"Bröckelnde Buchstaben" nennt
die israelische Künstlerin
Ora Abrahami eine Serie, deren
Titelblatt auch die
Neujahrsausgabe der Neuen Welt
schmückt. Gemäss der Kabbala
birgt das Geheimnis der
Buchstaben das Geheimnis der
ganzen Welt.
Die israelische Politik findet ihre Arme und Beine nicht mehr. Mit seinem Entkopplungsplan hat Premierminister Ariel Scharon nicht nur das Diktum aller Nahostfriedenspläne ungültig gemacht, dass Israel Land nur für Friedensverträge aufgibt. Scharon hat gleichzeitig alle bekannten Parameter der Innenpolitik zerschlagen, die Übermacht der Siedlerbewegung erwies sich als Mythos, die politischen Trennlinien, die bisher das politische Spektrum säuberlich in Rechts, Links und Mitte aufteilten, wurden von Scharon bis zur Unkenntlichkeit verwischt und noch nicht von neuem gezogen. So wird Israel das Wahljahr 2006 mit unzähligen Fragezeichen beginnen, von denen die politische Karriere Scharons nur eines ist.
Bis vor wenigen Tagen sah es so aus, als gehöre Scharons Mitgliedschaft in der Regierungspartei Likud schon der Vergangenheit an. Sein Entkopplungsplan wurde stets nur von rund einem Drittel der Parteimitglieder unterstützt. In fast allen internen Abstimmungen zog der Premier den Kürzeren und musste so seinen Plan wider den Willen seiner Partei durchsetzen. Das machte den Gründer des Likud in den eigenen Reihen höchst unbeliebt. Sein bandagenloses politisches Taktieren und die rohe Machtpolitik brachten ihm viele Feindschaften ein. Bis vor kurzem fehlte es seiner Opposition aber an einem charismatischen Führer, der den offenen Putsch der Unzufriedenen im Likud anführen und zu Neuwahlen bringen konnte.
Genau in diese Kerbe zielte Ex-Premier und Erz-Falke Benjamin Netanyahu, als er vier Tage vor Beginn der Räumung Gazas von seinem Posten als Finanzminister zurücktrat. Mit charakteristischer Chuzpe forderte Netanyahu, Spitzname „Bibi“, die Gegner des Entkopplungsplans auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um das „gefährliche Vorhaben“, für das er selber im Kabinett gestimmt hatte, im letzten Augenblick noch zu verhindern. Kurze Zeit später meldete er seine Kandidatur für den Parteivorsitz im Likud an, obschon die Vorwahlen erst im März 2006 stattfinden sollen. Netanyahu wollte die Schwungkraft der Opposition wider die Räumung Gazas für sich nutzen und die Vorwahlen so schnell wie möglich vorziehen, denn laut Meinungsumfragen genoss er einen bequemen Vorsprung von mehr als 20 Prozent vor dem amtierenden Premier.
So spielt man in Israel mit zwei politischen Szenarien: der kleine und der große Urknall. Laut der „Kleinurknall-Theorie“ wird Scharon in den Vorwahlen im Likud von den Extremisten der Partei dank ihrer überlegenen Zahlen und Logistik abgewählt. Scharon, des Regierens noch lange nicht müde, wird dann mit seinen engsten und populärsten Gefolgsleuten aus dem Likud austreten und mit einer neugegründeten Partei zur Wahl antreten. Dieser gemäßigte „Likud-light“ hätte gute Chancen, den rechtslastigen Likud Netanyahus zur Kleinpartei zu degradieren und zur wichtigsten politischen Bewegung im Land zu werden. In der „Großurknalltheorie“ gesellt sich Politdinosaurier und Friedensnobelpreisträger Schimon Peres zu seinem letzten Artgenossen Scharon hinzu, nachdem er in internen Wahlen in seiner Arbeiterpartei erneut verliert. Da die führerlose linke Arbeiterpartei auf Grund der unendlichen inneren Machtkämpfe immer tiefer in den Abgrund politischer Irrelevanz absinkt, wäre eine solche neue Partei der Mitte für die beiden Politveteranen der sicherste Weg, um erneut für vier Jahre das Schicksal Israels zu bestimmen.
Zweifellos wünschen sich viele Israelis eines der zwei Szenarien. So hofft man, das ewige Patt zwischen Rechts und Links ein letztes Mal zu brechen und über die schicksalsvollen Probleme des Landes, wie die Formulierung einer Verfassung, die Regelung der Beziehungen zwischen Staat und Religion und weitere territoriale Zugeständnisse im Rahmen eines Friedensvertrags mit den Palästinensern endgültig entscheiden zu können. Diese Hoffnung könnte sich aber als trügerisch erweisen. Scharon weigert sich zwar bisher, einen Austritt aus dem Likud kategorisch auszuschließen. Doch wer darauf baut, Scharon im Likud zu besiegen, muss anscheinend mehr als nur telegen sein.
Langsam scheint sich das Blatt zu Gunsten Scharons, politischer Spitzname „Planierraupe“, zu wenden. Gleich mehrere Umstände tragen dazu bei, dass Bibi konstant an Zustimmung verliert. Zum einen stößt seine Forderung, die Vorwahlen sofort stattfinden zu lassen, auf Unverständnis. Amtierende Likudniks wissen um die Popularität Scharons in der breiten Bevölkerung. Viele der 40 Likudabgeordneten müssen um ihren bequemen Sitz im Parlament bangen, sollten Hardliner wie Bibi das Ruder der Partei übernehmen. Der Likud mit Scharon an der Spitze wird die wichtigste Partei im Land bleiben, während er mit Netanyahu zu einer rechten Randerscheinung zu werden droht. So sehen die Parlamentarier keine Dringlichkeit darin, Amtszeit und Renten unnötig zu kürzen. Zudem leidet Bibi an einem Mangel an Glaubwürdigkeit. Sein zeitlich schlecht abgepasstes Wendemanöver in letzter Sekunde hat im Likud nicht Euphorie sondern ein deftiges Maß an Zynismus kreiert. So erhält er in Umfragen von 70% seiner Parteigenossen die Note „mangelhaft“. Selbst sein eher grauer und uncharismatischer, dafür aber geradliniger Widersacher Uzi Landau besiegt Bibi schon in manchen Erhebungen. Nach der Vollendung seines Entkopplungsplans erhält Scharon international diplomatische Lorbeeren, die ihm weiteren Stimmenzuwachs im Likud sichern werden. Bei der nächsten UNO-Vollversammlung in New York Mitte September wird die Metamorphose des ehemaligen Parias zum beliebtesten Ansprechpartner der Welt offensichtlich werden.
Der Parteitag des Likud im Herbst, der über die Vorziehung der Vorwahlen abstimmen soll, wird erste Hinweise darüber liefern, wohin der Wind im Likud bläst. Doch selbst wenn Bibi seinen Willen durchsetzen und die Wahlen vorverlegen kann, hat er damit noch lang nicht den Vorsitz im Likud ergattert. Politische Kommentatoren in Israel dürfen sich freuen: Bis zu den Wahlen 2006 bleibt das politische Spiel weiter offen. So werden sie zumindest im kommenden Jahr sicher noch viel Arbeit haben.
Ausbruch der zweiten Intifada machte in Europa einen antiisraelische Angst-Konsens sichtbar: Angst vor einer Eskalation des Konfliktes, vor einer dritten Ölerpressung, vor dem Verlust künftiger arabischer Märkte und eines immer aggressiveren Islamismus. Dieser Konsens verdeutlichte sich in vier Jahren Intifada in den Headlines, Bildern und Medien. Die Süddeutsche Zeitung führte einen geradezu versessenen Bilderkampf gegen Israel. Der Spiegel provozierte sogar ausgewiesene Medienexperten zur Aufarbeitung seiner einseitig antiisraelischen Artikel.
Auf dem Höhepunkt der Intifada gründete 2002 in Deutschland der Politologe Leo Sucharewicz die Organisation ILI – I like Israel. Ziel: zumindest die Spitzen der antiisraelischen Agitation abzubrechen und das Israel-Bild in Deutschland zurechtzurücken. ILI zeigte sich als schlagartiger Erfolg. Innerhalb kürzester Zeit erhielt die Organisation Zulauf aus allen Kreisen der Bevölkerung, darunter viele christliche, gesellschaftliche und politische Gruppen aus allen demokratischen Lagern.
Mittlerweile sind alleine in Deutschland über 500 Pro-Israel-Gruppen registriert, die voller Empörung auf die Anti-Israel Hetze reagieren. Ihre Unterstützung Israels gründet sich mehrheitlich auf Demokratie, Menschenrechte, Frauengleichheit und religiöse Toleranz, die sie in Israel gewahrt sehen und durch Israels Nachbarn und palästinensische Gruppen bedroht sehen.
