuberungen hören sich gravierend an, doch die kleinste Prüfung enttarnt ihre wahre Natur: Diese Anschuldigungen gegen mein Land sind viel zu lächerlich, viel zu offensichtlich falsch. Sie sind es nicht wert, langatmig widerlegt zu werden. So ist dies tatsächlich ein Klimbim und Traram, eine Posse der Moralität à la Camus. Kläger ist ein Demokrat wie Arafat, der sich als gewählter Präsident über 7 Geheimdienste feiern lassen kann und mit Philantropen wie Saddam Hussein gepaart ist. Richter ist Saudi Arabien samt hunderttausender unterdrückter Frauen  nebst Indonesien mit seinen echten Genoziden. Alle spielen das Spiel, in dem sie über mich zu Gericht sitzen. Wenn dies meine Richter sind, dann bin ich nur stolz, schuldig zu sein. Schuldig, als Jude in meinem Land frei und ohne Gefahr leben zu wollen. Schuldig, mein Leben selber zu verteidigen. Wohlgemut hebe ich nun mein Antlitz, denn ich habe alles für den Frieden getan. Jetzt gehe ich meinen Weg, ohne auf so eine Welt hören zu müssen. Wer etwas von der Physik versteht, der weiß auch, dass eine Zeitreise wie die nach Durban das Kontinuum des Raumes biegt. Und so würde es mich nicht wundern, finde sich Durban nicht mehr in Afrika, sondern enttarne sich als ein Vorort von Nürnberg. Der Nahe Osten ist auf dem falschen Dampfer, und Arafat wird mit ihm untergehe

Gil Yaron

Negativer Quantensprung

Ein Sprecher von Amnesty International distanzierte sich in einem Interview des israelischen Radios Reshet Beth von der Politisierung der Konferenz der UNO gegen Rassismus in Durban.

Islamische Organisationen und einige PLO-nahe Gruppen haben vor allem die Straße für sich genutzt. "Wir empfanden die Situation als bedrohlich und hatten sogar vereinbart, nicht Hebräisch miteinander zu sprechen", sagte ein Korrespondent der israelischen Zeitung Yedioth Aharonot. Das Zentrum der jüdischen Gemeinde in Durban war in Belagerungszustand. Aus Sicherheitsgründen konnte die israelische Delegation ihr Zentrum nicht, wie geplant, bei der jüdischen Gemeinde einrichten, wie .

In Südafrika lebt etwa eine Million Moslems, unter ihnen 300.000 bis 400.000 Palästinenser. Einer der negativen Höhepunkte der Konferenztage war ein inszeniertes Begräbnis, bei dem eine in rotgefärbte Lappen gehüllte Puppe durch die Straßen Durbans getragen wurde, um auf die palästinensischen Opfer der Al Aksa Intifada hinzuweisen. Einer der "Sargträger" war ein eigens aus New York angereister ultraorthodoxer Vertreter der Naturei Karta. Ein Händedruck zwischen dem ultraorthodoxen prononziert antizionistischen Juden und einem Palästinenser wurde im Off-Kommentar eines zu Recht hier nicht genannten deutschen TV- Senders als Zeichen der Versöhnung gewertet.

Der Vorsitzende des Wiesenthal Centers Los Angeles, Rabbi Marvin Hier, verglich die Stimmung in Südafrika mit faschistischen Keimen der 30er Jahre.

Der Beschluss der NGOS wurde von einigen Gruppen als schwerer Rückschlag der Bemühungen um eine Offene Zivile Gesellschaft gesehen. "Unsere klügsten Köpfe hätten in der Situation nicht ein besseres Ergebnis erreichen können", rechtfertigte Israels Aussenminister Shimon Peres die Rolle der israelischen Delegation beim antizionistischen Sturm von Durban.

Das Wiesenthal Center aus Los Angeles und die Antidefamation League aus New York mühten sich redlich ab. Tom Lantos, selbst Holocaustüberlebender und Vertreter der US-Delegation, gab das Zeichen zum Auszug, der dann erfolgte.

BNW

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Gerettete Erinnerungen

Das Survivors Memorial macht Erzählungen von Holocaust-Opfern der Öffentlichkeit zugänglich.

 

Das Projekt, im Survivors Memorial bisher unveröffentlichte Erinnerungen von Holocaust-Opfern zugänglich zu machen, wurde von Eli Wiesel initiiert, der heute Ehrenvorsitzender ist. Die finanziellen Voraussetzungen hatte Wiesels Verleger, das  Random House, mit einer Ausfallsgarantie von einer Million Dollar geschaffen. Von mancher Seite wird dies mit gemischten Gefühlen betrachtet: Das Random House ist eine Tochtergesellschaft des deutschen Bertelsmann Verlags, dessen Tätigkeit während des 2. Weltkrieges nicht ohne Kritik geblieben ist. Um das jüdische internationale Erscheinungsbild zu betonen, steht das Projekt unter dem Schirm des World Jewish Congress.

Leiter des Holocaust Survivors Memorial ist Menachem Rosensaft. 1948 in einem Entlassungslager von Bergen-Belsen-Häftlingen auf die Welt gekommen, ist  Menachem Rosensaft ist für diese Aufgabe geradezu prädestiniert. Sein Vater, ein Überlebender der KZ Lager Auschwitz und Bergen Belsen, war Gründer und lebenslange Vorsitzende der Welt-Vereinigung der Überlebenden von Bergen-Belsen und Stifter eines Preises für Holocaust Literatur, dessen erster Empfänger Eli Wiesel ist. Rosensafts Mutter hatte die Haft in Bergen-Belsen überlebt. Wiesel verkehrte regelmässig im Haus der Rosensafts. Als Wiesel an das  N. Y. City College berufen wurde, holte er Menachem als seinen Assistenten nach. Daraus ergab sich eine jahrzehntelange Freundschaft, die in  Rosensafts Berufung zum Memorial im vergangenen Jahr kulminierte.

Obwohl Rosensaft vermeiden will, den Markt zu überfluten  – in den ersten  Monaten gingen ihm bereits 500 Manuskripte zu – möchte er die ersten sechs bis acht Exemplare schon im nächsten Jahr herausbringen. Sie sollen vorerst  auf Englisch erscheinen, um ihnen größtmögliche Verbreitung zu sichern, doch werden, wenn durch Tantiemen mehr Geldmittel zur Verfügung stehen, auch andere Sprachen nicht ausgeschlossen. Rosensaft berichtet, er sei von der Authentizität der Erzählungen, die von den Höhen menschlicher Großmut bis zur Ausgeburt des Bösen in seiner grausamsten und brutalsten Form reichen, zutiefst beeindruckt. "Die Mehrheit der Erinnerungen endet nicht 1945, denn so werden die Stereotypen vermieden, als hätten die Opfer vorher und nachher  kein Leben gehabt." Eine der  reichsten Erfahrungen, die er in seiner Tätigkeit gesammelt hat, ist die Erkenntnis, über welches Potential der Mensch verfügt, Ungemach zu meistern. Voll Bewunderung spricht Rosensaft von der Vitalität der Überlebenden, die trotz der schauerlichen Erfahrungen Familien gründeten, mit Kindern und Kindeskindern in ihre Herkunftsländer zurückkehrten und in vielen Fällen aktive Mitglieder ihrer Gemeinden oder jüdischer Organisationen wurden.

