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Aus dem Inhalt der Ausgabe 6/7 2005

cover6–7–05 Imad Khouri>
IMAD KHOURI : "Violence",
Mischtechnik, 2001 70 x 75 cm
Imad Khouri stammt aus Abu Snam im
Galil.
Der Künstler gehört der arabischen
Künstlergruppe IFDA an, die der
bestehenden Gewalt Kreativität
entgegensetzen will. Khouris Werk
wurde bereits in zahlreichen
Ausstellungen in Israel vorgestellt.


Schiller-Kommers

Kommentar von Joanna Nittenberg

Das groß angekündigte Gedenk- oder Gedankenjahr scheint viele verschiedene, wenn auch nicht immer erfreuliche, Facetten hervorzubringen.

Nach den leidlichen Affären um Siegfried Kampl und John Gudenus, die ihre Ansichten ohne jegliche Konsequenzen bereits vor Jahren deponierten – und sie waren nicht die einzigen Politiker in den letzten Jahren, die die Republik mit nationalsozialistischen Sprüchen im In- und Ausland desavouierten – die Palette reicht vom Ullrichsberg bis nach Krumpendorf – konnten die Burschenschaftler unter Aufwand von höchsten Sicherheitsmaßnahmen in der Hofburg den Schillerkommers abhalten.

Welche Geisteshaltung diese Organisationen vertreten ist kein Geheimnis, zumal auch einige, wie etwa die Burschenschaft „Olympia“, vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes als rechtsextreme Organisation eingestuft werden. Wie aus Presseberichten zu erfahren ist, verstießen viele getätigte Äußerungen, insbesondere die Verharmlosung und Leugnung des Völkermordes, eindeutig gegen das Verbot der Wiederbetätigung. Das Abspielen der dreistrophigen Deutschlandhymne erübrigt jeden Kommentar.

Im Vorfeld dieser geballten Präsentation nationalsozialistischen Gedankengutes ereignete sich ein ebenfalls unglaublicher Vorfall, der jedoch von der Öffentlichkeit überhaupt nicht wahrgenommen wurde. Das gesamte Neue Institutsgebäude (NIG) wurde den Burschenschaften für eine Veranstaltung zur Verfügung gestellt und von militanten Ordnungskräften derart bewacht, dass sich weder Studenten noch Professoren Zutritt zum Gebäude verschaffen konnten. Es ist empörend, dass die Universität als öffentlicher Raum für derartige eindeutige Veranstaltungen missbraucht werden kann. Bezeichnend auch die Tatsache, dass diese Veranstaltung vorher nicht angekündigt wurde – weder an der Universität noch im Internet konnte man Hinweise auf die Sperrung des gesamten Gebäudes finden.

Es gilt zu prüfen wie weit es rechtlich möglich ist, ein öffentliches Gebäude, besonders eine Universität, für derart geschlossene Veranstaltungen zu schließen und berechtigten Mitgliedern den Zutritt zu verwehren. Moralisch ist es jedoch sicher eine verwerfliche Aktion, die sehr an unselige Zeiten erinnert, in denen Studenten und Professoren aus rassischen und politischen Gründen gewaltsam aus dem Gebäude entfernt wurden.

Das Argument, man dürfe dies alles nicht allzu ernst nehmen, ist nicht stichhaltig, da viele dieser Teilnehmer weiterhin Machtpositionen in der Politik anstreben und, wie wir sehen, einige sie bereits erreicht haben – sie vertreten Ansichten, die die Mehrzahl der Österreicher nicht haben wollen, gemäß dem Salomonvers: Tod und Leben stehen in der Zunge Gewalt, wer sie liebt, wird ihre Frucht essen. Das heißt, der Anfang der Gewalt liegt in dem gesprochenen Wort. Daher ist Wachsamkeit angesagt.

Ob und welche Konsequenzen die zuständigen politischen Kräfte aus dieser unglaublichen Aktion ziehen werden, bleibt abzuwarten.

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Nach dem Rückzug …

Kommentar von Gil Jaron

Dem Entkopplungsplan des israelischen Premiers Ariel Scharon steht nichts mehr im Wege: die für August geplante Räumung des Gazastreifens und von Teilen des Westjordanlandes hat alle parlamentarischen und gerichtlichen Hürden überwunden. Zumindest bis die Räumung vollzogen ist, ist Scharon bequem in einem politischen Sicherheitsnetz verpackt, das das Überleben seiner Rückzugskoalition garantiert. Nach Monaten intensiver Debatte über den Rückzug beginnt nun die israelische Politik erstmals sich mit der Zeit nach der Räumung auseinander zu setzen. Das bringt ein böses Erwachen mit sich, denn die Aussichten auf eine ruhigere und friedlichere Zukunft sind schlecht.

Was die Folgen der Entkopplung bezüglich der Sicherheit Israels betrifft, spalten sich die Meinungen führender Experten. Finanzminister Benjamin Netanyahu und der ehemalige Stabschef der Armee, Mosche Yaalon, sind die prominentesten Schwarzseher. Sie warnen vor dem Ausbruch einer dritten Intifada: sollten die Palästinenser nach dem Rückzug aus dem Gazastreifen nicht ständig durch weitere unilaterale Zugeständnisse beschwichtigt werden, würden sie schon bald erneut zu den Waffen greifen, so der General, der die Armee durch die zweite Intifada brachte. Die palästinensische Lesart des Rückzugs sehe in der Räumung genau wie im Rückzug aus Südlibanon im Jahr 2000 einen Sieg der Extremisten und des bewaffneten Kampfes. Er motiviere sie, den Kampf fortzusetzen um ihre politischen Ziele zu realisieren, erklärt Netanyahu weiter. Auf der anderen Seite des Spektrums befindet sich der ehemalige Chef des israelischen Geheimdienstes, Avraham Dichter, der den Warnungen offen widerspricht: Ich kenne keine Indizien, die Yaalon zu seinen Schlüssen bewegt haben könnten. Dichter blickt mit mehr Zuversicht in die Zukunft und glaubt, dass der Rückzug aus Gaza für Israel bessere Voraussetzungen schafft, um sich zu verteidigen.

Der Nahe Osten scheint aber erneut die Pessimisten nicht enttäuschen zu wollen. Gleich mehrere Entwicklungen auf israelischer wie auf palästinensischer Seite deuten auf Sturm. Für Scharon dürfte der Rückzug die schwerste Aufgabe seines Lebens werden: die Siedler sind bei weitem straffer organisiert als der Staat. Es gelingt ihnen in Blitzaktionen das Land für Stunden lahm zu legen. Wiederholt haben sie ihre Fähigkeit bewiesen, Zehntausende zu Solidaritätsdemonstrationen auf die Straßen und in den Gazastreifen zu bringen. Dem stellt Scharon Ministerien gegenüber, deren Planungen laut Medienberichten dem festgesetzten Datum Monate hinterherhinken. Noch ist beispielsweise völlig unklar, wo die Kinder der Siedler lernen und die 8000 Bewohner des Gazastreifens, sollten sich bis dahin nicht noch tausende Sympathisanten zu ihnen gesellen, nach der Räumung unterkommen sollen. Der Polizei, schon in Friedenszeiten unterbesetzt, stehen nicht genügend Kräfte zur Verfügung, um gleichzeitig den Gazastreifen zu räumen und groß angelegte Proteste der Siedler im Inland zu unterbinden.

Der Rückzug aus dem Gazastreifen droht zu einem organisatorischen Fiasko zu werden, welches Scharon im Nachhinein den politischen Kragen kosten könnte. Schon heute ist der Rückzug aus dem Gazastreifen der einzige Leim, der Scharon noch am Stuhl des Premierministers haften lässt. In der Knesset verliert seine Koalition Misstrauensvoten am laufenden Band, seine Regierung gilt als die korrupteste in der Geschichte des Staates. Doch selbst falls Scharon den Rückzug als Premier überlebt, wird die innerlich tief gespaltene israelische Gesellschaft lange Zeit brauchen, um die inneren Risse zu kitten. In dieser Hinsicht käme Scharon ein traumatischer Rückzug gar zu Gute: je schwerer die Räumung, desto unwahrscheinlicher, dass die internationale Staatengemeinschaft in absehbarer Zukunft Israel weitere Zugeständnisse abverlangt. So wird die Forderung des palästinensischen Präsidenten Machmud Abbas, sofort nach dem Rückzug Friedensverhandlungen aufzunehmen, im Chaos des innenpolitischen Tumults ungehört verhallen.