Mit dem „Israel-Tag“ gaben diese Gruppen ihrer Überzeugung im Mai 2004 erstmals Ausdruck: eine öffentliche Feier in München und Berlin, an der sich eine Vielzahl von Gruppen beteiligte. Im Mai 2005 fand der Israel-Tag in Deutschland bereits in zwanzig Städten und weltweit in weiteren 10 Städten statt. Und für 2006 haben sich bereits Pro-Israel-Gruppen in 60 Städten weltweit angemeldet. Von Ulan Bator (Mongolei) bis Portugal besteht Interesse für das Jahr 2006, den Israel-Tag öffentlich zu feiern. Sie alle können den Ideen-Pool von „ILI“ – einem think-thank – in Anspruch nehmen und ihr Fest individuell gestalten. „ILI“ koordiniert diese Feste weltweit. Aber natürlich sind auch eigene Vorschläge, ganz abgestimmt auf die jeweilige Situation, sehr willkommen. Es ist ein schönes Gefühl zu erleben, wenn Menschen sich vor dem Mikrofon auf einer Bühne drängen, um laut und fröhlich zu erklären, warum sie Israel lieben. Solidarität mit Israel offen und lustvoll zu zeigen, die blau-weißen Israel-Fahnen zu sehen und sich am Tag der Gründung Israels gemeinsam zu freuen, tut auch der Seele gut. Deshalb wird es 2006 wieder heißen: I like Israel!
Guggi Heinz
Silvan Schalom (re) und
sein pakistanischer Kollege
Khurshid Kasuri
Das Treffen zwischen dem israelischen und pakistanischen Außenminister in der Türkei war historisch und deutet weitreichende Veränderungen im strategischen Gefüge der gesamten Region an. Bisher gehörte Pakistan zu den Hardlinerstaaten: mit dem Besitz der Atombombe porträtierte Islamabad sich oft als strategisches Hinterland der islamischen Welt, als Kontergewicht zur regionalen Supermacht Israel. Konsequent unterstützte Pakistan die nationalen Bestrebungen der Palästinenser, beherbergte die extremistischsten Formen des militanten Islamismus. Die Rhetorik in Islamabad war stets martialisch und kompromisslos. Nicht zuletzt fürchtete Israel sich vor der erwiesenen nuklearen Kooperation von Feindstaaten wie Iran mit der Atommacht Pakistan.
So war Israel stets an einem Dialog mit Islamabad interessiert, um die geschlossene Front einer feindlichen islamischen Welt zu brechen. Obschon Pakistan bis vor kurzem stets auf Abstand bedacht war, hat der pakistanische Präsident Pervez Musharraf die Annäherung behutsam vorbereitet. Schon vor drei Jahren kündigte er an, dass man den Charakter der Beziehungen zu Israel überdenken müsse: „Ich muss nicht patriotischer sein als die Palästinenser“, sagte er im Jahr 2001. Seit mehr als einem Jahrzehnt gibt es Kontakte zwischen den Geheimdiensten beider Staaten. Gleich mehrere Entwicklungen haben nun die öffentliche Entente möglich, oder notwendig, gemacht. Der vollendete israelische Rückzug aus dem Gazastreifen stellt dabei lediglich das Feigenblatt dar, hinter dem Musharraf seine wahren Interessen verstecken kann, wenn er sich im Gegensatz zum militanten Konsensus dem Judenstaat diplomatisch nähert.
In den letzten Wochen übt das Weiße Haus in der gesamten arabischen Welt großen Druck aus, um dem politisch angeschlagenen israelischen Premier Ariel Scharon international diplomatische Anerkennung für die Räumung Gazas zukommen zu lassen. So will man ihn bei den bevorstehenden Parteiwahlen in Israel stärken. Nur kurze Zeit vor seinem Besuch in Washington bot sich so Musharraf, der wegen mangelnder Kooperation im Kampf gegen Islamisten und seinem diktatorischen Regierungsstil selber Zielscheibe harter amerikanischer Kritik ist, eine goldene Gelegenheit, um seine schärfsten Kritiker in den USA vorerst mundtot zu machen, nichts nimmt ihnen effektiver den Wind aus den Segeln wie der mutige und umstrittene Handschlag mit den Israelis. In Washington wird man zu schätzen wissen, dass der Präsident, der in den letzten drei Jahren mindestens vier Anschläge auf sein Leben überlebte, seinen Feinden zusätzliche ideologische Munition liefert. So zielt der Schritt wohl mehr Richtung Capitol denn Jerusalem. Jerusalem ist in den Augen Islamabads aber mehr denn nur die goldene Türklinke zum Weißen Haus, nicht nur der jüdische Zwergstaat fühlt sich von dem 160 Millionen-Staat Pakistan bedroht. Seit Jahren betrachtet Islamabad mit Besorgnis die zunehmende Kooperation Israels mit Indien. Israel, fünftgrößter Waffenexporteur der Welt, beliefert den wichtigsten Feind Pakistans seit Jahren mit Waffen im Wert von zweistelliger Milliardenhöhe. Vor allem zukünftige Geschäfte mit den Hightech-Waffen Jerusalems, wie Raketenabwehrsysteme, Frühwarnradars, Bestandteile von Kampfflugzeugen und die Kooperation der Flotten beider Staaten drohen Pakistan beim Wettrüsten ins Hintertreffen geraten zu lassen. So ist die Annäherung Islamabads zweifellos ein Versuch, diplomatisch einen militärischen Nachteil wieder wettzumachen.
Weltweit führte die Geste Pakistans zu einem Aufschrei der Islamisten. In Islamabad rief die Opposition zu Protestkundgebungen auf. Oppositionsführer empfingen Außenminister Kurshid Kasuri bei seiner Rückkehr von seinem historischen Treffen mit schwarzen Flaggen zum Zeichen nationaler Trauer, Abgeordnete verließen empört das Parlament. Laut Berichten lokaler Medien war aber die Beteiligung an den Demonstrationen niedrig: nur wenige Hundert nahmen an den Kundgebungen teil. Die Mehrheit der Bevölkerung schere sich nicht um die Problematik Israels, erklärten Journalisten vor Ort.
In der arabischen Welt war die Empörung groß. Hischam Yussuf, Direktor der arabischen Liga, erklärte: „Israel verdient es nicht, von Pakistan mit diplomatischen Offerten belohnt zu werden.“ Der palästinensische Vizepremier Nabil Schaath sagte: „Israel hat nichts getan, um von einem Staat wie Pakistan einen solchen Preis zu erhalten.“ Sprecher der islamistischen Hamas-Bewegung wetterten ebenfalls gegen das Treffen mit dem israelischen Außenminister: „Israel versucht den Rückzug aus dem Gazastreifen als historischen Schritt darzustellen“, während die Räumung aller Siedlungen lediglich Resultat ihres bewaffneten Widerstandes sei, erklärten sie.
Die Verteidiger des Schrittes erwiesen sich als origineller, es sei eigenartig, dass man Juden heiraten dürfe, aber nicht mit ihnen sprechen, kommentierte Shodri Schujaat Hussein, Vorsitzender der pakistanischen Regierungspartei, die Kritik der Islamisten. Musharraf suchte seine Widersacher zu beruhigen indem er erklärte, dass bis zur Errichtung eines Palästinenserstaates keine vollen diplomatischen Beziehungen zu Israel aufgenommen würden. Er habe seinen Schritt mit Palästinenserpräsident Machmud Abbas und dem saudischen König Abdullah im Voraus abgesprochen, verteidigte er sich. Hinter dieser Aussage verstecken sich vielleicht weitere Überraschungen. Der saudische König Abdullah ist als Pragmatiker bekannt, der weitere Räumungen Israels mit einer Normalisierung der Beziehungen zur arabischen Welt belohnen will. So könnte der historische Gipfel Auftakt zu weiteren dramatischen Wendungen werden. Schon bald wollen der König Jordaniens und der ägyptische Präsident Israel einen Staatsbesuch abstatten. Gerüchte über eine bevorstehende Annäherung mit den Golfanrainerstaaten Tunesien und Marrokko kursieren in Diplomatenkreisen. Gespannt sollte man die Generalversammlung der UNO in New York diesen Monat verfolgen, während der Scharon sich erstmals in unmittelbarer Nähe aller arabischen Staatsoberhäupter aufhalten wird. Der ehemalige Paria könnte dort erstmals zum Lieblingskind der internationalen Diplomatie werden. So könnte das Treffen mit den Pakistanern für Israel die erste Schwalbe sein, die einen Frühling für die israelische Außenpolitik verkündet.
Gil Yaron
Scheich Mohammed Omran
Lange Zeit wollten die Australier nicht wahrnehmen, dass sich auch in ihren Städten der Jihad etabliert hatte. Erst nach den Erkenntnissen von London, dass einige der Attentäter häufig besondere Buchhandlungen frequentierten, beginnt die australische Bevölkerung langsam zu begreifen.