Rosensaft  selbst  ist Gründer der  Internationalen  Vereinigung von Kindern  jüdischer Holocaustüberlebender, er ist Vorsitzender der Labor Zionist Alliance, war sieben Jahre lang Mitglied des  US Holocaust Memorial Councils, 1995 wurde er senior counsel der Ronald. S. Lauder Foundation und war von 1996 bis 2000 Vizepräsident der  Jewish Renaissance Foundation, ebenfalls eine  Ronald Lauder Gründung. Bekannt für seine Bemühungen um die Erinnerung an den Holocaust  erregte er Aufsehen, als er gemeinsam mit fünf amerikanischen Juden mit Arafat in Schweden zusammentraf, um die Palästinensererklärung über die Anerkennung Israels auszuarbeiten. In vollem Bewusstsein der kriminellen Akte der PLO bekannte er sich als Anhänger der Peace Now Bewegung. Ein Jahr nach diesem Treffen  forderte ein enttäuschter Rosensaft in einem offene Brief an Newsweek Arafat auf: Sie müssen es den gemäßigten Palästinenser, die nicht notwendigerweise Ihrer Auffassung sind, ermöglichen, sich ohne Furcht zu äußern und mit Ihnen Ihr Volk zum Frieden zu führen. Vergangenen September  schrieb er in der Washington Post, dass er und seine Freunde nicht geirrt hätten, als sie für den Frieden eintraten, ...wohl aber, weil wir glaubten, Arafat wolle wirklich den Frieden mit Israel.

Empört über den Terrorismus, der so viele und vor allem junge Menschenleben fordert, unterstreicht Rosensaft, wie notwendig es jetzt ist, die zeitgeschichtlichen Ereignisse sorgfältig zu registrieren. Je dramatischer sie sind, um so wichtiger sind die direkten Wahrnehmungen der Teilnehmer und der Augenzeugen. Die Opfer des Terrorismus  von heute  haben eine Verpflichtung, darauf zu achten, dass ihre  Erfahrungen nicht von anderen entstellt und missbraucht werden."

Heimo Kellner

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Geschäfte mit der unseligen Vergangenheit

Stalin, Mussolini und Hitler als "Historische Kollektion" auf Weinflaschen

In Italien und insbesondere an der Adria hat man eine ganz seltsame Art entdeckt Geschichte unters Volk zu bringen. Bisher lockte man die Besucher mit Sonne, Meer und Amore  an die Strände der Adria. Nun wird man noch zusätzlich in den Supermärkten  von Jesolo und anderen nahegelegenen Orten mit Zeitgeschichte konfrontiert. Weinflaschen mit Portraits, von Hitler, Stalin und Mussolini werden gut sichtbar in Regalen aufgestellt und zum Verkauf feilgeboten.

"Historische Kollektionen" nennt der Weinhändler Alessandro Lunardelli aus Udine diese Produkte, die umstrittenen historischen Persönlichkeiten  gewidmet sind. Die Sammlung begann mit einem Rotwein  "Mussolini", der  erst in Bozen und dann in  ganz Italien zum Verkaufsschlager arrivierte. Wegen des Etiketts kamen Lunardelli und sein Sohn Andrea, dessen Idee es war, nicht nur in die Schlagzeilen sondern auch vor das Gericht. Während in Österreich und in Deutschland solch eine unsensible und unverantwortliche Vermarktung wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung nicht möglich wäre, kam es in Italien zum  Freispruch der Lunardellis. Was sie bewog noch provokanter zu agieren. Kurz danach kam ein "Führerwein" mit dem Bild Hitlers auf den Markt. Wieder kam es zu einem Gerichtsverfahren, das der Vorsitzende der Südtiroler Volkspartei  und sein Parteikollege, beide Abgeordnete im italienischen Parlament, angestrebt hatten. Der "Führerwein" sei "eine für jeden Demokraten beleidigende ,Hommage' an die größten Verbrechen diese Jahrhunderts", so ihre Begründung. Die Initiative selbst sei "eine schamlose Missachtung der Gefühle aller demokratisch gesinnten Menschen unseres Landes".

 

Doch auch dieser juristische Vorstoß schlug fehl, der Verkauf verstoße nicht gegen geltende Gesetze, sondern sei vielmehr ein "guter Verkaufsgag" hieß es in der Urteilsbegründung, Lunardelli  selbst weist alle Vorhaltungen zurück. Völlig unparteiisch biete er auch der politisch links orientierten Kundschaft Flaschen mit den Etiketten Marx, Stalin, Lenin oder Che Guevara an. "Komisch, Stalin hat 15 Millionen Menschen ermordet, aber niemand regt sich über die Flasche auf. Wegen der Etiketten von Hitler und Mussolini bin ich aber vor Gericht gelandet," meint der 36-jährige Andrea Lunardelli, der 1995 diese Kollektion entworfen hat. "Man kann mir nichts vorwerfen, ich verwende nur Bilder, die in jedem Geschichtsbuch zu sehen sind. In Italien sind die Mussolini-Etiketten besonders gefragt, Touristen aus Österreich und Deutschland kaufen lieber die Hitler-Flaschen. Österreicher lieben auch Sissi und Franz Joseph  Etiketten." Nach Angaben Lunardellis machen die Umsätze dieser umstrittenen Kollektion inzwischen die Hälfte des Betriebsumsatzes aus.  Mittlerweile weist diese Kollektion  50 verschiedene Etiketten auf und entwickelte sich zu einem beliebten Sammlerobjekt, im Herbst wollen die geschäftstüchtigen Weinhändler einen Tito auf dem Markt bringen, von dem sie sich eine große Nachfrage aus Slowenien und Kroatien erhoffen. Für jüngere Kunden haben sie aber auch eine  Bob-Marley Flache auf Lager. Der Unternehmer orientiert sich auch an der aktuellen italienischen Politik. So können Anhänger der rechtspopulistischen Lega Nord auch einen Wein mit dem Namen "Padania", – so soll der Staat heißen, den viele norditalienische Separatisten  anstreben – erwerben.

"Es ist eine Sauerei, wie dort mit einer unseligen Vergangenheit Geschäfte gemacht werden" da fehlt es eindeutig an Sensibilität", sagt Wolfgang Neugebauer, Leiter des Dokumentationsarchivs. "Diese Geschäftemacherei ist insofern bedenklich, als es auch einen Bedarf geben muss."  Wie wahr und wie traurig …

J. N.

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Unternehmen Zauberteppich

Ein zeithistorische Dokument ersten Ranges exklusiv in der INW

Zu den spektakulärsten Aktionen in der Entstehungsgeschichte Israels zählt das "Unternehmen Zauberteppich", in dessen Rahmen Tausende jemenitische Juden gerettet  und nach Israel gebracht werden konnten. Damals, im Jahr 1951, arbeitete Ursula Ucicky als Sekretärin in Aden. Sie konnte die Aktion tatsächlich hautnah beobachten. Heute, 50 Jahre später, veröffentlicht sie erstmals ihre Aufzeichnungen und ermöglicht uns mit ihrem Live-Bericht aus dem Vorhof der Hölle einen tiefen Blick in eine faszinierende Epoche.

