Jakov Bararon: Aquarell aus dem Zyklus
"Ich und die Farbe sind eins"
Jakov Bararon lebt seit 1992 in Wien und
gestaltete bereits einige Titelbilder für die INW.
Nach der Veröffentlichung des Zwischenberichts der Winograd Kommission, die das Verhalten der Staatsführung im zweiten Libanonkrieg untersucht, wächst in Israel der öffentliche Druck auf den Premier Ehud Olmert. Der Bericht hatte Olmert für einen erheblichen Teil der schwerwiegenden Misserfolge des Krieges persönlich verantwortlich gemacht. Die israelische Außenministerin Tsippi Livni forderte den Premier dazu auf, sein Amt niederzulegen. Sie gesellte sich damit zu einer wachsenden Zahl von Abgeordneten aus Olmerts Kadima Partei, die ihren eigenen Premier absetzen wollen. Ein Minister vom wichtigsten Koalitionspartner, der Arbeiterpartei, hatte bereits sein Amt in der Hoffnung niedergelegt, damit eine Dynamik des Druckes zu erzeugen. Nun soll der Verteidigungsminister Amir Peretz, Vorsitzender der Arbeiterpartei, laut hartnäckigen Gerüchten inzwischen ebenfalls erwägen, sein Amt niederzulegen.
Livni werde ihr Amt nicht verlassen, erklärte sie. Nachdem der Bericht ihr besonnenes Verhalten im Krieg ausdrücklich gelobt hatte, sei es ihre Aufgabe, die Umsetzung der Empfehlungen des Berichts sicherzustellen. Beobachter mutmaßten, dass die stellvertretende Premierministerin bleibt, um Olmerts Posten im Falle dessen Rücktritts übernehmen zu können. Ich glaube, dass Kadima weiterexistieren muss, um Israel zu führen. Wir müssen einen neuen Vorsitzenden in Vorwahlen wählen, und ich werde mich den Wahlen stellen, sagte die Frau, die wegen ihres Images der Unbestechlichkeit inzwischen einer der beliebtesten Politiker Israels ist. Dabei sprach sie wahrscheinlich den meisten Abgeordneten der Knesset, des israelischen Parlaments, aus dem Herzen, als sie Forderungen der Opposition nach Neuwahlen als „Fehler“ bezeichnete: Israel braucht Stabilität, sagte sie. Falls Olmert zurücktritt, hätte sie gute Chancen, eine neue Koalition in der Knesset bilden und regieren zu können.
Doch Olmert scheint noch entschlossen, an seinem Amt festzuhalten. Die Regierung, die die Fehler begangen hat, ist auch für deren Wiedergutmachung verantwortlich, sagte ein kampfbereiter Olmert. Noch ist unklar, wie viel Unterstützung die Rebellen innerhalb Kadima genießen. Sollte Peretz ihm die Gefolgschaft aufkündigen, käme das jedoch dem Ende von Olmerts Regierung gleich. Die Mehrheit der Arbeiterpartei, die sich kurz vor eigenen Vorwahlen befindet, will mehr Distanz zu Olmert. Der unbeliebteste Premier in der Geschichte Israels, der, neben dem Scheitern im Libanonkrieg auch in vier Korruptionsaffären verdächtigt wird, darf laut manchen Umfragen von kaum noch zwei Prozent der Bevölkerung Unterstützung erwarten.
Außer der rechten Oppositionspartei Likud, angeführt vom Ex-Premier Benjamin Netanyahu, gibt es keine große Partei, die von Neuwahlen profitieren würde. Die linke Arbeiterpartei befindet sich inmitten von Vorwahlen und würde laut allen Umfragen erhebliche Verluste erleiden.
Zwei der Kandidaten, die sich bei Wahlen um den höchsten Posten bemühen könnten, Ehud Barak und Benjamin Netanyahu, sind ehemalige Premierminister, deren Amtszeiten in Tragödie endeten und deren Führungsstil von Hybris gekennzeichnet ist. Beide wurden zumindest indirekt von der Kommission für den Libanonkrieg mitverantwortlich gemacht. Barak hatte Israel einseitig aus dem Libanon zurückgezogen und geduldet, dass die Hisbollah dort eine Machtbasis aufbaut. Netanyahu agierte als Minister ebenfalls nicht dagegen. Bleibt nur der Paläopolitiker Shimon Peres, dessen Name immer dann in den Vordergrund tritt, wenn die Israelis ratlos sind. Er hat noch niemals einen Wahlsieg errungen, auch diesmal sind seine Aussichten nicht besser, sobald sich die Gemüter in Israel beruhigen.