Wie überall im Westen wurde auch in Australien verabsäumt, die Buchläden der verschiedenen islamischen Gemeinschaften, die meist noch mit „Wohltätigkeitsorganisationen“ verbunden sind, näher zu betrachten. Melbournes nördlicher Bezirk Brunswick wurde so zum Zentrum für den Jihad im Distrikt Victoria. Ein Beispiel ist der Buchladen des ,Islamic Information and Support Centre of Australia“ (IISCA), er vertreibt Bücher und DVDs, in denen der Kampf gegen die „Ungläubigen“ als religiöse Pflicht dargestellt wird. In einigen Werken, fast alle aus Saudi Arabien kommend und in London übersetzt, wird die Abgrenzung von den Ungläubigen gefordert, zu denen auch die Anhänger der Buchreligionen gehören, also Juden und Christen. Der Westen in seiner Gesamtheit wird dämonisiert und behauptet, er versuche die Herrschaft über den Islam zu erreichen und die Gläubigen vom rechten Glauben abzubringen.
Wie zu erwarten werden die Juden besonders schlecht dargestellt, verderben sie doch, so die immer gleiche Behauptung, nicht nur die Moral und den Glauben der Anhänger Mohammeds, sondern wollen auch noch alles islamische Land besetzen. Offen wird in diesen Büchern dazu aufgefordert die Waffen zu ergreifen und gegen die Ungläubigen zu kämpfen. Dieser Buchladen ist nicht nur mit den Salafiten von Scheich Abu Ayman verbunden, sondern pflegt auch enge Kontakte mit Scheich Mohammed Omran, der nach den Terroranschlägen in London in einem Fernsehinterview für Aufsehen gesorgt hatte, als er erklärte, es sei nicht bewiesen, dass die Terroristen von London Muslime seien und verbreitete die Verschwörungstheorie, die USA steckten hinter den Anschlägen vom 9. September. Er ging aber noch weiter und bezeichnete in einem offenen Brief an PM Howard die Behauptung des Premierministers, auch Australien sei von Selbstmordattentaten gefährdet, als Hetze, obwohl der australische Geheimdienst Erkenntnisse darüber hat, dass sich einige Dutzend ausgebildete Jihad-Kämpfer bemühen, Terrorzellen in Australien aufzubauen. Außerdem werden Scheich Omran Verbindungen zu al Quaida nachgesagt, soll er doch, laut dem Fernsehsender ABC, wiederholt Kontakte zu einem der Hauptverdächtigen der Anschläge von Spanien, Abu Dahdah, gehabt haben.
Mehrfach hat der in Jordanien geborene Omran dazu aufgerufen, gläubige Muslime sollten in den Irak gehen und dort gegen die Koalitionstruppen kämpfen. Nach Ermittlungen des Herald Sun ist Scheich Omran von jungen Männern umgeben, die jederzeit bereit sind als Selbstmordattentäter zu fungieren. Ein anderes Beispiel ist die Moschee in East Brunswick, wo sich immer wieder Terrorverdächtige aufhalten. So wurde letztes Jahr einer von ihnen, Jamal, der vor seiner Gerichtsverhandlung in Australien mit dem Pass eines Freundes geflohen war, im Libanon gefasst und wegen geplanter Terroranschläge zu 20 Jahren Haft verurteilt. In einem Fernsehinterview bekräftigte Scheich Khalid Yasin aus Brunswick noch einmal, dass es so etwas wie Freundschaft zwischen Muslimen und Nichtmuslimen nicht geben könne.
Die Situation in Sydney ist nicht viel anders, dort wurden im größten islamischen Bücherladen des Landes (Islamic Bookshop) Anleitungen gefunden, wie man zum Selbstmordattentäter wird, möglichst viele Unschuldige dabei tötet und das nicht zum ersten Mal. Ein anderes Beispiel war das von Muslimen dominierte Moreland Secondary College, wo nach dem 11. September die Studenten vor Freude tanzten und das, nachdem die nichtmuslimischen Schüler seither das Institut fluchtartig verlassen haben, inzwischen geschlossen ist. Im Werribee College glaubte ein Lehrer seinen Ohren nicht mehr trauen zu können, als er hörte wie der Imam den Kindern erzählte, die Juden würden die Bananen vergiften und sie sollten diese keinesfalls essen. Diese Schule ist eifrig dabei ihre Sicht des Islam, mit großzügiger Förderung durch das Unterrichtsministerium in Canberra, nach Indonesien zu verbreiten. Ursprünglich waren diese Förderungen dazu gedacht die Zahl der christlichen Privatschulen zu erhöhen, aber auch eine Anzahl von islamischen Schulen erfüllten die Voraussetzungen. Die Behörde scheut davor zurück diese Schulen näher ins Visier zu nehmen und greift erst dann ein, wenn es zu Beschwerden oder Anzeigen von Lehrern oder Eltern kommt. So werden überall in Australien diese Privatschulen im Namen des Islam betrieben und niemand kümmert es, was dort gelehrt wird. Ebenfalls in Werribee lebt Abdul Nacer Ben Brika, bekannt unter dem Namen „Abu Bakr“, auch er ein Lehrer und Verehrer von bin Laden, der die Gläubigen zum Kampf im Irak aufruft und eine Gruppe junger Muslime um sich geschart hat. Zwar sei es verboten „Unschuldige“ zu töten, aber es sei legal für australische Moslems im Irak die australischen Truppen zu bekämpfen.
Seit den Anschlägen vom 11. September wurden auch in Australien die Imame erfolglos immer wieder gebeten Radikale aus ihren Moscheen zu entfernen und die Gesamtheit der Muslime in Australien wurde als „moderat“ beschworen. Inzwischen haben einige moderate Imame dazu aufgerufen, der Verbreitung dieser Lehren Einhalt zu gebieten, diese Imame des Landes zu verweisen und endlich energisch gegen Hetzreden im Namen des Islam vorzugehen. So verglich Sheik Taj Din al-Hilali, Mufti von Australien und Neuseeland, die Verbreitung dieser Lehren mit Aids und warnte vor den Folgen. Er beschwor die nicht fundamentalistischen Imame, sie müssten die Herzen der Jugendlichen wieder zurückgewinnen und verlangte, dass gegen Hetzliteratur und andere Hetzmedien energisch vorgegangen werden müsse. Sieht man jedoch näher hin, stellt man fest, dass auch dieser Imam die Extremisten nicht aus seiner Moschee ausschließt, sondern nur das Glück hat, dass diese seine Moschee nicht mehr besuchen. Bei seinem Besuch im Libanon pries er öffentlich die Hizbollah als Vorbild für alle Mujahedin, unterstützt die Hamas und den islamischen Jihad und bezeichnet die USA als die größten Terroristen der Welt. Polizeichef Mick Keelty bestätigte kürzlich, dass sich in Australien einige Dutzend islamische Extremisten aufhalten, die im Ausland trainiert wurden und Terrorzellen aufbauen. Diese Herausforderung an die Polizei sowie die Anschläge in London lassen die Polizei über eine Reform ihrer Arbeit nachdenken. Das wird auch nötig sein, denn anlässlich der Wahlen im Irak wurden Iraker in Auburn, die zur Wahl gehen wollten, massiv von bewaffneten Islamisten bedroht, ohne dass die Polizei eingegriffen hätte. In der Nacht nach der Wahl wurde die Gewalt sogar noch schlimmer, zwei Personen mussten mit Schusswunden behandelt werden, Autos von Irakern wurden beschädigt und Geschäfte verwüstet. Einer der Täter, ein geborener Kuweiti, der sich illegal im Land aufhielt, ist nun Asylwerber. Aber er ist kein Einzelfall. Erst kürzlich haben sich 300 Muslime im Bürgerzentrum von Auburn getroffen um Soadad Doureihi zuzuhören, der sie zum Jihad aufforderte und verlangte, dass alle Ungläubigen von islamischem Boden vertrieben und alle westlichen Ideen und Freiheiten zurückgewiesen werden müssten. Natürlich waren auch die Juden und Israel wieder im Brennpunkt, die beschuldigt wurden sowohl das britische Imperium als auch das Zarenreich und die Sowjetunion vernichtet zu haben und außerdem die Welt mit Aids zu verseuchen. Er kündigte an, jeden Juden zu vernichten, sobald der Islam einmal die Welt beherrsche. Ameer Ali, Präsident der Federation of Islamic Councils, warnte erst kürzlich, dass islamische Jugendliche leicht zu beeindrucken und verführbar seien. Selbstverständlich wäre es falsch und unverantwortlich zu behaupten, jeder der geschätzten 300.000 Muslime im Land wäre ein potentieller Terrorist. Aber es ist schon erschreckend wie ignorant die Presse mit öffentlichen Personen des Islam im Westen umgeht und sich darauf beschränkt, den Sonntagsreden dieser Vertreter zu glauben. Jeder westliche Vertreter einer Religion wird bis in die Kindheit hinein durchleuchtet, selbst das Elternhaus wird zur Beurteilung noch herangezogen, seine Aussagen analysiert. Bei Vertretern des Islam jedoch wird jede journalistische Sorgfalt außer Acht gelassen und nichts hinterfragt.