1951 – Aden am Roten Meer. Auf dem Flugplatz von Aden, der kleinen britischen Kolonie und Hafenstadt am südlichen Ausgang des Roten Meeres, startet hin und wieder eine viermotorige Maschine zum Flug nach Israel. Es ist kein planmässige Verkehrsflugzeug, und die Fluggäste sind keine gewöhnlichen Passagiere. Es sind malerische Gestalten , schlank und feingliedrig, mit dunklen Augen und pechschwarzen Haaren. Manchen Männern fallen sie bis auf die Schultern herab, allen Männern aber hängt zumindest eine lange schwarze Ringellocke von jeder Schläfe auf die Schulter. Viele der weiblichen Fluggäste sind mit handgearbeitetem Silberschmuck reich beladen. Die Ohrläppchen von manchen Frauen und Mädchen und sogar von Babies sind durchlöchert – ein großes Loch sitzt neben dem anderen, manchmal sechs in einem Ohr. In jedem Loch hingen einmal Ohrringe, und so schwer war die Last, dass die Ohrläppchen heruntergezogen worden sind. Diese bunte Reisegesellschaft also, ungefähr hundert Menschen – verteilt auf die einfachen, schmalen Bänke im Flugzeug. Viele haben sich auf dem Boden der Kabine häuslich niedergelassen – das ist für sie bequemer. Und außerdem können sie dann gleich ein Feuer vorbereiten, wenn ihnen beim Flug hoch über der arabischen Wüste plötzlich kalt wird. Das Begleitpersonal hat es nicht leicht, sie davon abzuhalten, das Feuer auch anzuzünden; sie müssen sie geschickt ablenken, denn niemand unter diesen Passagieren würde verstehen, dass ein offenes Feuer im Flugzeug lebensgefährlich ist. Für sie ist der neunstündige Flug von Aden nach Israel ein Wunder – eine Reise auf dem Zauberteppich – wie in einem alten orientalischen Märchen.

Unternehmen Zauberteppich hat man deshalb die Flüge genannt, mit denen ab 1949 gut 50.000 Juden aus dem Jemen nach Israel gebracht wurden. Der Jemen ist ein arabisches Königreich im Südwesten der arabischen Halbinsel und nördlich von Aden. Im Jemen leben Juden schon seit biblischen Zeiten, und ihre Gemeinden sind die ältesten jüdischen Gemeinden der Welt. Einst waren die Juden hochangesehene Leute im Jemen. Bis vor rund 1.500 Jahren hatten sogar die Könige des Jemens den jüdischen Glauben angenommen. Aber dann verkündete Mohammed eine neue Lehre, und der Islam verdrängte das Judentum im Jemen. Seitdem wurden dort die Juden unterdrückt und lebten fast wie Sklaven. So abgeschnitten waren sie dort von aller Welt, dass ihre Glaubensgenossen sie fast schon vergessen hatten. Bis eines Tages – in der Mitte des 19. Jahrhunderts – ein Jude aus Jerusalem durch Arabien reiste. Er stieß dabei auf die Brüder im Jemen – und auf eine andere Gruppe vom gleichen Stamm in Aden. Dorthin waren manche geflohen, weil sie die Unterdrückung nicht mehr ertragen konnten. Von Aden, so hofften sie – würden sie eines Tages den Weg ins Gelobte Land finden – nach Palästina. Einige fanden den Weg dorthin sogar vom Jemen aus. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts brachen ein paar Mutige dort auf zu der beschwerlichen und gefährlichen Reise nach Palästina. Von den furchtbaren Höhen im Inneren des Landes zogen sie zu Fuß durch die Wüste ans Rote Meer, bis nach dem jemenitischen Hafen Hodeida. Dort fanden sie ein Schiff, das sie ins östliche Mittelmeer brachte. Im palästinensischen Hafen gingen sie an Land und wanderten nach Jerusalem. Nach vielen Mühen fassten sie Fuß in ihrer neuen Heimat, denn sie waren fleißige und ausdauernde Leute – vor allem gute Handwerker.

Mehr und mehr Juden aus dem Jemen folgten den ersten Pfadfindern nach dem Heiligen Land – bis sich im Jemen zeigte, dass sie eine große Lücke hinterließen. Sie waren dort die Stützen des Handwerks gewesen. Darum verbot der Herrscher des Jemen die Auswanderung. Später – in den ersten zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts – wurde sie wieder gestattet; aber jeder Jude, der auswanderte, mußte sein gesamtes Vermögen zurücklassen. Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Auswanderung wieder völlig untersagt. Den Juden blieb nur ein Ausweg – heimlich nach Aden zu fliehen – mit leeren Händen; 300 Kilometer durch die Wüste – zu Fuß. Vielen gelang die Flucht, aber dann saßen sie oft jahrelang in Aden. Sie brauchten viel Zeit, um dort das nötige Geld für die Weiterreise nach Palästina zu verdienen.

Die meisten Flüchtlinge lebten während dieser Zeit unter schlechten Verhältnissen in einem Lager im Wüstensand – einige Kilometer von Aden entfernt. Es war kein Wunder, dass im Lager eine große Typhus-Epidemie ausbrach, die viele Opfer forderte. Dann aber kam – drei Jahre nach Beendigung des zweiten Weltkrieges – eine glückliche Wende: 1948 wurde der jüdische Staat Israel ausgerufen. Für die Juden aus dem Jemen war der Weg dorthin zunächst immer noch gesperrt – der Weg zu Wasser und zu Lande lag nämlich in arabischen Händen, und zwischen Israel und den arabischen Ländern war Kriegszustand. Aber die Luft war frei. Da organisierte die Regierung von Israel eine Luftbrücke von Aden nach Lydda, dem Flughafen des jungen jüdischen Staates. Sie schickte Ärzte, Krankenpfleger und Fürsorger in das Lager nach Aden. Sie sollten den Kranken endlich Hilfe bringen, und das Unternehmen Zauberteppich vorbereiten.