Die Palästinenser werden sich jedoch nicht lange mit der Rückgabe eines kleinen, übervölkerten und verarmten Landstriches zufrieden geben. Besonders dann, wenn Israel wie vorgesehen weiterhin alle Zugänge in den Gazastreifen kontrollieren wird. Die israelische Menschenrechtsorganisation „Bezelem“ warnt vor einer humanitären Katastrophe, sollte die Vision des „Gefängnisses Gaza“ zur Wirklichkeit werden. Dabei bleibt völlig unklar, wer nach dem israelischen Rückzug die Macht in Gaza an sich reißen wird. Abbas ist es zwar gelungen, in den letzten Monaten für relative Ruhe zu sorgen. Dies scheint aber weniger Resultat seiner Überzeugungskraft oder Macht zu sein, sondern spiegelt eher das Bedürfnis der Extremisten nach einer Verschnaufpause wider. Die Extremisten rüsten schon für den nächsten Schlagabtausch.

Die Nachrichten aus der palästinensischen Autonomiebehörde (PA) demonstrieren tagtäglich, dass es Abbas nicht gelingen will, seine Autorität durchzusetzen. Schusswechsel zwischen bewaffneten Banden und Polizisten gehören zum Alltag. Private Wohnsitze hochrangiger Sicherheitsbeamter werden fast täglich beschossen, die Anschläge werden nie geahndet. Familienfehden werden auf offener Straße ausgetragen, die Polizisten sind machtlos oder stecken mit den Kriminellen unter einer Decke. Oft ist die Gewalt lediglich ein Mittel, um an einen Job zu kommen. So schloss vor kurzem eine Gruppe bewaffneter Fatah-Mitglieder den Grenzübergang in Rafah und setzte den nach Nordkorea entsandten Konsul der PA einfach fest, indem sie seinen Diplomatenpass beschlagnahmten. Ihr Ultimatum: sie würden so lange die Gesetze brechen, bis sie als Gesetzeshüter in die Polizei der PA aufgenommen würden. In Nablus besetzte eine Gruppe Bewaffneter das Innenministerium und das Gouverneursgebäude mit der gleichen Forderung, nämlich als Polizisten ihr Geld künftig bequem aus der Staatsschatulle beziehen zu können. Bisher demonstrierte Abbas gegenüber den Verbrechern nichts als Schwäche: laut Berichten arabischer Zeitungen hat sich das Innenministerium bereit erklärt, auf die Forderungen der Banden einzugehen.

Selbst für die an Korruption gewöhnten Politiker läuft das Fass nun über: Premier Achmed Kurei drohte mit dem Rücktritt, sollte das „Sicherheitschaos“ nicht unter Kontrolle gebracht werden: „Keiner sollte über das Gesetz erhaben sein“, so Kurei, der schon oft mit melodramatischen Schritten drohte, sie aber nie umsetzte. „Die palästinensische Bevölkerung kann die Übergriffe nicht mehr ertragen. Es ist unakzeptabel, dass Angestellte der Sicherheitsdienste für manche Zwischenfälle verantwortlich sind“, so der Premier. Selbst der für die Sicherheitsdienste verantwortliche Innenminister Nasser Jussuf nimmt seine Mannen nicht in Schutz. In einer geschlossenen Sitzung des zuständigen Parlamentsausschusses gestand er, dass es „viele Verbrecher in unseren Reihen“ gäbe. Polizisten seien im Drogenhandel und der Organisierten Kriminalität verstrickt, so Jussuf weiter.

Allein das Lamentieren ist nicht wirksam. Abbas versucht zwar durchzugreifen und hat ein langjähriges Moratorium über die Todesstrafe aufgehoben. Im Gazastreifen wurden vier vermeintliche Mörder hingerichtet, mindestens 50 weitere Exekutionen sollen folgen. Ob die Hinrichtungen die bewaffneten Banden allerdings effektiv abschrecken können, ist fraglich, denn oft fürchten sich die Polizisten mehr vor den mächtigen Bandenführern, als dass sie sie einschüchtern. Laut dem internationalen Nahostfriedensplan, der „Road Map“, ist Abbas in der ersten Phase dazu verpflichtet, alle Terrororganisationen zu entwaffnen. Doch selbst führende palästinensische Politiker gestehen längst ein, dass er im Gegensatz zu seinem Wahlslogan „eine Regierung mit exklusiver Waffengewalt“ niemanden entwaffnen wird oder kann.

Die Hamas und der islamische Jihad profitieren aus der Schwäche des Präsidenten. Im Machtvakuum dehnen sich ihr Einfluss und ihre Popularität weiter aus. Zudem beschießen die „Helden des israelischen Rückzugs“ aus dem Schutz der so genannten Waffenruhe fast täglich israelische Siedlungen und Städte. Ihre Missachtung gegenüber ihrem eigenen Präsidenten wird zunehmend deutlich: zu Gipfeltreffen der Organisationen mit dem Präsidenten erscheinen längst nur noch zweitrangige Funktionäre. Vor dem Hintergrund Abbas Ohnmacht ist unklar, wie er verhindern will, dass Hamas und Co die geräumten Siedlungen übernehmen. Der Außenminister der PA, Nasser Al-Kidwa, sprach erstmals im Klartext, als er in einem Interview an das staatliche Fernsehen sagte, dass die Entwaffnung der palästinensischen Widerstandsbewegungen nicht zur Debatte stünde. Solange die israelische Besatzung anhalte, seien die Waffen in den Händen der Extremisten „von strategischem Wert“, so der Neffe des verstorbenen Palästinenserpräsidenten Yassir Arafat. Mit seinen Worten entfachte er einen diplomatischen Sturm: sollten die Palästinenser nicht gegen den Terror kämpfen, würde Israel dies tun müssen, so Vizepremier Ehud Olmert.

Angesichts der politischen Impotenz Abbas ist die Frage nach dem Nutzen der Verhandlungen mit der PA am Platz: wie viel Wert darf auf Verträge mit einem politischen Konstrukt gelegt werden, das seine eigene Politik nicht umsetzen kann? Wie lang die israelische Geduld mit Abbas Unwillen oder Unfähigkeit noch anhalten wird, ist also fraglich. Spätestens zur Zeit der Räumung, so deuten israelische Militärs an, werde kein Beschuss mehr hingenommen werden. So könnte eine groß angelegte Militäraktion im Gazastreifen schon in diesem Sommer bevorstehen. Dies würde Abbas auch das letzte politische Kapital nehmen und jeden Dialog zum Stillstand bringen.

Noch sprechen beide Seiten miteinander: diesen Monat steht ein Gipfeltreffen zwischen Abbas und Scharon an, Ausschüsse suchen den Rückzug aus dem Gazastreifen zu koordinieren. Doch Entwicklungen auf beiden Seiten treiben die ewigen Kontrahenten fast unvermeidlich in Richtung Konflikt. So sehr man auch auf Ruhe in Nahost hoffen will, die Pessimisten scheinen vorerst weiter Recht zu behalten.

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Elliot Abrams – Bushs Troubleshooter im Nahen Osten

Vom Falken zum Pragmatiker

e.abrams

Elliot Abrams, Bushs Beauftragter und Problemlöser für den Nahostkonflikt, war kürzlich mit einem klaren Auftrag nach Jerusalem gekommen: den Israelis klar zu machen, dass sie den weiteren Ausbau jüdischer Siedlungen auf der Westbank zu unterlassen haben.