Schon letztes Jahr wies der liberale Parlamentsabgeordnete Steven Ciobo darauf hin, keine weitere Fragmentierung der australischen Gesellschaft zuzulassen und jede Kritik am Islam und an der multikulturellen Idee mit Hetze zu verwechseln. Er erinnerte an die Welle rassistischer Gruppenvergewaltigungen islamischer Jugendlicher libanesischer und pakistanischer Herkunft an australischen Mädchen, die westliche Mädchen und Frauen als Freiwild sehen, weil sie nach ihrem Verständnis des Islam unmoralisch und wertlos sind. Der kürzlich gewählte liberale Senator Michael Ronaldson sprach in einer Rede davon, dass dieser radikale Islam eine Herausforderung für ganz Australien und den Westen sei und Australien müsse alle Rechtsmittel einsetzen um dieser Gefahr Herr zu werden.
Sonja Wanner
Niemals in der Geschichte seit Bestehen der Vereinten Nationen wurde ein Botschaftskandidat der USA zu den Vereinten Nationen, sowohl innerhalb der USA als auch im Ausland, derart kontrovers diskutiert wie John Bolton, dem man Raubeinigkeit und eine allzu kritische Haltung gegenüber den Vereinten Nationen nachsagt. Nun endlich, am Senat vorbei, zum Botschafter der USA zu den Vereinten Nationen bestellt, wird sich zeigen, was er zu leisten im Stande ist.
John R. Bolton, ein 1948 in Baltimore geborener summa cum laude-Absolvent der Eliteuniversität Yale und Jurist, begann seine politische Karriere unter dem Patronat von James Baker III. Schon unter Reagan als stellvertretender Generalstaatsanwalt tätig, arbeitete er später im Justizministerium und war zuletzt vor seiner Nominierung und Bestellung zum UN-Botschafter der USA Staatssekretär für Rüstungskontrolle im Außenministerium unter Außenminister Powell und, wie manche munkelten, dessen Aufpasser. Condoleezza Rice jedenfalls wählte ihn nicht wieder in ihr Team, sondern schlug ihn als US-Botschafter bei den Vereinten Nationen vor. Als Mitglied des konservativen Manhattan Institutes und später des neokonservativen think-tanks American Enterprise Institute, war er maßgeblich an der Erarbeitung der Grundsatzpläne der Konservativen für die Zukunft der USA beteiligt. Hervorstechend ist seine pro-israelische Einstellung, die er immer wieder unter Beweis stellt. Daher war auch die Regierung Bush ziemlich vor den Kopf gestoßen, als kaum eine der jüdischen Organisationen mehr tun wollte, als sich positiv über Bolton zu äussern. Andererseits sind viele der jüdischen Organisationen in den USA mit den Demokraten verbunden und man hatte Bush ohnehin schon in seiner Außenpolitik unterstützt. So blieb ein intensives Lobbying für Bolton aus, denn in einigen Organisationen war es bereits zu Konflikten gekommen, weil Mitglieder dem US-Präsidenten auch in der Innenpolitik beistanden. Zwar wurde immer wieder vorgehoben wie dankbar man Bolton für seinen Einsatz für Israel sei, vertrat aber sonst die Meinung, dass man sich in personelle Entscheidungen der Regierung nicht einmischen wolle.
Aber Boltons konservative Einstellung alleine, auch wenn er als Hardliner gilt, kann diesen Aufruhr nicht hervorgerufen haben, schließlich ist es üblich einen Kandidaten aus den eigenen Reihen der Regierung zu wählen und vorzuschlagen und diese US-Regierung ist eben zur Zeit konservativ. Die Vorwürfe, die während der Anhörung von Seiten der Demokraten erhoben wurden, gleichen eher einem politischen Schmierentheater als einer Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner. Es wäre den Demokraten auch schwer gefallen die politischen Vorgaben des zukünftigen UN-Botschafters kontrovers zu diskutieren, sind sie sich doch in den meisten Punkten mit den Republikanern darin einig. Die Klage, Bolton wolle mit seiner Bemerkung „man könne nicht alles dem internationalen Recht unterordnen, auch wenn dies kurzfristig als günstig erscheine, so sei es doch langfristig nicht praktizierbar und sinnvoll“, das internationale Recht aushebeln, macht nur dann Sinn, wenn man vergisst, dass sich George Bush sen. im Irak-Krieg 1990/1991 an dieses Recht gehalten hat. Das hat zu 12 weiteren Jahren der Schreckensherrschaft eines Saddam Hussein und zu dem unsäglichen „Öl-gegen-Betrug“-Programm geführt, an dem sich UN-Mitarbeiter bis in die höchsten Spitzen beteiligt haben. Dieses Programm ließ Millionen, wenn nicht Milliarden an US-Dollar in schwarzen Löchern verschwinden. Ein Bruch des internationalen Rechtes 1991 von George Bush sen. hätte eine Menge Menschenleben gerettet, aber vielleicht einigen Beteiligten in den Vereinten Nationen die Bankkonten nicht so gut gepolstert. Wenn Bolton sagt „man könne getrost die obersten zehn Stockwerke des UN-Gebäudes in New York abtragen und keinem fiele das auf“, dann hat er allerdings Unrecht, wie die Auswirkungen am Beispiel Irak gezeigt haben, aber er hat Recht, wenn man die Ineffizienz in Krisengebieten und Krisensituationen dieser Organisation ins Auge fasst.
Bolton vorzuwerfen, seine Sprache sei nicht diplomatisch genug, kann so nicht bestehen bleiben. Längst gibt es in der UN keine diplomatische Sprache mehr, die diese Bezeichnung verdient, sondern nur mehr Partygeplauder und gegenseitiges Entschuldigen und Beschönigen der ans Tageslicht gekommenen Skandale mit leeren Floskeln.
Wenn Bolton dem nordkoreanischen Regime ausrichten lässt, dass das Leben in seinen Grenzen ein Albtraum sei und ihr Führer ein Diktator, so hat Bolton damit nicht übertrieben, wenn man den Aussagen der Flüchtlinge aus Nordkorea glaubt. Was internationale Verträge und internationales Recht wert sind, kann man sehr genau am Beispiel Nordkorea studieren. China hält noch immer seine schützende Hand über diesen Gulag an seinen Grenzen und der Rest der Welt wird seit Jahren mit Drohungen und diplomatischen Konferenzen an der Nase herumgeführt. Ebenso ist der Vorwurf, Bolton stehe der UN zu kritisch gegenüber, nicht nachvollziehbar. Seit wann muss ein Botschafter der Freund und Förderer jener Nation oder Organisation sein, an die er delegiert wird? Muss beispielsweise ein österreichischer Botschafter in China der dortigen Regierung wohlgesonnen sein und deren politische Ziele fördern und unterstützen? Niemand würde das fordern, sondern es reicht, wenn er die politischen Agenden Österreichs und seiner im Land befindlichen Bürger vertritt. Aber gar so schlecht kann Boltons diplomatisches Geschick nicht sein, war es doch hauptsächlich ihm zu verdanken, dass die berüchtigte und infame UN-Resolution 3379 von 1975, die Zionismus mit Rassismus gleichsetzte, 1991 zurückgenommen wurde.
Während die EU dezent zur Finanzierung antiisraelischer Propaganda durch die UN anlässlich des Abzuges der Israelis aus Gaza schwieg, die nicht nur von der PA, sondern auch von der Führung der Hamas begeistert übernommen wurde und den Abzug als ersten Sieg über den israelischen Staat darstellte, hat Bolton scharf dagegen protestiert und dieses Vorgehen als inakzeptabel bezeichnet. Es kann doch wohl nicht die Aufgabe der zum Frieden verpflichteten UN sein, provozierende politische Sticker, Plakate und T-Shirts gegen Israel zu finanzieren, auf denen steht „Heute Gaza, morgen Jerusalem“. Die lahme Entschuldigung des UNDP-Leiters Kermal Dervis bezeichnete Bolton als unbefriedigend, es sei nicht Aufgabe der UNDP politische Botschaften zu finanzieren und schon gar nicht aus einem Programm zur „Unterstützung der palästinensischen Bevölkerung“. Fein, dass William Orme, Sprecher der UNDP, wenigstens erklärte, man nähme die Aussage Boltons „ernst“. Ernst nehmen sollten die UN-Beamten Bolton und die USA auch, haben die USA doch angekündigt ihren Teil der Finanzierung der UN zu kürzen oder gar ganz auf Eis zu legen, sollte es zu keinem Konsens über die Reformen kommen. Vielleicht könnten ja die reichen Ölländer einspringen, die zwar alle Rechte in der UN genießen, aber keines dieser Länder ist unter den Top-15-Beitragszahlern zu finden.