Es begann im Jahre 1949. Der Herrscher des Jemen gab dem Drängen europäischer Mächte nach – er ließ die Juden aus seinem Lande ziehen. Allerdings durften sie nur 30 Pfund Gepäck mitnehmen. Das war viel zu tragen auf einem weiten Weg durch die Wüste nach Aden – doch wenig Hab und Gut. Aber die Juden waren froh, dass sie überhaupt ziehen durften. Für den Jemen war ihr Auszug ein großer Verlust. Wer würde an Stelle der Juden gute Eisen- und Zinnwaren herstellen? Und wer den herrlichen Silberschmuck anfertigen? Und wer würde des Königs Kleider nähen? Denn auch der beste Schneider im Jemen war ein Jude – und nun zog auch er in sein Gelobtes Land. Aden war die erste Station auf dem Weg dorthin. Wenn die Wanderer diesen Ort erreichten, hatten sie das Schlimmste hinter sich. Ihr Gepäck war unterwegs leichter geworden, denn sie hatten viele Wüstensultanate durchqueren müssen – und jeder Sultan hatte Tribut verlangt. Völlig erschöpft kamen sie in Aden an; aber überglücklich, dass sie so weit waren. Männer, Frauen, Kinder und Babies, Gesunde und Kranke, in jedem Alter; die Jüngsten waren unterwegs geboren, die Ältesten waren über 100 Jahre alt. Manche hatten kaum mehr Lumpen auf dem Leib. Andere trugen ihre malerische Kleidung: die Männer farbige, rockartige Gewänder – die Farben kaum erkennbar vor Schmutz; die Frauen trugen unter Röcken lange, enge Hosen, die unten buntbestickt waren. Auf dem Kopf hatten sie Zipfelmützen aus dunklem Stoff, mit schöner Stickerei an den Kanten, in Silber, Gold, Rot und Grün. Ihr Hab und Gut bestand aus ein paar Bündeln – Haushaltsgeräte, Handwerkszeug, heilige Bücher und religiöse Artikel; Juden aus dem Jemen sind sehr fromm.

Einige Wochen mussten die Auswanderer im Lager in der Nähe von Aden verbringen. Alle bekamen neue, saubere Kleidung – Geschenke von jüdischen Verbänden in aller Welt. Für die Männer waren es meist Drillich-Hosen und bunte Baumwollhemden, für die Frauen Kattunkleider. Alle bekamen zum ersten Mal in ihrem Leben Schuhe an die Füße. Sie hatten großen Spaß daran und aneinander, denn einer lief darin ungeschickter als der andere! Ihre Lumpen wurden verbrannt. Kleider, die noch gut waren, wurden gründlich gereinigt. Erst dann durften sie die malerischen Volkstrachten wieder tragen. Das taten sie am Schabbath.

Eines Tages wurden dann die Worte ihres Propheten für sie wahr. Er hatte verkündet, dass sie auf Adlers Fittichen in das Gelobte Land getragen werden. Deshalb waren sie weder erstaunt noch erschrocken, als ein donnerndes Ungetüm aus den Lüften kam. Schnurstracks gingen sie auf das Flugzeug zu und ließen sich zunächst in seinem Schatten häuslich nieder. Schatten ist ja dort ein ganz seltenes und sehr wertvolles Geschenk – und selbstverständlich nimmt man es, wenn man es haben kann. – Inzwischen (1951) sind fast alle Juden aus dem Jemen mit dem Zauberteppich nach Israel geflogen. Auf manche warten in Israel Verwandte, die ihnen schon eine Bleibe anbieten können. Auf die meisten aber wartet wieder Lagerleben. Wie viele andere Neueinwanderer auch, müssen sie zunächst in einem Lager wohnen, bis sie in das neue Leben im neuen Staat eingeordnet werden können. Das geht bei vielen Juden aus dem Jemen verhältnismäßig schnell. Sie zeigen sich erstaunlich intelligent, fleißig, willig und geduldig. In kurzer Zeit sprechen sie Hebräisch fast genau so fließend wie Arabisch, ihre Muttersprache. Sie bekommen ein Stück Land, das sie mit viel Liebe und Erfolg bebauen. Die meisten jungen Juden aus dem Jemen nehmen schnell moderne Lebensgewohnheiten an: sie schlafen in Betten, sitzen auf Stühlen, essen mit Besteck und arbeiten heute (1953) auch in den Städten Israels, in Büros oder Schulen.

Die Alten leben meist in alter Gewohnheit weiter, aber auch sie machen sich nützlich: vor allem Frauen. Sie haben ein schönes Kunsthandwerk mitgebracht – eine besondere Art von Stickerei, mit Gold- und Silberfäden und Garn in leuchtenden Farben. Sie sticken teilweise die gleichen, phantasievollen Muster wie ihre Urururur-Großmütter in biblischen Zeiten. Israel verdient heute eine ganze Menge Geld durch ihre Kunst. Die Frauen besticken Kleider, Blusen, Schals und Stofftaschen – vor allem ausländische BesucherInnen kaufen die schönen Dinge sehr gern. Es sind hauptsächlich alte Frauen, die diese feinen Arbeiten machen, denn nur sie haben die nötige Geduld dafür! Alle Juden aus dem Jemen nehmen Teil am allgemeinen Leben ihrer neuen Heimat – sie haben sogar ihre eigene politische Partei – und einen Vertreter im israelischen Parlament. Nur eines will ihnen nicht in den Kopf: dass sie jetzt nur eine Frau heiraten dürfen – im Gelobten Land. Im Jemen hätten sie vier heiraten dürfen. Viele hatten wenigstens zwei, und kamen auch mit ihnen in die neue Heimat.

Ursula Ucicky

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Zu Gast in Wien

Yiddishspiel Theater aus Tel Aviv

Das Jüdische Institut für Erwachsenenbildung hat es sich als Aufgabe gesetzt, jährlich eine Jiddische Theatertruppe einzuladen. Dieses Jahr gastiert das Yiddishspiel Theater aus Tel Aviv mit zwei sehr unterschiedlichen Stücken in Wien.

"Gebirtig – Das Herz sehnt sich nach Liedern" von Joshua Sobol und die Revue "Gut Jomtev – Jiddisch".

Auf Jiddisch klingt es besser...

Jeder, der mal versucht hat, einen jiddischen Witz zu übersetzen, kennt das Gefühl: es klingt auf Deutsch oder Englisch oder Hebräisch doch nicht so gut. Vielleicht liegt es am teilweise unübersetzbaren Vokabular, oder vielleicht am Tonfall – auf Jiddisch klingt der Witz besser. Einen jiddischen Witz gut zu erzählen ist eine wahre Kunst, die nur noch Wenige beherrschen. Im 20. Jahrhundert gab es Komiker, die diese hohe Kunst beherrschten –Djigan und Schumacher, Morris Schwartz, Josef Buloff, Ben Zion Vittler und andere.
Das Yiddishspiel Theater Tel Aviv hat anlässlich des 50. Jubiläums des Staates Israel und des 10. Jubiläums des Yiddishspiel Theaters eine umfangreiche Revue aus den Highlights der letzten 50 Jahre zusammengestellt. Unter der Regie des Intendanten Shmuel Atzmon wurden mit viel Humor bekannte Sketches und Lieder, Tanz und Gesang zu einem witzigen Streifzug durch die Geschichte des Staates Israel und der großen Künstler der jiddischen Kultur zusammengestellt.

Mehr als Nostalgie

Im Jiddischen schwelgt immer Nostalgie mit. Im jiddischen Theater birgt sich immer eine Sehnsucht, ein Heimweh nach der alten Welt, die, wenn man ganz genau hinsieht, doch nicht so heil und begehrenswert war, wie man denken könnte.