Die von Abrams unterbreitete Forderung Washingtons enthielt keine Überraschungen. Immerhin widersetzten sich alle US-Regierungen, republikanische wie demokratische, seit drei Jahrzehnten dem Siedlungsausbau Israels. Überraschend war lediglich der Bote, der diese Politik Washingtons zuvor öffentlich und entschieden abgelehnt hatte. Elliot Abrams gehört zu jenen jüdischen Neokonservativen, der stets von einem „Friedensprozess“ mit Anführungszeichen sprach, ein „Ende amerikanischen Drucks auf Israel“ forderte und den amerikanischen Juden ans Herz legte, sich nicht immer wieder für weitere Verhandlungen mit den Palästinensern einzusetzen.

Hat Elliot Abrams die Seiten gewechselt? Abraham Foxman, Direktor der Anti- Defamation League, hat Verständnis dafür, dass Abrams in seiner neuen Funktion als Bushs Troubleshooter im Nahen Osten, jenen „amerikanischen Druck“ ausübt, den er zuvor kritisiert hatte. Nicht nur, weil es sein Job ist, sondern weil nicht er selbst, sondern die Umstände sich verändert haben. Immerhin ist die Transformation Abrams’ weniger radikal als jene des israelischen Ministerpräsidenten Scharon, des Gründungsvaters der Siedlungsbewegung, dessen Politik der Abkoppelung von der Gazazone und Evakuierung der dortigen Siedlungen ihn geradezu zum Feind der Siedler stempelte und sein Leben bedroht.

Vom Vergleich mit Scharon und der Entschuldigung seines Verhaltens durch Foxman abgesehen, geben sich viele von Abrams’ Freunden und Bekannten, insbesondere die Juden unter ihnen, dennoch überrascht. Aber Anzeichen der Wandlung Abrams’ oder – wie Foxman es nennt – der „Umstände“, waren schon seit einiger Zeit erkennbar. Seit Dezember 2002, als Abrams zum Direktor der Nahost- und Nordafrikaabteilung des Nationalen Sicherheitsrates ernannt wurde, begann eine Art Pragmatisierung des früheren doktrinären Ideologen und politischen „Falken”. Unlängst zum Stellvertretenden Sicherheitsberater des Präsidenten ernannt, wurde Abrams zugleich Bushs Beauftragter für die Demokratisierung der arabischen Welt. In beiden Wirkungsbereichen, Demokratie und Nahostkonflikt, steht Abrams an zweiter Stelle der Washingtoner Hierarchie, unmittelbar nach Außenministerin Condoleezza Rice, seiner früheren Chefin im Nationalen Sicherheitsrat.

Seine Wandlung vom Ideologen zum Pragmatiker hat Abrams aber keineswegs der jüdischen Gemeinschaft entfremdet. Die meisten Spitzenfunktionäre jüdischer Organisationen nennen ihn beim Vornamen und beteuern, dass nie zuvor eine Persönlichkeit von so immensem Einfluss so eng mit dem organisierten Judentum verbunden war. Manche der befreundeten Funktionäre vermuten sogar, dass diese Nähe einer der Hauptgründe war, die das Weiße Haus veranlasst hatten, Abrams zu Bushs Verbindungsmann mit der Regierung Scharon zu wählen. Wenn Bush jemanden gesucht hatte, mit dem sich Scharon komfortabel fühlen und Amerikas Juden befriedigen könnte, war Abrams die perfekte Wahl.

Die meisten kritischen Gespräche über die „Roadmap“ und die Abkoppelung von Gaza wurden zwischen Rice und Scharons politischem Chefunterhändler Dov Weisglass geführt. Abrams war stets mit von der Partie und war auch für die Unterstützung der Nahostpolitik der Bush-Administration durch die jüdische Gemeinschaft zuständig. Die Führer des US-Judentums bescheinigen ihm Professionalität und Takt. Die wohl logischste Erklärung für Abrams’ veränderte Haltung in Fragen des nahöstlichen Friedensprozesses liegt allerdings in seiner Loyalität und der Entschlossenheit, die Politik des Präsidenten zu verwirklichen. Abrams kam infolge seiner intensiven Beschäftigung mit dem Nahostkonflikt zur Ansicht, es liege im Interesse der USA, einen israelisch-palästinensischen Frieden zwecks Gewährleistung regionaler Stabilität zu erreichen. Schließlich spielte aber auch die Metamorphose Scharons eine bedeutende Rolle, den Abrams bewundert, den er mit Winston Churchill vergleicht und imstande hält – wie Churchill – Geschichte zu machen.

Bemerkenswert ist dabei, dass Abrams nicht nur von israelischen Diplomaten und pro-israelischen Aktivisten gelobt wird, sondern auch von arabischen Diplomaten und Nahostexperten, die – zusammen mit jüdischen Peaceniks – noch vor zwei Jahren über Abrams’ Berufung zum Chef der Nahostabteilung des Nationalen Sicherheitsrates entsetzt waren. Sie hatten nicht vergessen, dass Abrams 1991 in die illegale Finanzierung der nicaraguanischen Contras während der Reagan-Ära verwickelt und der Missachtung des Kongresses angeklagt war und einer ernsten Strafe entkam, weil er – zusammen mit fünf anderen Beamten – 1992 vom damaligen Präsidenten George H. W. Bush begnadigt worden war. Während der Clinton- Jahre hatte sich Abrams internen jüdischen Angelegenheiten gewidmet. Diese Affäre hindert seine Zukunftspläne bis heute.

Abrams möchte gerne US-Botschafter in Israel werden (die Schwester seiner Frau Rachel lebt in Israel), aber es ist fraglich, ob der Senat seine Kandidatur bestätigen würde, weil sein ursprüngliches Vergehen als „Missachtung des Kongresses“ klassifiziert worden war. Darüber hinaus würden Widersacher im Senat seine frühere Ablehnung des Friedensprozesses als Hindernis zum Geist der jahrelangen amerikanischen Vermittlungsversuche im Nahen Osten bezeichnen. Immerhin war Abrams zuvor ein Neokonservativer-Ideologe, der in den 70-er Jahren als Assistent des Erz-„Falken“ Henry Jackson, eines demokratischen Senators aus Washington, wirkte und sich schon damals für die Doktrin „Frieden durch Stärke“ eingesetzt hatte. Gemeint war natürlich amerikanische und israelische Stärke. Nach dem Ausbruch der zweiten Intifada im Oktober 2000 empfahl er den US-Juden nach einem Jahrzehnt des Selbstbetrugs die Wahrheit zu erkennen. Die palästinensische Führung will keinen Frieden mit Israel und es wird deshalb keinen Frieden geben. Nach seiner Wiederanheuerung durch die neue Bush-Administration akzeptierte Abrams aber die Roadmap und befürwortete einen Rückzug Israels aus großen Teilen der Westbank, um die Schaffung eines palästinensischen Staates zu ermöglichen.

Der Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern, wie die endgültige Beilegung des arabisch-israelischen Konfliktes, wird wahrscheinlich die Hauptaufgabe Abrams’ während der restlichen Jahre der Bush-Administration sein. Er wird eine zentrale Aufgabe beim Entwurf der Landkarte Israels und der Westbank haben, die Amerika akzeptieren kann. Israel wird in ihm einen Verbündeten bei der Verwirklichung des Scharon-Planes finden, die großen Siedlungsblöcke jenseits der „grünen Grenze“ von 1967 Israel anzuschließen und gegen jede feindliche Angriffe abzusichern.

Ben Zaka

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Spielball der Interessen

Schwere Vorwürfe gegen Joachim Gauck

Vor fünfzehn Jahren geschah etwas Einmaliges in der Weltgeschichte. Der Geheimdienst  einer Diktatur, der DDR-Diktatur, wurde durch das Volk ausgeschaltet. Die Archive  waren vom rebellierenden Volk gestürmt  und viele Geheimakten vor der Vernichtung bewahrt worden. Das war die Geburtsstunde  der Stasi-Unterlagenbehörde, der heute eine Repräsentantin der damaligen Demokratiebewegung,  Marianne Birthler, vom Bündnis 90/die Grünen, vorsteht.