Einer der vorrangigen Punkte in Boltons Programm wird es sein Israel endgültig im westeuropäischen Block der UN unterzubringen und dem israelischen Staat damit endlich das Recht auf einen Sitz im Sicherheitsrat zu garantieren. Zwar ist Israel auch heute schon in diesem Block der Westeuropäer geduldet, aber nur solange es auf sein Recht verzichtet, einen Platz im Sicherheitsrat zu beanspruchen. Darauf haben die Europäer bestanden, als sie Israel in ihren Block aufgenommen haben. Das ist ein einzigartiges Vorgehen der Vereinten Nationen gegenüber einem demokratischen Staat, die einer Erbdiktatur wie Syrien dieses Recht auf einen Sitz im Sicherheitsrat ganz selbstverständlich zugestehen. Wie die Europäer angesichts ihrer Verbindungen zu den arabischen Staaten darauf reagieren werden bleibt abzuwarten, versichern sie doch Israel immer wieder ihre Freundschaft.
Der neue Botschafter wird es in den nächsten Wochen bis zum Gipfeltreffen in New York nicht leicht haben, hat ihm doch die US-Regierung einen dicken Katalog von rund 500 Änderungswünschen an der sogenannten UN-Reform, die sich eher wie ein verstaubter Fünfjahresplan aus der ehemaligen Sowjetunion liest, mit auf den Weg gegeben. Eine vernünftige Reform der Vereinten Nationen ist dringend notwendig, wenn auch nur der Funken der ursprünglichen Idee übrig bleiben soll. Nachdem Korruption, und hier meine ich auch politische Korruption, Misswirtschaft, Günstlingswirtschaft führender UN-Beamter, Skandale jeder Art, sowie Bestechung, die Idee der Vereinten Nationen zur Beliebigkeit und Farce verkommen ließ, ist es hoch an der Zeit, endlich einzugreifen, will sie nicht auch noch den letzten Rest an moralischer Legitimität verlieren. Die Vereinten Nationen können nicht länger der Selbstbedienungsladen und das Forum für jeden unfähigen korrupten Despoten und jede noch so skurrile NGO sein, die die Steuergelder der Beitragszahler verschleudert und es sich ansonsten an den UN-Stützpunkten in aller Welt gut gehen lässt. Es ist hoch an der Zeit, dass sich die UN wieder ihren eigentlichen Aufgaben widmet und nicht den Hauptanteil der Zeit damit verbringt Resolutionen gegen Israel abzustimmen.
Eine der Forderung der USA ist die Entwicklungshilfe zu kürzen und sie wird längst von afrikanischen Soziologen und Wirtschaftsfachleuten begrüßt, machen sie doch diese Entwicklungshilfe für das Versagen des Kontinents verantwortlich. Sie betonen, dass diese Hilfe mehr dem Erhalt der korrupten Eliten diene als der Entwicklung des Kontinents. Dass dies den meist undemokratischen Eliten dieser Entwicklungsländer nicht gefällt ist eine Sache, warum die Kritik daran jedoch mit bösartigen Hinweisen auf Israel verbunden wird, ist nicht mehr zu verstehen, gehört es doch zu den Grundprinzipien des Staates Israel, überall in der Welt tatkräftig und engagiert Hilfe zu leisten, wo diese gebraucht wird. Ganz gleich, ob es sich um medizinische Versorgung, um landwirtschaftliche Innovationen oder um Ausbildung geht.
Im Gegensatz dazu wollen die USA die marktwirtschaftlichen Prinzipien der Entwicklungsländer fördern, wie es schon im Konsens von Monterrey ausgehandelt wurde. Auch der Internationale Gerichtshof und die Maßnahmen gegen den Klimawandel sollen kein Thema mehr sein. Bolton wird also bis zum Gipfeltreffen und darüber hinaus noch viele Einzelgespräche führen müssen, soll die Reform vorangebracht werden. Nachdem bisher alle Versuche einer Reform trotz diplomatischem Schönsprech scheiterten, wird es nun an John Bolton sein zu zeigen, was er kann.
Sonja Wanner
Für das Selbst-Bewusstsein und die Solidarität einer Gesellschaft sind Jubiläen durchaus förderlich. Die Art der bisherigen Beiträge zum „Gedenkjahr“ wirft jedoch eine Frage auf: Wer ist dieses „Wir“, das hier mit viel Glanz und Glorie demonstriert und gestärkt wird?
Eric Kandel
Die österreichische Identität im neuen Europa wird dabei großteils aus einem Blickwinkel konstruiert, der einem demokratischen österreichischen Staat und einer demokratischen österreichischen Zivilgesellschaft allerdings nicht gerecht wird: Nämlich vor allem als eine derjenigen, die den Zweiten Weltkrieg im Land, an der Front bzw. als Kriegsgefangene erlebt haben; der verfolgten, deportierten und in KZs ermordeten Österreicherinnen und Österreicher wird dabei als Fußnote der Geschichte gedacht. Kaum auszumachen sind bei all den Beiträgen zum Gedenkjahr die hunderttausenden politisch und/oder rassistisch verfolgten Exil-ÖsterreicherInnen und ihre heute überall in der Welt lebenden Nachkommen. Sie konnten sich nur durch Flucht ins Ungewisse retten. Dort hat man sie bis heute gelassen.
Im internationalen Symposium „Gespräch über die Rückkehr“, das am 13. und 14. November von Theodor Kramer Gesellschaft, Österreichischer Gesellschaft für Exilforschung (öge) und ESRA veranstaltet wird, wollen WissenschaftlerInnen verschiedenster Fachgebiete gemeinsam mit aus Österreich geflohenen ExilantInnen über ihre Gründe für eine Rückkehr bzw. Nichtrückkehr nach 1945 sowie über die Folgen diskutieren: Für sie selbst, für ihre Kinder, für Österreich. Und für die Kultur, aus der sie kamen, ebenso wie für jene Kulturen, in denen sie zum Teil bis heute mit mehr oder weniger Erfolg zu leben, zu denken und sich auszudrücken versuchen.
Walter Kohn
Ihre Geschichte wird hierzulande immer noch als die der „anderen“ gelesen und interpretiert. Es waren jedoch ebenso Österreicherinnen und Österreicher (so wie es auch heute viele im Land lebende Menschen verschiedenster Kulturen sind, die man ebenfalls gern außerhalb des gemeinsamen Interesses lässt) – und viele sind es immer noch, am Papier und mit dem Herzen. Das Exil ist für sie bis heute eine offene Wunde – und auch für Österreich, das im „Gedenkjahr“ wieder einmal eine Chance ungenutzt ließ: Jene ÖsterreicherInnen (es war immerhin jede/r 40. in diesem Land, die/den man vertrieben hat), die bis heute auf eine Geste des Willkommens warten, entsprechend in das „wir“ miteinzubeziehen.
Von den heute in aller Welt lebenden KünstlerInnen, SchriftsstellerInnen, WissenschaftlerInnen, Intellektuellen aus Österreich wurde und wird Großes vollbracht. Eine Aufzählung emigrierter Naturwissenschaftler liest sich wie ein Who is who aus Forschung und Wirtschaft: Vom Erfinder der Pille, Carl Djerassi, der heute in den USA und in London lebt, über den Gründer der später weltweit führenden Firma für Forschungschemikalien, Alfred Bader, den Kernphysiker Stefan Meyer, die Physiker und Chemiker Hermann Mark und Engelbert Broda (er ist als einer von wenigen zurückgekehrt) bis zu den Nobelpreisträgern Erwin Schrödinger, Victor F. Hess und Georg von Hevesy (sie arbeiteten am Wiener Institut für Radiumforschung), dem Chemie-Nobelpreisträger Walter Kohn und Eric Kandel, der im Jahr 2000 den Nobelpreis für Medizin/Physiologie erhielt, findet sich dort viel von jenem geistigen Potential, das Österreich durch Vertreibung und Exil verloren ging.
Carl Djerassi
Einen ersten Überblick über das Exil der Naturwissenschaften gibt Wolfgang Reiter nun in der dreibändigen Publikation „Vom Weggehen“ (Hg. von Sandra Wiesinger-Stock / Erika Weinzierl / Konstantin Kaiser) aus der neuen öge-Buchreihe „Exilforschung heute“, die ab Herbst im Mandelbaum Verlag erscheint. Band 2 widmet sich dem Exil von Naturwissenschaften, Medizin und Psychoanalyse, in Band 3 sind erstmals die Arbeiten von ForscherInnen auf den verschiedenen Gebieten der Kunst und Kultur im Exil zu Literatur, bildender Kunst, Fotografie, Architektur, Musik und Theater zusammengeführt.