In "Gebirtig – Das Herz sehnt sich nach Liedern" versucht Joshua Sobol diesen Bruch zwischen Sehnsucht und Wirklichkeit darzustellen. In der Rahmenhandlung suchen zwei verlorene Seelen ihre Vergangenheit und ihre Geschichte in der versunkenen Welt des jüdischen Schtetls. Auf dieser Reise treffen sie ein Panoptikum der damaligen Zeit: Reiche und Arme, orthodoxe Rabbiner und brotlose Banditen, Mädchen aus gutem Hause und verwaiste Dirnen. Es ist eine Sammlung sowohl aus dem Alltag als auch aus den dramatischen Augenblicken dieser Menschen, deren Leben und Kultur durch die Grauen des zweiten Weltkrieges und der Nazizeit ihr jähes Ende fanden.

In seinem bekanntesten Lied "'s brennt", das Gebirtig 1936 nach einem Pogrom geschrieben hat, warnt der Dichter vor den bevorstehenden Grauen in Europa. Dieses Lied wurde zu einer Art Hymne in den Gettos und bei den Partisanen im Zweiten Weltkrieg. Gebirtig selbst half seine weise Prophezeiung nichts. Er wurde im Getto von Krakau von den Nazis erschossen.

Durch das Stück führt als roter Faden Leben und Werk des größten jüdischen Troubadours, dessen Lieder, weit über seinen Tod hinaus, auf aller Welt gesungen werden.

Der Autor Joshua Sobol vermeidet bewusst alle gängigen Klischees des typischen jiddischen Theaters. Die moderne Inszenierung von Itzchak Shauli und der professionelle Auftritt von Jakov Bodo und Gadi Yagil beweisen, dass jiddisches Theater zwar rührend und witzig sein kann, jedoch keineswegs verstaubt und altmodisch sein muss.

Sharon Nuni

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Carmen de Burgos: Eine ungewöhnliche Frau

Noch 1834, also nur eine Generation vor der Geburt von Carmen de Burgos, war die Inquisition in ihrem Heimatland aktiv. Als Carmen selbst nur wenig älter als dreissig war, setzte sie sich für die Rückkehr der von derselben Inquisition vertriebenen Juden ein. Die erste Vertreibung der Juden aus Spanien geschah schon 613, als der westgotische König Sisebuth vom arianischen Christentum zum Katholizismus übertrat. Damals flohen die seit der Zerstörung des Tempels in Spanien beheimateten Juden nach Nordafrika. Die zweite große Vertreibung erfolgte dann auf Grund eines Edikts der Katholischen Könige 1492. Jene Juden, welche die Pogrome des 14. und 15. Jahrhunderts in Spanien überlebt hatten, wanderten in den ganzen Mittelmeerraum aus. Ihre Nachfolger siedelten sich im Laufe der Jahrhunderte auch auf anderen Kontinenten an, sodass zu Beginn des 20. Jahrhunderts etwa drei Millionen sephardische Juden in der Welt Spanisch sprachen, sangen, beteten: vom Schneider in Odessa zum reichen Händler in Saloniki, vom Wasserträger in Alexandria zum Greißler in New York und zum Arzt in Caracas. In vielen Familien wurden die Schlüssel des spanischen Hauses, das man 1492 verlassen musste, als kostbare Reliquie von Generation zu Generation weitergegeben.

 

Carmen de Burgos wurde  1867 wurde in Almeria geboren, wo ihr Vater Großgrundbesitzer und Vizekonsul von Portugal war. Sie starb mit nur 54 Jahren, doch war ihr Leben so reich, als sei sie weit über 100 Jahre geworden.

Nach einer für das damalige Spanien unglaublich freien Kindheit, ohne Katechismus und Kirche, aber voll wildromantischer Galoppritte am Strand, heiratete sie mit 16 Jahren. Drei ihrer vier Kinder starben, und ihr Mann entpuppte sich als Don Juan, der sich auch misshandelt. Carmen verließ ihn und ging mit ihrem letzten Baby 1901 nach Madrid: Skandal Nummer eins.  Hier, und in Toledo und Guadalajara, arbeitete sie als Lehrerin, und machte eine beachtliche Karriere in diesem Beruf: von der Volksschul- zur Berufsschullehrerin und später zur Professorin an der Pädagogischen Hochschule. Seit 1903 ist sie die erste weibliche Zeitungsredakteurin in der Geschichte Spaniens, 1904 führt sie eine Kampagne zur Einführung der Scheidung durch: Skandal Nummer zwei. Ab 1905 unternimmt sie, meist solo, lange Reisen nach Europa (bis zum Nordpol!) und Lateinamerika, macht auf diesen Reisen intensive Bekanntschaft mit feministischen Bewegungen und vertritt die neuen Ideen dann schwungvoll in Spanien: Skandal Nummer drei – Feminismus wurde damals allen Ernstes als seelische und körperliche Abartigkeit betrachte. 1909 wird sie als Kriegskorrespondentin nach Marokko gesandt, obwohl sie sich bereits als Pazifistin einen Namen gemacht hatte. Sie wird Präsidentin einer internationalen Frauenorganisation, gründet die Freimaurerloge "Amor numero 1" – falls das an die Öffentlichkeit gedrungen wäre, wäre es wieder ein weiterer Skandal gewesen –, führt einen eleganten Salon, in dem die größten Schriftsteller ihrer Zeit Stammgäste sind, organisiert mit unerschöpflicher Energie Kampagnen für alles, was sie für Recht hält: für Kinderschutz und Frauenwahlrecht, gegen Antisemitismus und Todesstrafe. Während eines politisch-kulturellen Treffens trifft sie ein Herzschlag. Noch mit ihren letzten Atemzügen tröstet sie die entsetzten Umstehenden und feuert sie zu einem begeisterten "Viva la Republica!" an.

Durch eine Liaison mit dem wesentlich jüngeren Romancier Ramon Gomez, gibt sie auch im Privatleben Anlaß zu Skandalgeraune. Zudem war Carmen auch Schriftstellerin: Wieder ein Skandal, denn für eine Lehrerin gehörte sich das absolut nicht. Ab 1908 gibt sie ihre eigene kulturelle Zeitschrift heraus, die Revista Critica, deren Motto "Libertad, Arte, Amor" kennzeichnend für Carmens Ideale ist. Die Revista Critica hat Erfolg. Neben Kunst und Politik finden auch feministische Themen und eine Rubrik für sephardische Autoren, "Lecturas sefarditas", Platz. Carmen macht ihre Zeitschrift zur ständigen Tribüne für ihr großes, umfassendes Projekt, antisemitische Vorurteile müssen durch unermüdliche Aufklärung überwunden werden, Sephardim sollen Recht auf die spanische Staatsbürgerschaft haben und der Staat soll ihnen die Heimkehr ins ehemalige Vaterland materiell erleichtern. Carmen de Burgos gewinnt fast alle fortschrittlichen Intellektuellen für ihr Projekt.