Von Anfang an war diese Behörde, nach ihrem ersten Leiter Joachim Gauck auch Gauck-Behörde genannt, heftig umstritten. Wer Opfer und wer Täter sein sollte, konnte nicht immer eindeutig unterschieden werden. In den Medien erschienen ständig Berichte, die prominente Ostdeutsche diskreditieren sollten, obwohl es sich sehr oft selbst um Opfer handelte, die von der Stasi ohne ihr Wissen abgeschöpft worden waren. Karrieren wurden damit zerstört, sehr häufig sogar die Existenzgrundlagen vernichtet. Die Gauck- Behörde hatte bald selbst ein Stasi-Image, das eines Geheimdienstes, der Angst und Schrecken verbreitet und jederzeit ein vernichtendes Pamphlet in der Öffentlichkeit lancieren konnte.

Ehemalige Bürgerrechtler bringen diese Behörde sogar in die Nähe einer Selbstmordwelle in der ehemaligen DDR, der mehr als 100.000 Menschen nach der Wende zum Opfer gefallen sind. Wut und Verzweiflung herrschen bei vielen bis heute, wenn sie unschuldig zu Tätern gestempelt worden waren. Und das, so sagen sie, unter einem Behördenleiter, der selbst in DDR-Zeiten eine gewisse Nähe zur Stasi gehabt habe. Der sich noch 1988 über die Wichtigkeit der Staatssicherheit „beim Aufbau des Sozialismus“ geäußert habe und dessen persönliche Akte Lücken aufweise.

Es ist in der Tat nicht leicht sich des Eindrucks zu erwehren, es werde Klüngel-Politik betrieben. Ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, Hubertus Knabe, trat vor einiger Zeit gar vor einem CDU-Gremium auf, um dort über SPD-Politiker, deren Namen er nannte, Details aus deren Stasi-Akten zu erzählen, obwohl es sich mit ziemlicher Sicherheit um Opfer und nicht um Täter handelte.

Als es hingegen um den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl und die CDU-Spendenaffäre ging, war man plötzlich äußerst restriktiv. Der Verwaltungsgerichtshof urteilte schließlich, dass der Persönlichkeitsschutz Vorrang hätte. Es wäre vermutlich von großer politischer Tragweite gewesen, die Abhörprotokolle der Stasi auszuwerten, die über die Spendengebräuche des CDU-Chefs Auskunft gegeben hätten. Seit Gauck nicht mehr Behördenleiter ist, engagiert er sich für die „Erweiterung von NS-Gedenkstätten“. Was das bedeutet? Im Mai 2004 wurde in Torgau eine Gedenkstätte für die NS-Justizmorde um Opfer der DDR-Justiz erweitert. Zwei der mörderischen Haupttäter in der Endphase der Naziherrschaft, Biermann und Brake, waren nämlich in der DDR verurteilt und hingerichtet worden. Auf die empörten Proteste von NS-Opferverbänden (VVN-BdA) reagierte Gauck nur abfällig. Das sei der „Widerstand von Unaufgeklärten“.

Gauck wird deshalb immer häufiger die Gleichsetzung – und damit Verharmlosung – des NS-Verbrecherregimes mit der DDR-Diktatur vorgeworfen. In Frankfurt am Main wurde ihm kürzlich der Heinz Herbert Karry-Preis verliehen. Karry war Wirtschaftsminister in Hessen und 1981 ermordet worden. Sahra Brechtel nahm dies zum Anlass um klar zu machen: „Joachim Gauck steht beispielhaft für die aus der Mitte der Gesellschaft betriebene Umdeutung der deutschen Geschichte. Diese bereitet erst den Boden für die Aktivitäten der rechtsextremen NPD und deren Gerede vom ,Bombenholocaust‘.“

Wie zwiespältig der Umgang der Behörde mit deutscher Geschichte ist, zeigt sich nicht nur an Gauck und einigen rechtskonservativen Mitarbeitern, sondern auch am Umgang mit Unterlagen der Stasi aus der NS-Zeit. Die Stasi hatte in der Hauptabteilung 9 die Akten des Reichssicherheitshauptamtes, verschiedener Ministerien und eine gigantischen Menge an Originaldokumenten anderer NS-Stellen gehortet. Das war „Herrschaftswissen“, wie es unter Eingeweihten heißt, damit konnte in Westdeutschland Politik gemacht, aber auch Stasi-Agenten „angeworben“ werden,indem man sie erpresste. Tatsächlich trug diese Stasi-Gruppe dazu bei, dass einer Reihe von NS-Verbrechern das Handwerk gelegt werden konnte. Viele hatten es sich nämlich im bundesdeutschen Wirtschaftswunder schon wieder bequem gemacht.

Wo sind die Akten dieser Hauptabteilung heute?

Unter Gauck ist da viel herumsortiertworden, einige Historiker bekamen auch Zugang und sogar Yad Vashem wurde höflich eingelassen. Aber wirklich zugänglich ist nur der Großteil des Aktenbestandes im Bundesarchiv. Selbst da ist manches gesperrt oder inzwischen verschwunden, aber bei derStasi-Behörde, wo jene NS-Unterlagen verblieben, die zu „Vorgängen“ des MfS geführt hatten, kümmert man sich auffallend wenig um diese Unterlagen. In der Zeit von Gauck so gut wie überhaupt nicht möglicherweise habe man, soist zu hören, diverse Originalunterlagen an deutsche Geheimdienste weitergegeben, die ja bekannt dafür sind, dass sie besonders große Anstrengungen unternehmen, um die Öffentlichkeit wahrheitsgemäß zu informieren.

Unter der Leitung von Marianne Birthler hat sich einiges verbessert, aber der Umgang mit dem NS-Material bleibt ein Mysterium.Der österreichische Journalist Burkhart List hatte eine Forschungsarbeit beantragt, in der eine deutsche Universität und eine angeschlossene Uni-Klinik im Mittelpunkt stehen. Die Klinik galt bis lange in die Nachkriegszeit als SS-Klinik, weil berüchtigte SS-Ärzte dort wieder arbeiten konnten. List will diese Kontinuität aufarbeiten und den Hinweisen nachgehen, dass die Stasi ihre Hände im Spiel gehabt habe. Der Journalist erhoffte sich vonder Birthler-Behörde Unterstützung. Das Projekt wurde jedoch schon zu Beginn mit bürokratischen Tricks behindert. Man könne nur Unterlagen von Personen erheben, deren genaue Geburtsdaten man habe, hieß es, nachdem zunächst nur die Geburtsjahre nötig waren. List fragte schließlich schriftlich, inwieweit und ob die Personengruppe, auf die sich das Forschungsprojekt beziehe, informiert worden sei, obwohl die Personen ja noch nicht ausgeforscht sein konnten, weil doch die Geburtsdaten fehlten... Er bekam nie eine Antwort.

Hans Steiner

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Eröffnung des Herzl-Museums in Jerusalem

Geburtstag Theodor Herzls wird zum Herzl-Tag

Theodor Herzl, lange Zeit in Israel zwar als Gründungsvater verehrt, aber das Volk und vor allem die Jugend in Israel wissen außer dem Namen nicht viel von seinem Wirken und seiner Persönlichkeit. Dies soll nun anders werden: Ein Herzl-Tag und ein neues, modern gestaltetes Museum sollen nun Pionierleistungen Herzls hervorheben.

Auf dem Herzl-Berg in Jerusalem, wo Theodor Herzl (1860-1904) begraben ist, steht auch das Museum, das mit seiner Wiedereinweihung in diesem Frühling den großen Visionär des jüdischen Staates zu neuem virtuellen Leben erweckt. Das von der World Zionist Organisation geführte und in Zusammenarbeit mit dem israelischen Ministerium für Erziehung, Kultur und Sport und der Jerusalem Foundation errichtete Herzl-Museum konnte dank großzügiger Unterstützung aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und den Vereinigten Staaten umfassend renoviert und zu einem modernen multimedialen Museum umgebaut werden. Die feierliche Einweihung am 19. Mai 2005, die sowohl im Inland als auch über die Grenzen des Landes hinaus große Aufmerksamkeit auf sich zog, bezeichnete, entsprechend einem Beschluss der Knesset, des israelischen Parlamentes, den ersten offiziellen „Herzl Tag“ in Israel. Von nun an wird dieser Feiertag alljährlich am 10. Iyar, dem jüdischen Geburtstag Theodor Herzls, begangen werden. Österreich wurde an diesem Tag durch Staatssekretär Franz Morak vertreten, der mit einer beachtlichen Delegation aus Kultur und Politik nach Jerusalem angereist war.