Der erste Band, „Zu Exil und Rückkehr“, zeigt anhand internationaler Beiträge aus Wissenschaften, Literatur, Wirtschaft und Politik anschaulich Brüche und Verluste, aber auch wertvolle Impulse in den Biografien von ExilantInnen sowie in der Sozial- und Kulturgeschichte dieses Landes.
Nur ganz wenige kamen aus dem Exil zurück; Frauen durften dabei noch weniger als Männer auf die Unterstützung von politischen und beruflichen Netzwerken hoffen. Die Geste einer offiziellen Einladung zur Rückkehr nach Österreich an die ExilantInnen ist bislang ausgeblieben; weder als Armut und Wohnungsnot herrschten, noch in den Jahren danach. Ihnen eine Brücke zu bauen, versucht die Österreichische Gesellschaft für Exilforschung als Teil der Zivilgesellschaft seit drei Jahren konsequent durch vielfältige Veranstaltunge und Publikationen.
Sandra Wiesinger-Stock, Geschäftsführerin der öge
Symposium: "Gespräch über die Rückkehr"
Sonntag, 13. November, 10 bis 20 Uhr;
Montag 14. November, 19 Uhr, Abschlussveranstaltung: Die Rückkehr - Zeugnisse und Stimmen. Eine Textcollage von Siglinde Bolbecher und Konstantin Kaiser
Film: Things, Places, Years, Diskussion, Buffet
Ort: ESRA, Tempelgasse 5, 1020 Wien
Eine Veranstaltung von ESRA, Theodor Kramer Gesellschaft, Österr. Gesellschaft für Exilforschung (öge) und der Frauenabteilung der Stadt Wien
1945 waren in Österreich 530.000 Personen als Nazi registriert. Mit ihren allernächsten Angehörigen, die wohl mit ihnen politisch synchron waren, ergab das rund eine Million Menschen. Das war bei rund 4 Millionen Wahlberechtigten, also der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, ein gesellschaftspolitisches Problem ersten Ranges.
Wie damit umgehen?
Das Institut für Zeitgeschichte der UNI Wien hat in einer Studie das Verhalten der SPÖ in dieser Frage und den Wandel der Einstellungen untersucht.
Die Studie zeigt die Vielschichtigkeit des Problems. Unterstellungen, die SPÖ hätte bei der Entnazifizierung primär auf die Gewinnung von Wählern und auf den Ausbau sozialdemokratischer Machtpositionen im Staat abgestellt, greifen zu kurz. Unterbelichtet bleibt, dass viele Nazi erst einmal in Händen der Alliierten waren (so konnte kein einziger Gauleiter von der österreichische Justiz verfolgt werden) und sich die Spuren immer mehr verwischten, je mehr Zeit verging. Trotz des Titels wird auch der Kalte Krieg nicht gründlich genug ausgeleuchtet.
Den gesamten Artikel von Heimo Kellner können Sie in der Printausgabe 8/9 2005 der Illustrierten Neuen Welt lesen.
Maria Mesner (Herausgeberin): Entnazifizierung zwischen politischem Anspruch, Parteienkonkurrenz und Kaltem Krieg. Das Beispiel der SPÖ. Oldenbourg 2005. 362 S. Euro 41,--
Nach langer schwerer Krankheit hat uns Danek Gertner verlassen. Sein Wirken und Streben wird aber vielen Menschen im In- und Ausland unvergesslich bleiben. Die Symbiose zwischen Verstand und Herz war nicht nur für seine Familie beispielgebend, sondern prägte auch sein Umfeld. Stets seiner Wurzeln bewusst, strebte er danach, das Vermächtnis seines Elternhauses in Ehren zu halten.
Zabie, Galizien. Ein friedliches Dorf mit einem – für Galizien durchaus nicht unüblichen – hohen jüdischen Bevölkerungsanteil. Stetlatmosphäre, Familie. Der Erste Weltkrieg ist gerade vorbei, da wird im Jahr 1919 Danek Gertner geboren, als zweites Kind einer wohlhabenden Familie mit rabbinischen Vorfahren. Doch die Idylle ist trügerisch. Mit dem Ende der Monarchie beginnt auch für Galizien eine turbulente Zeit. Mit der Machtübernahme durch die Sowjets verschlechtern sich die Lebensbedingungen für die Familie. Während seiner Studienzeit wird Danek Gertner zwangsrekrutiert. Kurz vor dem Ende eines Militärurlaubes, den er bei seiner Familie verbringt, marschiert die deutsche Armee in der Sowjetunion ein. Bei einem der ersten Massaker wird Daneks ältester Bruder von den Deutschen ermordet. Der Vater kann den Verlust nicht verwinden und stirbt bald. Zwei Mal kann sich Danek Gertner vom Transport in ein Konzentrationslager retten, er flüchtet mit seinem jüngeren Bruder Marian nach Ungarn, wo er sich zwei weiteren Verhaftungen durch abenteuerliche Flucht entzieht. Mit der Flucht nach Rumänien ist die Rettung da: Am gleichen Tag schließt das Land Frieden mit der Sowjetunion. Hochzeit in Bukarest, den jüngeren Bruder wieder gefunden, Übersiedlung nach Wien. Der Vater aus Kummer gestorben, die Mutter und zwei Brüder so wie zahlreiche andere Verwandte in Konzentrationslagern ermordet – der Neustart in Wien ist mit einer schweren Hypothek belastet. Erfolg stellt sich ein – aber nie vergisst Danek Gertner, wozu Menschen fähig sind. Parallel zum Aufbau eines international tätigen Maschinenbauunternehmens widmet sich Danek Gertner zahlreichen humanitären Aktivitäten. Wobei Israel stets seinem Herzen sehr nahe stand, insbesondere das Gedenken an die Shoah, wo er auch verschiedene Projekte von Yad Vashem sowie die wissenschaftliche medizinische Forschung im Tel Haschomer Spital und an der Tel Aviv Universität unterstützte.
Nach dem Tod seiner Frau und seinem Rückzug aus der Firma hat er diese Aktivitäten noch verstärkt und auch auf seine alte Heimat Polen ausgedehnt. Er förderte Wissenschaft und soziale Einrichtungen, engagierte sich gemeinsam in zahlreichen Stiftungen, die er teils auch finanzierte. „Denn in diesem Gefühl, für die Schwächeren verantwortlich zu sein, war mir ein Mensch stets Vorbild: mein Vater, dem diese Haltung in seinem ganzen Leben selbstverständlich gewesen ist. Und ich folge dem Weg von zu Hause.“
Mit seinem Tod verlieren wir einen engagierten Philanthropen, der weltweit aktiv war und dessen großzügiges Engagement stets in Erinnerung bleiben wird.
J. N.
Im Zuge der Diskussion um Ehrengräber der Stadt Wien aus der NS-Zeit widmete die Stadtverwaltung einer Reihe herausragender Persönlichkeiten des Wiener jüdischen Lebens ehrenhalber ihre Gräber.
Der Nobel-Preisträger Julius Wagner-Jauregg (1857–1940), Anwärter der NSDAP, der Fußballstar Matthias Sindelar (1903-1939) ein „Ariseur“ – um ihre letzte Ruhe flammte in Wien mehr als 60 Jahre nach der Bestattung eine heftige Diskussion auf. In Zentrum der Auseinandersetzung stand die Widmung von Ehrengräbern durch die nationalsozialistische Stadtverwaltung in Wien von 1938 – 1945: Ehrengräber, die bis heute als solche bestehen und von der Stadtverwaltung unterhalten und gepflegt werden. Im Jahr 2004 schloss die hierzu im Auftrag des Wiener Gemeinderats von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny unter Koordination des Restitutionsbeauftragen der Stadt Wien Kurt Scholz eingesetzte Kommission ihren Bericht ab. Die Kommission hatte sich mit dem Problem auseinanderzusetzen gehabt, was mit diesen für besondere Verdienste um die Allgemeinheit gewidmeten Grabstätten nun zu geschehen habe. Nachdem grundsätzlich festgehalten worden war, dass der während der NS-Zeit durchgeführte Rechtsakt per se ungültig sei und damit die Ehrengräber als solche eigentlich gar nicht bestünden, veränderte sich die Aufgabenstellung hin zu einer „Wieder-Zuerkennung“ von Ehrengräbern an Personen, die man heute für dessen würdig erachtete. Dies führte die Kommission sehr rasch zur Frage, inwieweit die vom NS-Regime solchermaßen Gewürdigten nun eigentlich „Nazis“ waren oder nicht – und auf der Suche nach passenden Kriterien unweigerlich zu einer fundamentalen Standortbestimmung der Kommission und ihrer Auftraggeber selbst. Schließlich fand die Stadt Wien einen tragfähigen Kompromiss: Die Gräber von Personen, welche die Kommission für nicht ehrenwürdig befunden hatte, gelten nun zwar hochoffiziell nicht mehr als Ehrengräber, bleiben aus Gründen der Pietät jedoch wie bisher bestehen: „Grundkonsens war, die Totenruhe zu bewahren und einen würdigen Umgang mit den Grabstätten zu gewährleisten“, so die Kommission in ihrem abschließenden Bericht. Mit dieser Vorgangsweise eng verknüpft findet sich in dem Kommissionsbericht eine Empfehlung, die, wie es heißt, dazu dienen soll, historische Versäumnisse auszugleichen: Die Kommission schlägt die Vergabe von Ehrengräbern und eine dauernde Grabpflege neben Opfern des Nationalsozialismus auch für „jüdische Persönlichkeiten, die sich um Wien verdient gemacht haben“, vor.