(Von der Redaktion gekürzt. Lesen Sie den gesamten Bericht über Carmen de Burgos in der Printausgabe)

Sylvia Truxa, Universität Padua

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Zehn Jahre MittelFest

Ein lebendiges Festival zum Kulturaustausch in Mitteleuropa hat sich bewährt

Die Idee für das MittelFest entstand 1989, als in Europa die Grenzen fielen und die Länder Italien, Österreich, Jugoslawien, Ungarn und die Tschechoslowakei die Pentagonale gründeten. Ihr Ziel war es ein Festival zu schaffen, das den kulturellen Austausch Mitteleuropas in Drama, Musik, Tanz, Film und Puppenspiel fördert und sich der Kultur annimmt, die vom Deutschen, Slawischen, Italienischen und Jüdischen beeinflußt war und ihre Blütezeit in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts hatte, ehe zwei Weltkriege sie vernichteten. Cividale del Friuli bot sich damals aufgrund seiner geographischen Nähe zu zwei Grenzen, seiner linguistischen, aber auch seiner ethnischen Prägung als perfekter Aufführungsort und natürlicher Treffpunkt verschiedener Kulturen  an.

Gestaltete sich das erste MittelFest, 1991, wie eine Zentral Europäische Expo, in der die fünf Länder ihre besten Produktionen zeigten, so konzentrierte sich das zweite, 1992,  auf ein einziges Thema, nämlich auf Franz Kafka. Chef-Koordinator des zwei Wochen währenden, legendären Festivals war George Tabori. Es gab über sechzig Events, die auf Werken Kafkas oder auf durch ihn beeinflußten Produktionen basierten, zu sehen und zu hören.

1993 führten rapide politische Umwälzungen wie die Vereinigung Deutschlands, der große Umschwung in Russland, das Schwinden des Eisernen Vorhangs, die samtene Revolution und Teilung Czechoslowakiens, die Unruhen in Jugoslawien sowie die Konflikte in den neuen Balkan-Republiken zum Aussetzen des MittelFestes. Eine Fortsetzung gab es erst 1994 und zwar unter dem Motto "Krieg und Frieden", wobei die Anzahl der Aufführungen auf 30 reduziert wurde. Die Programmgestaltung und Organisation übernahmen nun Giorgio Pressburger mit Mimma Gallina für den Theatersektor und Carlo De Incontrera für die Musik. 1995 wurde zum ersten Mal mit "Friulianische Wege" dem Charakter der lokalen Sprache und dem Reichtum der Traditionen Friauls Rechnung getragen. Dies führte 1996 und 1997 zum Generalthema der "Identität".

Das vollständige Programm aller MittelFeste kann in der zweisprachigen Publikation "Scene dell' Altra Europa / Scenes from the Other Europe" nachgelesen werden. Beiträge von Claudio Magris, Mimma Gallina, Giorgio Pressburger, Cesare Tomasetig wie von zehn weiteren internationalen Experten geben Auskunft über die letzten zehn Jahre Theatergeschehen in den einzelnen Teilnehmerländern. Angeschlossen ist eine Dokumentation der besten Produktionen, die in diesen zehn Jahren beim MittelFest gezeigt wurden.

Roberto Canziani: Scene dell' Altra Europa /  Scenes from the Other Europe. 1992-2001 dieci anni di teatro al MittelFest, 2001 Pasian di Prato (Ud), Editrice Leonardo, 155 S mit  Abbildungen.m November erscheint eine weitere zweisprachige Publikation mit Beiträgen zur Wissenschaft und Musik sowie einen Resümee der interessantesten Aufführungen. Autor ist Carlo De Incontrera.

In den zehn Tagen des heurigen MittelFestes vom 20.–29. Juli fanden 54 Events statt. Die Autorin stellt die für sie am meisten beeindruckenden im aktuellen Heft (Printausgabe) vor.

Mirjam Morad

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Interview: "Ich schreibe über das, was für mich bedeutungsvoll ist"

Ellen Presser sprach mit der amerikanischen Krimiautorin Faye Kellerman

Schenkt man dem in der Verlagswelt zirkulierenden Lebenslauf Faye Kellermans Glauben, so ist die amerikanische Autorin ein richtiger Tausendsassa. Da heißt es, sie sei neben ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin auch Zahnärztin und Gitarrenbauerin. Und das wird immer wieder lanciert, wie humorvoll und offenherzig die Betroffene das auch immer wieder dementieren mag.

Als Zahnärztin praktiziert Kellerman schon lang nicht mehr. Selbst gebaut habe sie nur eine einzige Gitarre, um ihrem Mann Jonathan Kellerman, ebenfalls Bestsellerautor, zu imponieren.

Für ihren Krimi Der wird Euch mit Feuer taufen (Eichborn) hat sich die 50Jährige durch Fälle von religiös motiviertem Massenselbstmord, wie den der People's Temple-Sekte in Jonestown/Guyana, inspirieren lassen. Die Taschenbuchreihe der Geschichten um den jüdischen Detektiv Peter Decker vom Los Angeles Police Department, der sich in die orthodoxe Jüdin Rina Lazarus verliebt hat, erscheint im Goldmann Verlag.

INW: Reden wir über Gott und Gerechtigkeit.

Kellerman: Es gibt verschiedene Wege zu Gott zu kommen. Mein Gotteskonzept kommt aus dem Judentum. Gott schuf die Welt, und zuletzt den Menschen. Er wurde mit einem freien Willen ausgestattet. Manchmal treffen wir die falsche Wahl. Das ist das Mysterium. Wenn wir wüssten, woher das Böse kommt, wäre das zuviel für uns. Das Prinzip von Recht und Gerechtigkeit nach göttlichem Verständnis können wir nicht begreifen. Andernfalls wäre die Entscheidung, die Wahl leichter. Aber man muss sie treffen, ohne zu wissen, welcher Weg der richtige ist. Manchmal begreift man alles erst sehr viel später.

INW: Wenn Gott doch alles weiß, worin besteht dann der freie Wille?

Kellerman: Wir sind nicht vorprogrammiert, sondern haben immer die freie Wahl.

INW: Und das ist Ihr Blick auf die Welt?

Kellerman: Gerechtigkeit und Zedaka – Wohltätigkeit – haben dieselbe Wurzel. Nächstenliebe ist eine sehr individuelle Angelegenheit.

INW: Warum behandeln Sie die großen Fragen des Lebens, übertragen auf die Maßstäbe des Kriminalromans?

Kellerman: Nicht jeder Mensch mit einer schwierigen Kindheit schlägt eine Verbrecherlaufbahn ein. Ich will unterhaltend schreiben, keine Botschaften vermitteln. Aber ich schreibe über Dinge, die für mich bedeutungsvoll sind. Ich suche mir eine starke Handlung, die die Leute lesen wollen. Und Detektivgeschichten bieten sich da an. Dazu braucht man ein paar Handlungsträger, die wirklichkeitsnah sind. Bei mir sind ein paar wichtige jüdisch. Damit kenn ich mich aus.