In seiner Rede warnte Kunststaatssekretär Franz Morak, die Geschichte zu vergessen. Der Journalist Theodor Herzl solle uns Mahnung und Auftrag sein, Herzl solle uns mahnen, die gemeinsame Geschichte und ihre „tragischen Verirrungen“ nie zu vergessen. Herzl solle auch als Auftrag dienen, die Augen offen zu halten für jede Form von Antisemitismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. Damit könne man an der „Vision von einer besseren Zukunft, die allen Menschen Frieden und Glück garantiert“, bauen, meinte Morak bei der Staatsfeier in Jerusalem.

J.N.

Lesen Sie den gesamten Artikel in der aktuellen Nummer der INW

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Eine Ehrenbürgerin der Zivilgesellschaft

Zum 80. Geburtstag von Erika Weinzierl

E.Weinzierl

Die Shoah, der millionenfache Mord und die Vertreibung von Millionen Menschen als zentrales, das 20. Jahrhundert prägendes Ereignis sollte Erika Weinzierls wissenschaftliches Schaffen und öffentliches Wirken wesentlich beeinflussen und letztlich die öffentliche Perzeption von ihr prägen, wobei – wie ich noch zeigen werde – sie zunehmend als eine kritische Stimme zur umfassenden und offeneren Auseinandersetzung in der Zeitgeschichte gerade in der jeweiligen Gegenwart im öffentlich Raum erfahren wurde.

In diesem Sinne schreibe ich stellvertretend für eine zweite Generation von Historikern und Historikerinnen, die sie sehr wesentlich in den Zugängen und der Interpretation, aber auch der öffentlichen Umsetzung von Zeitgeschichte beeinflusst hat.

In dem Schlüsseljahr für die österreichische Geschichte – 1938 – war sie 13 Jahre alt und wurde, geprägt und gegen den Rassismus und Antisemitismus immunisiert von einem zutiefst humanistischen Vater, Otto Fischer, einem sozialdemokratisch gesinnten Lehrer, und ihrer Mutter Maria, die als Tochter eines hochrangigen Offiziers auch nach 1918 in der Habsburger- Monarchie verankert blieb. Neben dieser politischen Sozialisation prägend war sicherlich auch das Faktum, dass beide Elternteile als Lehrer einen permanenten pädagogischen Umsetzungsanspruch setzen – etwas, was Erika Weinzierl in ihrer Lehr-, Vortrags- und Medienarbeit zur Perfektion gebracht hat und auch heute noch immer wieder nach ihrer Emeritierung als Universitätsprofessorin unter Beweis stellt.

Nach 1945 begann sie auf ihre Weise die belastenden persönlichen Erlebnisse 1938- 1945 zu verarbeiten – die Verfolgung und letztlich Vertreibung von Mitschülerinnen, die von einer rassistischen Doktorin verfolgt wurden, oder die Bilder an einem trüben Novembertag, als sie Zeugin wurde, wie auf einem Viehlastwagen, dichtgedrängt, Juden und Jüdinnen, in Richtung Bahnhof zur Deportation in die NS-Vernichtungslager gebracht wurden.

Rückblickend stellte sie daher völlig zu Recht 1998 fest: Die Wiener haben die Köpfe gesenkt und haben gemurmelt. Da bringen sie jetzt die Juden wieder in den Osten. Dass dort irgend etwas nicht stimmt, das hat man gewusst.

Und Erika Weinzierl war nicht allein – diese Bilder haben viele in diesem Land in ihrem kollektiven Gedächtnis abgespeichert, aber nur wenige haben nach 1945 wie Erika Weinzierl versucht, dieser menschlichen Katastrophe, die Europa und letztlich auch große Teile des Globus in das Verderben gestürzt hat, historisch zu reflektieren und die Wurzeln dieses Vernichtungs- und Zerstörungstriebs offen zu legen und in gewisser Weise einer neuerlichen Katastrophe durch entsprechendes politisches Bewusstsein vorzubeugen.

Um es klar zu machen – Erika Weinzierl hält nichts von einer Kollektivschuldthese, aber sehr wohl von der für die Gegenwart wichtigen kollektiven Verantwortung. In diesem Sinne hat sie sich sehr früh mit dem Antisemitismus auseinandergesetzt, da sie – und hier wird sie zunehmend von anderen HistorikernInnen und Geistes- beziehunsweise KulturwissenschaftlerInnen unterstützt – davon überzeugt ist, dass die Shoah begonnen hat mit Ideologien und Religion, die in Fanatismus ausgeartet sind.

Noch immer gibt es zwei unterschiedliche Narrative und Erinnerungen an den Zeitraum 1938-1945, und gerade in dieser Auseinandersetzung hat die Jubilarin Großartiges geleistet – und sie hat es sich nicht leicht gemacht. Gut kann ich mich an den Wirbel erinnern, als Erika Weinzierl erklärte, dass Kurt Waldheim – trotz allem – kein Kriegsverbrecher war – und sie sollte Recht behalten. Geschichte kann und soll keine einfachen und bequemen Erklärungsmuster liefern, auch wenn in all ihrem Schaffen die Opfer des Antisemitismus und Nationalsozialismus immer im Zentrum gestanden, aber auch jene, die Widerstand geleistet haben wie die Ordensschwester Helene Kafka oder Franz Jägerstätter, dem oberösterreichischen Bauern und Mesner, der den Eid auf Adolf Hitler verweigert hatte und hingerichtet worden war.

Schon 1947 hatte Erika Weinzierl vergeblich versucht, den damaligen Bischof von Linz dazu zu bewegen, diesen Widerstand auch seitens der katholischen Kirche zu würdigen. Doch damals überlagerten die Narrative der Kriegsgefangenschaft, Wehrmachtsgefallenen und Bombenopfer, die „quantitativ“ kleine, oder in der Qualität und Beispielswirkung höchst wichtige Geschichte der Widerstandskämpfer. In Büchern wie „Zuwenig Gerechte. Österreicher und Judenverfolgung“, das übrigens auch mehrfach aufgelegt worden ist, und zahllosen Artikeln, Interviews und Vorträgen hat Erika Weinzierl aber immer diesen für die Mehrheit der Dabeigestandenen, Mitläufer und Täter unbequemen Erinnerungsort wach gehalten und sich zunehmend auch eine Stimme in der öffentlichen Debatte verschafft, und einen Platz im kollektiven Gedächtnis künftiger Generationen gesichert.

Lesen Sie den gesamten Artikel von Univ.-Prof. Oliver Rathkolb, Leiter des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Europäische Geschichte und Öffentichkeit, in der aktuellen Ausgabe der INW.

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Achtzig Jahre jung

Doron Rabinovici zum Geburtstag von Ari Rath

In Österreich wurde der 80. Geburtstag von Ari Rath, dem ehemaligen Chefredakteur der Jerusalem Post, mit einer Verspätung von fünf Monaten gefeiert. Die Präsentation eines filmischen Porträts des Israelis, dessen Wurzeln in Wien liegen, gestaltete sich zu einer berührenden Feier. Der Film „A Life of Many Lives“ von Helga Embacher und Hannes Klein konnte nur einen Teil der zahlreichen Facetten in Raths Leben aufzeigen. Sehr behutsam geht er auf die traumatischen Ereignisses in seiner Biographie ein, den Tod der Mutter, die Vertreibung aus Wien und den Verlust der Heimat. Gleichzeitig entsteht das Bild eines aktiven, kommunikationsfreudigen und empfindsamen Menschen, der mit viel Elan sein Leben meistert. Als Überraschung des Abends überreichte Stadtrat Mailath Pokorny dem Jubilar den goldenen Rathausmann.

Lieber Ari, meine Damen und Herren!