Grabmal Adolph Fischhof,
1816–1893.
Es ist schon eine skurrile österreichische Eigenart, dass es erst einer Diskussion darum bedarf, wer ein Nazi war, um sich zu entschließen, verdienstvollen jüdischen Persönlichkeiten des österreichischen öffentlichen Lebens ein Ehrengrab zuzuerkennen. Angesichts der verfahrenen Situation in den Verhandlungen um die Sanierung und Pflege der österreichischen jüdischen Friedhöfe ist jedoch Pragmatismus am Platz. Denn immerhin wird die Pflege jüdischer Gräber, die bisher als Gesamtlösung nicht zustande gekommen ist, nun über den Umweg der Ehrengräber zumindest für einen kleinen Teil möglich. Und das ist eigentlich schon mehr als zu erhoffen war. Der Entschluss zu Ehrengräbern für Juden zeugt zweifellos von politischem Willen zur Entscheidung und dazu, Verantwortung zu übernehmen. Das Aufrechnen von Tätern gegen Opfer scheint jedoch nach wie vor der einzig mögliche Zugang zu sein – zur Nazizeit einerseits, zur jüdischen Vergangenheit dieses Landes andererseits.Die Wiener jüdischen Friedhöfe entstanden lange vor dem Nationalsozialismus, ihre Grabstätten sind heute oft einziges Zeugnis einer unwiderruflich vernichteten Welt. In der NS-Zeit wurden sie enteignet, geschändet, zerstört.
Die damals angerichteten Verwüstungen sind nach wie vor existent. Heute steht Österreich vor dem Problem der Sanierung, Erhaltung und Pflege dieser Areale mit ihren vielen Denkmälern und ihrer kulturhistorisch wertvollen Bausubstanz. In der gemeinsamen Erklärung der Regierungen der Republik Österreich und der Vereinigten Staaten von Amerika, der österreichischen Unternehmen, der Conference on Jewish Material Claims und den österreichischen jüdischen Gemeinden vom 17. Januar 2001 sind festgelegte Verpflichtungen dokumentiert. Im Anhang A des Notenwechsels heißt es unter Punkt 8: „Jüdische Friedhöfe: Österreich wird zusätzliche Unterstützung für die Restaurierung und Erhaltung bekannter und unbekannter jüdischer Friedhöfe in Österreich leisten.“
Seither sind vier Jahre vergangen, man ist gespannt – und wartet. Die Friedhöfe verfallen weiter, außer mehr oder weniger gezielten Einzelmaßnahmen geschieht nicht viel. Substanzielle Entscheidungen stehen aus.
Grabmal Gustav Pick,
1832–1921
Festzuhalten bleibt: Die jüdische Gemeinde kann aus eigener Kraft die jüdischen Friedhöfe nicht sanieren – alleine die Anzahl der Gräber übersteigt ihre Möglichkeiten bei weitem. Angesichts der historischen Umstände ist eine derartige Forderung auch völlig absurd. Immerhin wurden die bis heute bestehenden Schäden im NS-Regime und an damals enteigneten Einrichtungen angerichtet. Hier besteht eine ganz klare moralische Verantwortung der österreichischen Gesellschaft. Wie sie diese einzulösen gedenkt, bleibt Aufgabe der von ihr legitimierten Politiker. Überdies ist der Erhalt jüdischer Gräber eine religiöse Frage. In Deutschland ist er bereits seit 1957 gesetzlich geregelt, zuständig ist das Referat Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bundesinnenministerium. Bund, Länder und Gemeinden teilen sich Sanierungs- und Pflegeaufgaben, die jüdischen Gemeinden ihrerseits entsenden Friedhofsbeauftragte zur Wahrung ihrer Interessen. In Österreich wurden zunächst im Staatsvertrag, später im Kriegsgräberfürsorge-Gesetz und schließlich im Denkmalschutzgesetz rechtliche Grundlagen für die Sanierung und Pflege jüdischer Friedhöfe geschaffen. Neben ihrer unverrückbaren religiösen sind die jüdischen Friedhöfe von eminenter kulturhistorischer Bedeutung, der ebenfalls Rechnung zu tragen wäre. Dieser Umstand ist jedoch viel zu wenig im öffentlichen Bewusstsein verankert, da der kulturelle Beitrag der jüdischen Bevölkerung – abgesehen von den Ikonen des Fin de Siècle – dem Großteil der Öffentlichkeit nach wie vor unbekannt ist und daher auch nicht diskutiert wird. In dieser Hinsicht ist die Zueignung von Ehrengräbern an Juden ein wesentlicher Schritt.
Die für Ehrengräber ausgewählten 37 Persönlichkeiten sind allesamt vor 1938 verstorben und repräsentieren drei Generationen Wiener jüdischer Gesellschaft seit deren Neuformierung und Konsolidierung im 19. Jahrhundert. Sie vertreten neben den Bereichen von Wissenschaft und Kultur auch Wirtschaft und soziales Engagement. Gerade die Wohltätigkeit ist für die jüdische Gemeinschaft ein ganz zentraler Aspekt, aber wer weiß schon, dass der erste Kindergarten in Wien, dass Taubstummeninstitut, Spitäler, Waisen- und Armenhäuser von Juden gegründet worden sind? Neben bekannten Namen wie Arthur Schnitzler (1862-1931), Leo Fall (1873-1925) oder Moritz Benedikt (1848-1920) findet sich der Sportfunktionär Hugo Meisl (1881-1937) ebenso wie Leopold Moll (1877-1933), Dozent für Pädiatrie. Die Gräber sämtlicher vorgeschlagener Personen befinden sich heute auf den jüdischen Abteilungen des Zentralfriedhofes bei Tor 1 und Tor 4. Demnach handelt es sich genau genommen gar nicht um Ehrengräber, die sie nun erhalten, sondern um ehrenhalber gewidmete Grabstellen, was bedeutet, dass die Stadt Wien sich verpflichtet, für deren Instandsetzung, Erhalt und Pflege aufzukommen.
Grabmal Salomon Sulzer,
1804–1921
Wie der Generalsekretär der IKG Wien, Avshalom Hodik, erklärt, waren für die Nominierung jüdischer Persönlichkeiten in der Ehrengräberkommission Verdienste um die Allgemeinheit, nicht um jüdische Angelegenheiten Vorgabe. Die Bedeutung der jüdischen Bevölkerung für die gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung Wiens wie auch der Habsburgermonarchie steht außer Zweifel; dass das Judentum nicht nur durch Einzelpersonen, sondern auch als gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft einen eigenen Beitrag zur Kultur geleistet hat, ebenso. Dann sollte eigentlich auch die Existenz einer Kultusgemeinde an sich und die Leistungen, die mit ihrer Entstehung, Entwicklung und Förderung in Zusammenhang stehen, ehrenwürdig sein. Bedeutende Rabbiner wie Isaak Noah Mannheimer oder die Gründungsväter der Wiener Kultusgemeinde wie Michael Lazar Biedermann, auch sie haben einen wesentlichen Beitrag zum Geistes- und Kulturleben in Wien geleistet. Gerade das 19. Jahrhundert stand ganz im Zeichen von Aufklärung und war geprägt durch eine starke Annäherung von Juden und Nichtjuden, so erfüllten Juden beispielsweise viele Funktionen in der nichtjüdischen Öffentlichkeit.