Der Autor Manfred Gerstenfeld widmet sich in seinen Publikationen dem Verhäötnis zwischen Israel und Europa.
Gerstenfeld hat die Shoah in Amsterdam überlebt, ist 1968 von Frankreich nach Israel gegangen und heute Vorsitzender des Board of Fellows beim Jersualemer Center for Public Affairs und Mitherausgeber der Jewish olitical Studies Review. Vor zwei jahren hat er das Buch "Isarael and Europe: An Expanding Abyss?" veröffentlicht. Stephan Grigat analysiert die von Gerstenfeld aufgestellten Thesen. Lesen Sie mehr in der Printausgabe der INW.
Manfred Gerstenfeld: European-Israelie Relations: Between Confusion and Change? Jerusalem Center for Public Affairs. Jerusalem, 2006. 230 S., $ 20,–.
Anlässlich zum 40. Jahrestag der Vereinigung Jerusalems finden Sie im Heft April / Mai 2007 einen Auszug aus dem jüngsten Werk unseres Israelkorrespondenten Gil Yaron.
Seit Jahren ist Gil Yaron für die INW tätig. Als promovierter Mediziner entdeckte er schon in seiner Studentenzeit seine Liebe zum Journalismus. Heute betreut er neben der Illustrierten neuen Welt zahlreiche deutschsprachige Zeitungen, Rundfunk und Fernsehstationen. Yaron wurde in Haifa geboren, verbrachte seine Jugend in Deutschland und studierte in Israel und den USA.
Hinter dem schlichten Titel „Jerusalem – ein historisch, politischer Stadtführer“ verbirgt sich eine tiefgründige Analyse dieser historischen und für drei Weltreligionen bedeutenden Stadt. Die Wiege des Judentums und des Christentums ist auch dem Islam heilig. Seit Jahrtausenden wird um die Vorherrschaft in dieser Region gekämpft. Gil Yaron gelingt es auf nur 239 Seiten, eine essentielle Brücke von den Anfängen bis zur Gegenwart zu schlagen. Im Mittelpunkt steht der Nahostkonflikt, dessen historische Wurzeln er untersucht. Dieser Stadtführer setzt sich eingehend mit den politischen Aspekten Jerusalems in kurzer und prägnanter Weise auseinander und regt dazu an, sich intensiver mit dieser faszinierenden und umkämpften Stadt zu befassen.
Gil Yaron: Jerusalem. Ein historisch-politischer Stadtführer. C. H. Beck, 2007. Paperback, 239 S., mit 50 Abbildungen und 8 Karten. € 13,30.
Ein Spaziergang durch die sonnigen Straßen der Mittelmeermetropole Tel Aviv täuscht. Die Cafés sind rund um die Uhr so voll, dass man den Eindruck erhält, in Israel würden nur die KellnerInnen und Barmänner arbeiten. Doch dem gemütlichen Anblick zum Trotz läuft die israelische Wirtschaft auf Hochtouren. Ungeachtet denkbar ungünstiger Bedingungen erweist sich der 7 Millionen-Staat als ernst zu nehmender Konkurrent der fernöstlichen Tigerstaaten. Nachdem die Wirtschaft in den letzten zwei Jahren bereits um mehr als 5% per annum wuchs, sagte die Zentralbank für 2007 wieder ein Wachstum von 5,1% voraus. Die Arbeitslosenzahl sank auf ein zehnjähriges Rekordtief von 7,7%. Die Regierung muss Haushaltsüberschüsse verwalten, obschon damit sie die Steuern senkte. Die Wirtschaft im nahöstlichen Krisengebiet boomt, als ob man hier niemals Nachrichten lesen würde.