Ari Ratah

Bekanntlich glauben Antisemiten, Juden seien fürchterlich gescheit, würden sich in schrecklich vielen Ländern auskennen, hätten überall hin ungeheure Kontakte, würden Zeitungen beherrschen, verfügten allerorten über Freunde, wären in mehreren Sprachen gleichermaßen zuhause und würden darüber hinaus eine unheimliche Faszination auf viele schöne Frauen ausüben. Nun, zumindest in Bezug auf Ari Rath haben sie nicht so ganz Unrecht. Aber statt für seine Fähigkeiten verachtet zu werden, wird Ari Rath geliebt, und ich kenne niemanden, der mit Missgunst und Neid auf ihn schaut. Es ist, als würden sich bei ihm alle freuen, was für ein Glücksfall er ist.

Was ist das Geheimnis von Ari Rath, das alle Menschen, Frauen und Männer, die ich kenne, auflächeln lässt, wenn sein Name fällt. Denn nicht nur ist er a life of many lives, nicht bloß führt er, der gebürtige Wiener und geborene Journalist, der Pionierheld und Friedensstreiter, ein Leben vieler Leben, sondern mich erstaunt, dass in jedem dieser einzelnen Leben wiederum so viel an Leben, dass mithin Ari, dieser Lebemann in jeder Hinsicht, so voller Leben steckt. Wobei Ari diese Kraft nicht etwa für sich hortet, vielmehr geht, nein, rast dieser achtzigjährige Jugendliche durch die Welt und verleiht seine Kraft an alle anderen, verteilt sie auf verschiedene Kontinente.

Ich erinnere mich an seine Auftritte im Zuge der Waldheim-Affaire. Er nannte die Dinge beim Namen, sprach aus, welchen Antisemitismus er bereits vor dem sogenannten Anschluss verspürt hatte, aber ebenso verschwieg er nicht, was ihn an der österreichischen Gegenwart störte. Er kam von außen und konnte es den Lügnern deshalb um so besser hineinsagen. Merkwürdigerweise wurde er deshalb nicht gehasst, sondern auch noch geachtet. Er wurde nicht zum Jüd Süß, gab nicht den süßen Juden, aber ebensowenig den verbitterten. An seiner Haltung war so viel an Würde und Offenheit, an Klarsicht und Verständnis zugleich. Er stellte einen dar, der die Vertreibung in seinen Triumphin einen Aufstieg, eine Aliah verwandelt hatte, und der nicht darauf hoffte, als Wiener vereinnahmt zu werden.

Rath mit Produktionsteam
Filmteam – Embacher, Rath, Rothauer,
Klein – vor der Mauer in Jerusalem

Ari lässt mich an eine Szene aus dem Jahr 38 denken, auf die ich bei meinen historischen Studien gestoßen bin. Auf dem Südbahnhof trifft eine Gruppe zionistischer Jugendlicher ein, die nach Palästina fahren. Unter den Augen der Gestapo und der SS treten sie zum Appell an. Rudolf Lange, Adolf Eichmann und Erich Rajakowitsch sind dabei und schauen zu. Ein Leiter der Jugendbewegung hält eine Rede, daraufhin Schweigen, bis ein Laut, ein Lied zu hören ist. Ein Mädchen beginnt die Hymne, die Hatikva, was auf Deutsch nichts als Hoffnung heißt, in Hebräisch zu singen, und mitten im nationalsozialistischen Wien schwillt der Gesang an zu einem vielstimmigen Chor.

Ari gehört zu jenen, die als Jugendliche Österreich verließen und imstande waren, nicht bloß zu überleben, sondern sich von der Schmach der Verfolgung zu befreien. Dabei verfiel er aber nie einem blinden Dogmatismus. Auf seinen Durchblick ist Verlass, wenn es darum geht, gegen Ressentiment und Hetze aufzutreten. Deswegen hatte ich von ihm und seiner humanistischen Liberalität als Chefredakteur der Jerusalem Post, und zwar als sie noch eine gute Zeitung war, bereits gehört, ehe ich ihn traf. Er ist, um es trittsicher und salopp, ja, sportlich auszudrücken, der Libero in der Auseinandersetzung mit dem rassistischen Populismus und dem antisemitischen Boulevard hierzulande. Aber er ist ebenso ein Garant gegen den Chauvinismus und die Kriegstreiberei im Nahen Osten, ein Repräsentant eines offenen, eines modernen und säkularen Israel.

Vielleicht ist einer der Gründe, weshalb unterschiedlichste Menschen zu lächeln beginnen, wenn sie von Ari Rath hören, dass er trotz aller Enttäuschungen und Bitternisse, die er in Europa und im Orient erlebte, dennoch nie die Hoffnung auf Frieden, Menschenrechte und Demokratie verlor, und dass er Mut macht zur Zivilcourage. Sagen wir es mit dem wohl unvermeidlichen Kalauer: Kommt Ari, kommt Rath. Es mag manchmal scheinen, dass wir keine Chance auf eine Verbesserung sehen hier und dort, aber dann rufen wir Ari und der weiß, die Situation in Israel ist ernst, aber nicht hoffnungslos, und jene in Österreich zwar hoffnungslos, aber nicht ernst. Das Wichtigste an Ari ist allerdings nichts Politisches, sondern dass er jeweils in jedem seiner vielen Leben uns immer wieder ein Freund und ein Mensch ist, wie es ihn eigentlich einmal nur geben kann.

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Elias' Welt

Viele Bücher und eine Ausstellung erinnern an den Schriftsteller Elias Canetti 1905–1994

Deutsch bin ich in meiner Aufgeblasenheit, jüdisch in meiner Rechthaberei, spanisch in meinem Stolz, türkisch in meiner Faulheit, wo könnte ich noch ein paar gute Eigenschaften holen?

Elias Canetti über Elias Canetti.

canetti portrait
Canetti, Zürich 1977

Doch wer nun glaubt, das Wesen des Literaturnobelpreisträgers damit auch nur ansatzweise erfasst zu haben, der irrt sich gewaltig. Die Persönlichkeit des 1905 im bulgarischen Rustschuk geborenen und 1994 in Zürich verstorbenen Schriftstellers war ungleich komplexer und vielschichtiger, schließlich hat sich Canetti mit Büchern wie „Masse und Macht“ auch als Anthropologe und Sozialhistoriker einen Namen gemacht. Dies beweist die Lektüre der allerersten Biographie, die nun pünktlich zu seinem einhundertsten Geburtstag erschienen ist.

Der Versuch, die Lebensgeschichte von Elias Canetti nachzuzeichnen, ist kein einfaches Unterfangen. Denn wenn es um das Bild ging, das die Nachwelt von ihm haben sollte, war er eine Art Controlfreak. Das betont ihr Autor, der Literaturwissenschaftler Sven Hanuschek, bereits im Vorwort. So hatte Canetti testamentarisch verfügt, dass in den ersten zehn Jahren nach seinem Tod keine Biographie erscheinen darf. Auch sind Teile seines Nachlasses, den er der Zentralbibliothek Zürich vermacht hatte, weiterhin bis zum Jahre 2024 für die Forschung gesperrt. Erschwerend kommt ferner hinzu, dass sich Canetti seinen literarischen Ruhm ausgerechnet mit einer dreiteiligen Autobiographie erworben hat.

All das weiß auch Hanuschek. Er hat einige Anstrengungen unternommen, gar nicht zum Thema einer Biographie gewählt zu werden. Canetti, der Biographien als Lesestoff durchaus zu schätzen wusste, hatte wohl Angst, plötzlich als geheimnislos und perfekt durchschaubar dazustehen. Deshalb macht Hanuschek seinen LeserInnen von Vornherein klar, dass sein Buch kein „abgerundetes Bild dieses Autors“ präsentieren kann, sondern allenfalls „Facetten“.