INW: Die schrecklichen Charaktere sind nicht jüdisch …

Kellerman: Das stimmt nicht ganz. Denken Sie an den einen Typen in Tag der Buße. Jüdische Menschen sind nicht anders als andere. Die zehn Gebote wurden den Juden gegeben. Offensichtlich brauchten sie diese. Wir haben eine so weitreichende Gesetzgebung. Wenn wir perfekt wären, hätten wir nicht so viele Gebote. Gott ging wohl davon aus, dass wir sie brauchen.

INW: Die überwältigende Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung, also auch Ihrer Leser, ist nichtjüdisch. Aber es fällt schon auf, dass inzwischen praktisch jede ethnische Gruppe in Amerika ihre eigene Literatur hat.

Kellerman: Im ethnischen Konzept habe auch ich einen Platz. Auf Jüdisches Bezug zu nehmen, lag mir – ich bin in einer orthodox-jüdischen Familie aufgewachsen – nahe. Ich habe eine Leidenschaft für meine Religion. Und es ist immer besser, über etwas zu schreiben, was einem wichtig ist. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass die Leute sich fürs Judentum interessieren. Und das gilt auch für England und Australien, wo bei Lesungen ähnliche Fragen gestellt werden. Meine Bücher haben eine universelle Botschaft, die überall verstanden wird. Sie erscheinen in Japan und Polen. Gerade ist etwas ins Französische übersetzt worden und jetzt kommen auch die skandinavischen Länder dazu.

INW: Sie haben über Mord, Raub, sexuelle Gewalt, Drogenprobleme und Suff-Movies geschrieben. Was denken Sie über unsere Welt, in die Sie vier Kinder gesetzt haben?

Kellerman: Man kann sich nicht abkapseln. In dem Buch Doch jeder tötet, was er liebt wollte ich untersuchen, wie es Jugendlichen in Los Angeles ohne Obhut ergeht. Sex und Drogen sind bei uns zu Hause kein Alltagsthema.  Aber ich glaube, meine Kinder – sie sind 22, 19, 15 und 8 – würden zu mir kommen, wenn sie Probleme hätten.

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Zwei Leben wie ein Roman

Der Briefwechsel zwischen Paul Celan und Gisèle Celan-Lestrange. Dokumente einer Liebe.

Im Dezember 1962 beschuldigt Paul Celan auf der Straße einen Passanten an der Goll-Affäre beteiligt zu sein, seiner Frau reißt er einen gelben Schal vom Hals, da er ihn an den Judenstern erinnert. Diesen ersten Wahnzuständen folgen weitere. Celan sieht sich mehrfach vor die Forderung gestellt, für die Dichtung an seinem Sohn Eric das Opfer Abrahams zu wiederholen. Schließlich begeht er zwei Selbstmordversuche sowie zwei Mordversuche an seiner Frau. Drei Jahre später wählt der Dichter den Freitod in der Seine. Das Ausmaß der Leidensgeschichte des Paares und die Gründe für die Trennung macht der jetzt publizierte Briefwechsel der Jahre 1951 bis 1970 bekannt. Die Künstlerin selbst begann lange vor ihrem Tod, 1991, die französisch verfassten Briefe für eine Veröffentlichung vorzubereiten, auch um den Vorwurf der Mitschuld von sich abzuwaschen. Und in der Tat wird klar, dass diese Frau bis an die Grenze zur Selbstaufgabe ihrem Mann verbunden war. Schon ihre Heirat 1952 in Paris geschah gegen den Willen ihrer katholisch-aristokratischen Familie, die ihn abschätzig einen "Juden und Staatenlosen deutscher Zunge" nennt, und ohne ihren Sohn wäre sie fraglos mit Celan untergegangen.

 

Die frühen Briefe schreibt sich das Paar, wenn Celan auf Reisen ist. Für den Dichter beginnt der literarische Erfolg im deutschsprachigen Raum. Aus beruflichen Gründen, aber auch aus Angst, den Kontakt zur Sprache seiner Dichtung zu verlieren, ist er oft in Deutschland: Ich fühle mich so fremd und verloren in diesem Land, in dem man sonderbarer Weise die Sprache spricht, die meine Mutter mich gelehrt hat.

Ricarda Haase

Der Kommentar greift ergänzend auf Tagebücher und Kalender der Celans zurück und macht so den Leser oft erst auf die Brisanz gewisser Briefpassagen aufmerksam.

Paul Celan - Gisèle Celan-Lestrange: Briefwechsel. Mit einer Auswahl von Briefen Celans an seinen Sohn Eric.

Aus dem Französischen von Eugen Helmlé. Herausgegeben und kommeniert von Bertrand Badiou und Eric Celan. Suhrkamp Verlag 2001.

Zwei Bände in Kassette 1208 Seiten. Mit 24 S. Abbildungen. Euro 89

Celan und seine Frau Gisèle Celan-Lestrange 1956 in Paris.

©Katalog zur Ausstellung im Tübinger Hölderlinturm, Sommer 2001,

erschienen bei der Edition Isele.

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Jüdisches Theater Austria

Stimmen der Diaspora – Ohne Begleitung

Ein Solistenfestival jüdischer KünstlerInnen und ein Lesemarathon

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Das Jüdische Theater Austria ist wieder unterwegs. Zu einer neuen Premiere im Wiener Theater des Augenblicks: Ohne Begleitung, ein Solo Festival, das, unter anderem, drei Perlen der gegenwärtigen jüdischen Theaterkultur zeigen wird.

Die Wiederbelebung jüdischer Theater-Kultur in Österreich war bereits bei der Gründung des Jüdischen Theaters Austria im Jahre 1999 das erklärte Ziel des Projekts. Als Wandertheater und als Forum theatraler Ausdrucksformen jüdischer Provenienz ist das Jüdische Theater Austria für viele Artisten und kulturelle Einzelkämpfer eine künstlerische Heimat in der Diaspora geworden. Ganz in diesem Sinne kommen bei der aktuellen Produktion gewichtige Einzelstimmen zu Wort, die sich mit aktuellen Fragestellungen, Problemen und Perspektiven auseinandersetzen.

Schon in den vergangenen Produktionen und Veranstaltungen hat sich das Jüdische Theater Austria als unterhaltsames Medium für die kritische Auseinandersetzung mit populären Denkweisen und als Gegenpol zur Manifestationen von Vorurteilen und Bigotterie bewährt. Zuletzt in Wien und Graz von April bis Juni dieses Jahr wurde Weisman und Rotgesicht von George Tabori inszeniert, ein Stück, das auf subtile Art und Weise von Menschlichkeit und Unmenschlichkeit, Achtung und Verachtung, Identität und Diskriminierung erzählt. Nicht nur die begeisterten Pressestimmen, sondern vor allem der Publikumsansturm, den das Forum Stadtpark Theater in Graz, das Theater Spielraum und das Theater des Augenblicks in Wien kaum zu fassen vermochten, sprechen dafür, dass die Kunst und die Themen des Jüdischen Theaters Austria auf großes Interesse stoßen.