Man fragt sich auch, wieso Opfern des Nationalsozialismus kein Ehrengrab bzw. keine ehrenmäßige Widmung zuteil werden kann – der Kabarettist Fritz Grünbaum (1880-1941) etwa wurde in einer KZ-Urne in einem Familiengrab beim 4. Tor beerdigt; seine Grabstätte ist also durchaus vorhanden, und über seine kulturelle Bedeutung braucht wohl angesichts der bis heute gespielten Kabarettnummern kein weiteres Wort verloren werden. Sein Partner Karl Farkas (1893-1971) hat längst ein Ehrengrab der Stadt Wien. Wenn Arnold Schönberg (1874-1951), der in Los Angeles verstarb, ein Ehrengrab hat, wieso dann nicht auch beispielsweise der weltberühmte, im Stockholmer Exil verstorbene Wiener Architekt Josef Frank (1885-1967)? Oder Fanny von Arnstein (1758-1818), die Salonière des Wiener Kongresses? Ihre Grabstelle befand sich einst auf dem Währinger jüdischen Friedhof, die Nazis ließen ihre Gebeine enterdigen und zu sogenannten rassekundlichen Forschungen ins Naturhistorische Museum verbringen. Seither sind ihre sterblichen Überreste verschwunden. Ein Ehrengrab wäre sie sicherlich wert. In der jüdischen Abteilung des Döblinger Friedhofes ist Yella Hertzka (1873-1948) beerdigt, Mitbegründerin des „Neuen Wiener Frauenklubs“, Präsidentin der österreichischen Sektion der „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“ und Leiterin einer Gartenbauschule für Mädchen in Wien, auf dem Floridsdorfer jüdischen Friedhof Fritz Heller, der Kabarettist.
Sind Ehrengräber oder ehrenhalber gewidmete Gräber nicht möglich, so wäre doch immerhin noch an Gedenktafeln oder Straßenbenennungen zu denken. Hier wurde bisher vorzugsweise der Weg der Marginalisierung beschritten, so installierte man einen Grünbaum-Platz, der eigentlich nur aus einer Verkehrsinsel besteht für den im KZ Dachau Umgekommenen – vor den Toren des Foltermuseums im Wiener 6. Bezirk. Wäre nicht eine Umbenennung des Lueger-Platzes in, sagen wir, Fritz Beda-Löhner-Platz denkbar? Schließlich dienen die von ihm librettierten Operetten bis heute Wiens Weltruhm als Kulturhauptstadt. Und dem Altbürgermeister bleibt doch noch immer der Dr. Karl-Lueger-Ring.
Vielleicht gelingt es der Initiative der Ehrengräber für jüdische Persönlichkeiten, viele Interessierte auf die Wiener jüdischen Friedhöfe zu führen und ein Bewusstsein zu wecken für die prekäre Situation der in Wien bestehenden historischen jüdischen Grabstätten. Ein Zeichen ist sie allemal.
Tina Walzer
Tina Walzer/Stephan Templ: „Unser Wien. ‚Arisierung’ auf Österreichisch". Aufbau Verlag 2001. 292S. Euro 9,80.
Walzer ist freischaffende Historikerin in Wien, Lehraufträge an der Universität. Seit 1998 Forschungen zur Provenienz "arisierter" Kunstobjekte. Veröffentlichungen zur Geschichte der Wiener Juden seit 1800. Derzeit Arbeiten zur historischen, bautechnischen und architektonischen Inventarisierung des Währinger jüdischen Friedhofs, sowie Vorbereitung seiner Sanierung.
Gebrauchsanweisung für jüdische Männer
Sie haben wenig Selbstbewusstsein oder kennen andere jüdische Männer, die unter ständiger Ego-Migräne leiden? Dann greifen Sie zu Boy Vey! The Shiksa’s Guide to Dating Jewish Men oder geben es Ihren Freunden zu lesen. Nach der Lektüre werden Sie sich wie ein Geschenk Gottes an die Frauenwelt fühlen.
Jüdische Männer haben Sinn für Humor, sind lebenslustig, großzügig und haben ein Faible für gutes Essen. Auch sind sie ausgesprochene Familienmenschen und darüber hinaus noch gesellschaftlich sehr engagiert, heißt es da. Wer diesen Lobgesang anstimmt, ist nicht Ihre eigene Mutter, sondern Kristina Grish, eine nicht-jüdische New Yorkerin und Autorin des Buches. Irgendwann fiel es der Neunundzwanzigjährigen auf, dass alle ihre Verflossenen, rund fünfzehn in nur sieben Jahren, Juden waren. So viel jüdisches „Boyfriend-Material“ musste einen Grund haben. Die Idee für „Boy Vey!“ war geboren.
„Boy Vey!“ ist mehr als nur eine Auflistung all der tollen Eigenschaften, wie sie nur die Spezies jüdischer Mann hervorbringen kann, sondern ein Ratgeber für jede nichtjüdische Frau, die sich so ein Prachtexemplar angeln und nicht sofort wieder vergraulen will. Selbstverständlich ist ein ganzes Kapitel dem Umgang mit der „jiddischen Mamme“ gewidmet. Mama ist immer im Bett mit euch, warnt Grish. Schließlich hat Mama sehr hart daran gearbeitet, ihn zum niedlichsten kleinen Ödipus-Komplex zu formen, den man sich vorstellen kann.
Regel Nummer Eins lautet daher: Schmeichele Dich bei seiner „Alpha-Mutter“ ein!
Grish stimmt die interessierte Schickse mental auch auf die zahlreichen Familienfeste ein, die ihr drohen, hat sie einen jüdischen Mann erst einmal an der Angel. Insbesondere auf die Lautstärke sollte man vorbereitet sein. Ihr Rat: Lerne ein paar jiddische Wörter und streue sie zur rechten Zeit in die Unterhaltung ein. Das macht Eindruck. Hilfreich ist es ebenfalls, geduldig den Erinnerungen an seine Aufenthalte in jüdischen Sommerferienlagern zuzuhören. Berücksichtigt man all ihre Ratschläge, so hat man lange Freude an einem Kerl, der Frauen ganz toll zu verwöhnen weiß und das auch noch „ohne die Spur eines Macho-Gehabes“. Einziger Wermutstropfen: Jüdische Männer sind „behaart wie ein tibetanisches Hochgebirgsrind“. Und noch ein Tipp: Keine Abendesseneinladung und kein Sex an Jom Kippur! Damit hatte Kristina Grish nämlich ganz schlechte Erfahrungen. Denn nach einem ausgiebigen Mahl mit anschließender Liebesnacht an diesem Feiertag bekam ihr Lover eine derart große Schuldgefühlattacke, dass er in Tränen ausbrach. Die romantische Stimmung war im Eimer.
Doch Undank ist der Welten Lohn! Da stimmt eine Frau das Loblied auf die jüdischen Männer an und schon erschallt der Ruf „Antisemitin!“ Denn jüdische Frauen verstehen überhaupt keinen Spaß, wenn es um Konkurrenz geht. Auf Webseiten und in Leserbriefen machen sie Kristina Grish dafür verantwortlich, dass sie nun angesichts des zu erwartenden Ansturms nichtjüdischer Frauen als alte Jungfern enden werden. Und das, nur weil diese ihnen dank der Ratschläge Grishs jetzt sämtliche Kerle vor der Nase wegschnappen. Ich wurde regelmäßig von amerikanischen jüdischen Männern wegen einer langweiligen, dummen und unattraktiven Nicht-Jüdin verlassen, beklagt beispielsweise Pamela Moteles aus Jerusalem in „Haaretz“. Extra ist sie aus den USA nach Israel gekommen, um endlich einen jüdischen Gatten zu finden. Nicht-Jüdinnen wie die Autorin des Buches haben mich im wahrsten Sinne des Wortes aus meinem eigenen Land vertrieben. Auch fördere die Autorin die Mischehe, heißt es an anderer Stelle. Kristina Grish betreibe damit nichts Geringeres als die Zerstörung des Judentums, „Boy Vey!“ sei deshalb mindestens so gefährlich wie „Mein Kampf“.
Aber wieso in Panik verfallen, meine Damen? Kristina Grish kann zwar auf einen reichen Erfahrungsschatz in Sachen jüdischer Männer zurückblicken, doch geblieben ist keiner bei ihr. Und warum kann die Lektüre der Gebrauchanweisung für den jüdischen Mann nicht auch hilfreich für die jüdische Frau sein? Von Schicksen lernen, heißt siegen lernen, sollte die Reaktion lauten.
Ralf Balke
Kristina Grish, Lulu (Illustrator): "Boy Vey! The Shiksa's Guide to Dating Jewish Man", Simon Spotlight Entertainment 2005, Taschenbuch, 176 Seiten, bei amazon.de € 12,50. Auf der Deutsch ist der Führer zur Behandlung jüdischer Männer noch nicht erhältlich.
Wir senden Ihnen gerne die aktuelle oder eine frühere Ausgabe der Illustrierten Neuen Welt zu. Bestellen.
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Letzte Änderung: 03.01.2012
Webmeisterin+Redaktion: Mag. Ditta Rudle
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