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Im Mittelpunkt steht der Kosmopolit Elias Canetti, der in Bulgarien, England, Österreich, der Schweiz und in Deutschland aufwuchs und als Kind bereits Ladino, Englisch und Französisch sprach. Prägend nennt Hanuschek die mit dominant noch schmeichelhaft zu nennende Mutter. Unter ihrer „Diktatur“ lernte der junge Elias innerhalb von nur drei Monaten Deutsch – jene Sprache, in der er später seine Bücher schrieb und der er zeit seines Lebens treu blieb. Aber auch sein Verhältnis zum Judentum wird beleuchtet, wobei immer wieder zum Ausdruck kommt, dass sich Elias Canetti aus zwei Perspektiven heraus definierte: Als sephardischer Jude und als deutscher Schriftsteller. Insbesondere die Flucht vor den Nazis nach England sah Canetti als eine Anknüpfung an die jüdische Geschichte, die sich für ihn als eine jahrhundertealte Wanderschaft im Exil darstellte. Wie Hanuschek aufzeigt, sind Canettis Aufzeichnungen dazu nicht ganz unproblematisch: Ich habe meine Freunde verachtet, wenn sie sich aus den Lockungen der vielen Völker losrissen und blind wieder zu Juden, einfach Juden wurden. Insbesondere die Rolle der Shoah in Canettis Denken bewertet Hanuschek als „seltsam unterrepräsentiert”. Er versucht ein Erklärungsmodell zu liefern, warum sich Canetti nur sehr spärlich dazu äußerte: Im Zusammenhang mit dem Kosovo- Krieg Anfang der neunziger Jahre entwickelte er ein totemistisches Verhältnis zu dem Wort Genozid; Analogien zu Holocaust oder Shoah liegen nahe.

Das Problem bei dieser kryptischen Deutung: Der Kosovo-Krieg fand 1999 statt, da war Canetti aber schon fünf Jahre tot.

Und so tun sich gelegentlich in der Biographie einige Schwachstellen auf. Will man als Leser wirklich wissen, dass Canettis Schülerin Friedl Benedikt der gleichfalls mit ihm bekannten Dichterin Stevie Smith eine neue weiße Seidenbluse geschenkt hat? Oder ob im englischen Grimdells Corner „ein Baum am Straßenrand noch Canettis ansichtig gewesen sein“ könnte? Manchmal ist es einfach zuviel des Guten und die Biographie wirkt merkwürdig aufgeblasen.

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Aus einer ganz besonderen Perspektive betrachtet Penka Angelova die Person Elias Canetti. Die Autorin hat dabei weniger den Literaten als vielmehr den Sozialhistoriker und Anthropologen im Blickfeld. Ausgehend von Canettis Buch „Masse und Macht“ filtert sie sein mythisches Denken heraus und analysiert das Werk unter den Vorzeichen des Widerstandes gegen die Herrschaft des Todes in der modernen Welt. „Was ihn interessiert, ist nicht, den Tod der Juden, der Kommunisten oder den von Minoritäten zu befeinden, sondern den Tod als Feind des Menschen und der Menschheit, nach den Wurzeln jener Strukturen zu fragen, die den Tod produzieren und reproduzieren.“ Penkova verlässt dabei die Grenzen der Literaturwissenschaft und greift Diskurse aus der Philosophie, der Psychologie und der Geschichtsforschung auf, wie zum Beispiel den Historikerstreit. Ihr Fazit: Wenn es tatsächlich einen Dichter gäbe, der eine menschheitliche Gesinnung, frei von jeglichen nationalen, klassenmäßigen oder ethnischen Vorurteilen vertritt, dann ist es zweifelsohne Elias Canetti.

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Einen optischen Zugang zur Person Elias Canetti hat Kristian Wachinger gewählt. Nachdem er bereitsden letzten Canetti-Band ("Party im Blitz", Hanser) mit Bildern ausgestattet hat, is nun sein aufwändig und mit viel Liebe zum Detail gestalteter Bildband erschienen, der familiäre Studiofotos, Schnappschüsse aus dem Freundeskreis sowie Porträts seiner Geliebten und Ehefrauen mit Texten von und über Canetti verknüpft. Chronologisch werden darin die Stationen eines Jahrhundertslebens aufgeführt: Bulgarien, England, Österreich, Schweiz, Deutschland und Marokko – Wachinger zeigt alle Orte, an denen Elias Canetti freiwillig und manchmal nicht ganz freiwillig lebte.

Zudem lernt die Leserin den Kosmos bekannter und weniger bekannter Künstler und Intellektueller kennen, in dem sich der Literaturnobelpreisträger bewegte.

Ein Buch, das nicht nur ein Muss für alle ist, die mit Canettis Lebenswerk vertraut sind, sondern sich darüber hinaus wunderbar als Einstieg eignet, sich überhaupt mit ihm zu beschäftigen.

R. Balke

Sven Hanuschek: Elias Canetti, Hanser , 2005, 768 S., € 30,80.

Penka Angelova: Elias Canetti – Spuren zum mythischen Denken, Zsolnay, 2005, 318 S., € 26,70

Kristian Wachinger: Canetti – Bilder aus seinem Leben, Hanser, 2005, 176 S., € 25,60.

Mehr Informationen zu Büchern von und über Elias Canetti auf www.elias-canetti.de/

Im Jüdischen Museum Wien ist ab 24. Juli die Canetti-Ausstellung "Das Jahrhundert an der Gurgel packen" zu sehen.

Am 27. September spricht der Germanist Sven Hanuschek über die Entstehunsgeschichte der von ihm verfassten (1.) Biographie über Elias Canetti. Vortrag und Lesung finden im Literaturhaus, Zieglergasse 26 A, 1070 Wien statt. 19 Uhr, freier Eintritt.

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Moadon stellt sich vor

www.moadon.at/

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Das war eine wunderbare jüdische Veranstaltung!“, „Vielen Dank für die Einladung, ihr habt es super organisiert!“, oder „Toll gemacht, ich war so froh wieder alte Bekannte getroffen zu haben!“

Das waren nur einige der vielen positiven Meldungen, die wir nach unserer Purimfeier erhielten. Meldungen, die ihren Weg zu uns von allen Seiten her fanden, egal aus welchen ideologischen Lagern unserer Gemeinde. Offensichtlich ist die Sehnsucht nach einer unpolitischen, unreligiösen und rein gemeinschaftlichen Organisation, die sich auf 25–35-jährige junggebliebene Jüdinnen und Juden konzentriert, noch immer unbefriedigt.

Wir begannen schon voriges Jahr unsere Organisation neu zu definieren und umzustrukturieren, um einer größer werdenden Nachfrage seitens der junggebliebenen Gemeindemitglieder entgegenzukommen. Seit Herbst 2003 streben wir eine neue Strategie an, indem wir mindestens zweimal im Monat etwas im freizeitlichen, gesellschaftlichen, sozialen, kulturellen oder sportlichen Bereich sowie einmal jährlich ein bis zwei Städteausflüge und ein Ski-Seminar organisieren, insgesamt mindestens 27 Events pro Jahr.

Auch engere Kooperationen mit internationalen Organisationen und die Teilnahme an deren Seminaren planen wir. Hierbei ist es uns wichtig, die Anliegen unserer Mitglieder in unseren Tätigkeitsschwerpunkten mit einzubinden. Wir legen Wert darauf, dass unsere Mitglieder aktive Beiträge und Vorschläge sowie Mitarbeit bei unseren Projekten einbringen können. Diesen partizipativen Aspekt unserer Neuausrichtung haben wir sodann mit der Erstellung eines Fragebogens verwirklicht. Ziel war es, Wünsche und Beschwerden unserer Mitglieder zu sammeln, sowie ihre Vorlieben und Interessen kennen zu lernen. Ins Internet gestellt und publik gemacht, bekamen wir nach zwei Wochen eine Menge an wertvollen Informationen von und über unsere Mitglieder, die wir in die Konzeption und Ausrichtung unserer Aktivitäten für das begonnene neue Jahr miteinbezogen.

Der Fragebogen wird weiterhin auf unserer Internetseite abrufbar sein und wir bitten jene in unserer Zielgruppe, die den Fragebogen noch nicht ausgefüllt haben sollten, sich die wenigen Minuten zu nehmen, ihre Gedanken und Ideen mit einfließen zu lassen.

Wofür stehen wir nun? Für eine jüdische Identitätsstiftung durch Schaffung einer modernen, interaktiven und gleichzeitig den Traditionen treuen Plattform. Für die Förderung des Zusammenhalts und der Motivation zu gemeinschaftlichen Aktivitäten. Wir sind ein Treffpunkt der Kommunikation, möchten jüdische Kultur weitervermitteln, einen Rahmen gewähren um leichter jüdische Freunde zu finden, einander besser kennen zu lernen, Kontakte aufrecht zu erhalten und Werte und Traditionen zusammenzuführen. Und, wir wollen in angenehmer jüdischer Atmosphäre auch einfach nur Spaß miteinander haben.