Im November  startet nun Ohne Begleitung als dritte Kooperation des Jüdischen Theaters Austria mit dem Theater des Augenblicks. Im Mittelpunkt des Abends stehen die Auftritte von George Bartenieff (I will bear witness), Dagmar Schwarz (Eine alltägliche Verwirrung) und Margo Lee Shermann (Grace x 3).

I will bear witness: a diary of the nazi years 1941-1945 ist eine Dramatisierung der Tagebücher von Victor Klemperer, der die Herrschaft der Nationalsozialisten in Deutschland als privilegierter Jude überlebt hat. Die Inszenierung von Karen Malpede versetzt den Zuschauer in das Innenleben eines Mannes und seiner Zeit. George Bartenieff erhielt heuer in New York für seine Rolle als Victor Klemperer den OBIE Award für die beste Off-Broadway Performance.

Dagmar Schwarzs Ei ne alltägliche Verwirrung ist die überarbeitete Version ihrer von Kritikern gepriesenen Soloperformance, in der sie der innigen und intellektuellen Beziehung zwischen Milena Jesenská and Franz Kafka nachgeht. Grundlage ihre Arbeit ist aber nicht nur der berühmte Briefwechsel, sondern auch literarische Texte Kafkas. Schwarz verwendet diese Texte um Milenas Entwicklung vom triebhaften Weibchen zur eigenständigen und wichtigen kulturellen Persönlichkeit zu zeigen.

Grace x 3 ist eine Bühnenadaption von drei Kurzgeschichten der beliebten New Yorker Autorin Grace Paley, die sich auf das Leben osteuropäischer Immigranten jüdischer Abstammung in New York konzentriert. Nicht zuletzt werden wir durch Paley auch in das Milieu des Jiddischen Theaters entführt, welches einst in ganz Europa geblüht hatte, heute jedoch fast nur mehr in den USA existiert. Margo Lee Shermann, ehemaliges Mitglied des international bekannten Bread and Puppet Theaters, frappiert durch die meisterhafte Darstellung jedes einzelnen Charakters; sie schafft den Wechsel von Rolle zu Rolle nahtlos und mit einer ungewöhnlichen Stimmenpalette.

Umrahmt und abgerundet wird das Solofestival durch den Solothon, einen zweitägigen Lese- und Performance-Marathon, wozu sich mehr als 30 KünstlerInnen und kulturelle Persönlichkeiten angesagt haben, etwa Karl Achleitner, Shmuel Barzilai, Avi Breuer, Irene Colin, Paul Chaim Eisenberg, Tania Golden, Erik Göller, Miguel Herz-Kestranek, Judith Kalbeck, Caroline Koczan, Sandra Kreisler, Georg Markus, Inge Maux, Michael Mohapp, Lena Rothstein, Robert Schindel, Manfred Schmid, Dagmar Schwarz, Giora Seeliger, Rafi Weinstock, und andere. Sie alle umkreisen in ihren persönlich gewählten Texten – aus ganz verschiedenen literarischen Quellen, von der Autobiografie über den Nachrichtentext bis zum Comic Heft – das Thema der jüdischen Identität.

Die Buntheit des Programms illustriert nicht zuletzt das großartige Potential an jüdischer Kunst, wie sie zurück nach Österreich gefunden hat und hier durch das Jüdische Theater Austria eine Plattform erhalten hat.

Hermann Götz

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For ever young

Topsy Küppers zum 70.

Unglaublich aber wahr, Topsy Küppers feierte im Kreise ihrer Freunde ihren 70. Geburtstag. Innerlich jung geblieben strahlt sie die Energie und den Optimismus eines Menschen aus, der voller Tatendrang und Neugierde in die Welt blickt. Auch äußerlich wirkt sie charmant und weiblich, kurz eine Frau ohne Alter.

Das große Fest fand im Radiokulturhaus statt und trotz Sommerferien und Urlaubszeit kamen fast alle um dieser vielseitigen Künstlerin zu gratulieren. In der Einladung stand, Geschenke werden nur in Form von Wort- oder Liedspenden entgegengenommen – und alle hielten sich daran. Das Geburtstagsständchen brachten Dennis Russel Davis und Tochter Helen, extra aus New York angereist, Ely Lary kam aus Israel. Kammersänger Heinz Zednik sang Die Nowaks aus Prag und Heilwig Pfanzelter überraschte mit zwei wunderbaren Chansons. Trude Marzik, Peter Matic, Dietmar Grieser und Rosemarie Isopp brachten Poesie und Prosa. Großen Applaus erhielt auch der Berliner Chansonier Frank Golischewski mit seinem Rat: "Nehm'n Sie 'nen Alten". Würdig und witzig die Laudatio von Prof. Dr. Theo Schäfer, dem Begründer der Jüdischen Lebenswelten bei der Leipziger Buchmesse.

Ihre Persönlichkeit und ihr Freiheitssinn bestimmten ihr Leben. Ihre legendäre Lola Blau wird allen, die sie darin gesehen haben, stets in Erinnerung bleiben. Sie konnte sich nicht nur als Schauspielerin und Chansonette profilieren sondern stellte auch als Theaterdirektorin ihren Mann. Vielen INW-LeserInnen ist sie auch als Kolumnistin in bester Erinnerung – ihre Beiträge fanden internationales Echo. Ihre Verbundenheit zum Judentum prägte auch das Programm ihres Theaters und ihrer zahlreichen Tourneen. Viele israelische und jüdische Gastspiele aus aller Welt fanden in der FREIE BÜHNE WIEDEN ihre Heimat. Mit der Inszenierung "Das Leben der Eva Deutsch" gastierte Topsy Küppers in zahlreichen Städten. In dem Stück des israelischen Autors Motti Lerner über die letzte Liebe der Dichterin Else Lasker Schüler "Else in Jerusalem" stellte Topsy Küppers wieder einmal ihr vielseitiges Talent unter Beweis. In der unglaublich atmosphärischen Badener Synagoge gelang es ihr mit viel Sensibilität die Verzweiflung und die Sehnsüchte dieser deutschen Lyrikerin zu vermitteln. Sollte es irgendwo wieder in den Spielplan aufgenommen werden – am besten natürlich in der Kulisse der Badener Synagoge – darf man diese Darbietung von Topsy nicht versäumen. Das Geheimnis ihrer Frische verrät sie in ihrem Buch "Lauter liebe Leute".

"Lange Zeit war ich der irrigen Ansicht, es genüge seinen Körper regelmäßig zu trainieren, bis ich auf die Idee kam, meinen Atem in Verbindung mit einem positiven Gedanken in die Bewegung einzubinden. Atem – Gedanke – Bewegung. Die dreifache Konzentration ergibt eine vielfache Wirkung."

In diesem Sinne alles Gute, liebe Topsy, bis 120!!

J.N.

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Letzte Änderung: 03.01.2012
Webmeisterin+Redaktion: Mag. Ditta Rudle
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