Selbstverständlich ist uns die Aktivierung von Nachwuchsführungskräften für die Gemeinde und weiteren jüdischen Institutionen in Wien ein ebenso wichtiges Anliegen.

Unserem Vorstand ist ein Mitarbeiterstab beigefügt. Dieser besteht derzeit aus sieben Personen und hat schon einige tolle Events veranstaltet, sowie für die nahe Zukunft vorbereitet. Wir sind immer auf der Suche nach neuen, aktiven Mitgliedern und freuen uns über eine Kontaktaufnahme .

SiSe

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belauscht & beobachtet

INW-Adabei

Retzer Stadtmauer

Das Festival Retz öffnet vom 30. Juni bis 10. Juli erstmals den Vorhang für Musik, Oper und Literatur aus Österreich und Tschechien. Intendantin ist die in Wien lebende kanadische Kulturmanagerin Kim Gaynor. Künstlerische BeraterInnen der Festspiele „Musik und Literatur – Offene Grenzen“ sind die beiden AutorInnen Silke Hassler und Peter Turrini sowie Volksoperndirektor Rudolf Berger. Ziel des Festivals ist es, Dialoge unterschiedlichster Art anzuregen und Grenzen zu öffnen: zwischen Kunst und Natur, zwischen Österreich und Tschechien sowie zwischen Literatur und Musik, wobei die scheinbaren Trennlinien zwischen diesen beiden künstlerischen Ausdrucksformen fließend und durchlässig sind. Einige Highlights sind die prominent besetzte Eröffnung des Festival durch den ehemaligen tschechischen Präsidenten Václav Havel und den amtierenden österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer, die aus Havels Werken lesen. Im Rahmen der Veranstaltung „Kunst als Hoffnung – Literatur und Musik aus Theresienstadt“ liest Christoph Wagner-Trenkwitz aus Zeugnissen und Briefen aus Theresienstadt (2., 8., 10.Juli). Die Lesung wird ergänzt durch die Aufführung der Oper „Der Kaiser von Atlantis oder Die Tod-Verweigerung“, die Viktor Ullmann als Häftling in Theresienstadt komponiert hat. Der Text stammt von Petr Kein.

Robert Menasse präsentiert unveröffentlichte Erzählungen und Gedichte unter dem Titel „Die Hölle und die Liebe“, und die Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger liest aus den neuesten Geschichten von Mini. Auch das sinfonische Blasorchester der Musikschule Retz unter der Leitung von Gerhard Forman ist Teil der Veranstaltung. Ergänzt wird das Festival durch Wanderungen zum Heiligen Stein oder entlang der Stadtmauer. Eine Führung durch den Retzer Erlebniskeller, einem unterirdischen Labyrinth mit dem größten historischen Weinkeller Österreichs, macht mit der Jahrhunderte alten Weintradition bekannt. Für die Veranstaltungsreihe wurde ein eigener Festival-Wein kreiert, und der Retzbacherhof tischt ein Festival-Menü in drei Gängen auf. Ein Event mit einem vielschichtigen Programm für jeden Geschmack; ein hochkarätiges Literatur-, Musik- und Opernprogramm mit international renommierten Kunstschaffenden mit spannenden Begleitveranstaltungen, welche die gesamte Region miteinbinden.

Meisterwerke der Kunstgeschichte sind allgemein bekannt. Sie befinden sich nicht nur im Museum, sondern auch auf Kaffeetassen auf dem Frühstückstisch oder auf Tüchern und T-Shirts.

Waske:Hommage an Duerer
Mathias Waske: Hommage an Dürer,
2000, Kohlezeichnung
© VBK Wien/Mathias Waske, 2005

Der Münchner Maler Mathias Waske greift wieder auf die Alltagskultur zurück und verbindet sie mit alten Meistern, wenn er beispielsweise einer Madonna mit Kind eine Coca Cola- Flasche in die Hand malt. Waske setzt sich ironisch und parodistisch mit dem Kunstbetrieb, der eigenen Klientel und den Kollegen auseinander. Vorder- und Hintergrund spielen eine bedeutende Rolle, denn „vor dem Hintergrund des Alten entwickelt, verfremdet, verändert, verwandelt, karikiert und enträtselt sich das Heutige.“ Waske verbindet mit Witz Historisches mit gegenwärtigen Elementen. Eine Sammlerfamilie sitzt vor einem Bild von Fernand Léger, wobei die Personen im Malstil Légers gestaltet sind. Caravaggios Bacchus nimmt der Künstler als Vorbild für ein Selbstporträt. Die verschiedenen Kunststile der Vergangenheit kopiert Waske perfekt, wobei ironische Elemente diese Bilder wiederum in die Gegenwart versetzen. Es sind Bilder, die zum Lachen oder zumindest zum Lächeln anregen, obwohl einige sexistische Abbildungen von Frauen sind und andere an der Grenze zwischen Kunst und Kitsch angesiedelt sind.

Im Mai wurde an den in Paris lebenden Schriftsteller Georg Stefan Trollerder Theodor-Kramer-Preis 2005 für Schreiben im Widerstand und im Exil verliehen. Troller, für seine Fernsehdokumentationen und Drehbücher wiederholt ausgezeichnet, wurde damit erstmals für sein umfangreiches literarisches Werk geehrt. Der Schriftsteller, 1921 in Wien geboren, flüchtete 1938 in die Tschechoslowakei und ein Jahr später nach Frankreich, wo er als feindlicher Ausländer interniert wurde. 1941 gelangte er nach neuerlicher Internierung in Casablanca nach New York. Nach dem Krieg kehrte er nach Europa zurück und studierte in Wien und Paris Theaterwissenschaft. Troller setzt sich in seinem literarischen Werk mit dem Exil und den österreichischen Nachkriegsentwicklungen auseinander.

Kinderzeichnung

Das Wiener Stadt- und Landesarchiv (Gasometer D, 4. Archivgeschoss, Guglgasse, 1110 Wien) zeigt noch bis zum 12. August eine Ausstellung über Kindereuthanasie in Wien 1940-1945 – Krankengeschichten als Zeugen. 1940 wurde auf der heutigen Baumgartner Höhe die Kinderfachabteilung „Am Spiegelgrund“ zur Tötung behinderter Kinder eingerichtet. Unter dem Deckmantel der wissenschaftlichen Forschung wurden diese Kinder für medizinische Experimente missbraucht. Als einzige Information über die Kinder haben sich oft nur Krankengeschichten erhalten, die der 1945 angeordneten Vernichtung entgingen. Das Wiener Stadt- und Landesarchiv übernahm 2001 die noch erhaltenen Krankengeschichten zur Aufbewahrung.

Die Wanderausstellung „Herzenschrei – Das Kind im Blick der Künste“ zeigt über 100 Werke, die das Kind in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen. Die von INW-Mitarbeiterin Gabriela Nagler mitorganisierte Schau zeigt die Sicht österreichischer und ungarischer KünstlerInnen, wie Anton Kolig, Albert Paris Gütersloh, Oskar Kokoschka, Frigyes König, Gudrun Kampl oder Renate Bertlmann, in die Kinderseele. Steht zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch der Blick von außen auf das Kind im Vordergrund, so überwiegt im Laufe der Jahrzehnte die Introspektion. Die eindrucksvolle Ausstellung ist in die Themenbereiche (Selbst- )Reflexion, Charaktere, Gesellschaftliches Umfeld, Vater und Kind, Freude und Spiel, Leid und Schmerz sowie Verwandlung aufgeteilt. (29. 6.–11. 9. Alpen Adria Galerie/Kärnten, 15. 7.–21. 8. Schüttkasten/ Allentsteig, November-Dezember Frauenbad/Baden, Jänner-Februar Heiligenkreuzerhof/ Wien).

INW-Adabei 

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Letzte Änderung: 03.01.2012
Webmeisterin+Redaktion: Mag. Ditta Rudle
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