Der Aufschwung ist alles andere als selbstverständlich. Letzten Sommer führte Israel einen kostspieligen, einmonatigen Krieg gegen die libanesische Hisbollah-Miliz, den eine Million Bürger untätig in Bunkern verbrachte. In diesem Jahr gibt der Staat erheblich größere Summen für Verteidigung aus. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen rund 10% der Spitzenpolitiker und Beamte wegen Korruptionsverdacht und Sexskandalen oder hat bereits Anklage erhoben. Die Regierung des Premiers Ehud Olmert ist schwach und handlungsunfähig, von einem Friedensprozess kann nicht einmal ansatzweise die Rede sein. Trotzdem hat die Landeswährung, der Schekel, in den letzten Monaten rund 20% gegenüber dem US$ gewonnen. Börsenkurse schnellen in die Höhe. Israelis investierten im letzten Jahr rund 8 Milliarden US$ im Ausland, doch Dank ausländischer Investitionen sind die Devisenreserven so groß wie noch nie in der Geschichte. Trotz des Booms war 2006 durch eine Deflation von 0,1% gekennzeichnet. Angesichts des anhaltenden Erfolges im Führungsvakuum witzeln die Medien bereits, der Staat funktioniere ohne eine Regierung vielleicht besser.
Doch im Heiligen Land ist nicht alles eitel Sonnenschein. Der Wohlstand hat sich nicht gleichmäßig verteilt, besonders die ärmeren Schichten sind im Vergleich zur gebildeten Elite immer weiter ins Hintertreffen geraten. Mehr als ein Drittel der Kinder wachsen inzwischen in Armut auf. Armut ist besonders im Sektor der Araber und der orthodoxen Juden verbreitet, die große Familien und einen niedrigen Bildungsstand haben und sich oft nur von staatlichen Zuwendungen ernähren. Die anhaltenden Spannungen mit den Palästinensern verhindern außerdem, dass sich der Tourismus, früher eine wichtige Devisenquelle, erholt. Das vor wenigen Jahren fertig gestellte neue Flughafenterminal war für fünf Millionen Fluggäste ausgelegt. Dieses Jahr rechnet man höchstens mit 1,4 Millionen Besuchern.
Der Boom ist das Resultat einer harten Fiskalpolitik des ehemaligen Finanzministers Benjamin Netanyahu, der die Zuwendungen des Sozialstaats erheblich kürzte und staatliche Unternehmen ungeachtet der Opposition einer ehedem übermächtigen Gewerkschaft erfolgreich privatisierte. Hauptmotor ist der Export, mit dem Israel im Vorjahr 53,6 Milliarden US$, 38% des Bruttosozialproduktes, erwirtschaftete. Das ist fast doppelt soviel wie noch vor vier Jahren. Es sind nicht mehr die bekannten Jaffa-Orangen, mit denen Israel die positive Handelsbilanz erzielt. Wichtigstes Exportgut sind geschliffene Diamanten, die in Ramat Gan, der größten Diamantenbörse der Welt, gehandelt werden.
Die Zuwächse haben die Israelis jedoch in erster Linie ihrer differenzierten High-Tech-Industrie zu verdanken, deren Innovationsgeist die Weltmärkte erobert. Die israelische Wirtschaft, die den höchsten Anteil an Akademikern weltweit hat, ist nach den USA am New Yorker Technologieindex Nasdaq mit mehr Firmen vertreten als jedes andere Land der Welt. Von Lungenaufnahmen ohne schädliche Röntgenstrahlung, Design von Intels neuesten Computerchips, der Erfindung der Firewall, bis zu weltweit verbreiteten Softwarelösungen für Handys und Computer sind mehr als ein Fünftel israelischer Exporte innovative medizinische, optische und elektronische Produkte. Diesem Wirtschaftszweig sagt die Zentralbank ungeachtet der politischen Situation auch weiterhin ein stabiles Wachstum voraus. Sollte die momentane Ruhe zudem weiter anhalten, dann erwartet das Gutwetterland Israel Dank seiner blütenweißen Strände, einem reichen Kulturerbe und hervorragender touristischer Infrastruktur vielleicht bald ein weiterer Boom. Gil Yaron
Gartenseite Haus Tugendhat
Bergauf fahren oder spazieren BesucherInnen zum Haus Tugendhat, das sich zwischen Villenbauten mit Gärten an einem Hang im Nordosten Brünns befindet. Während die anderen Bauten mehrgeschossig sind, sticht dieser von der Straßenseite aus gesehen eher schlicht anmutende weiße Bau heraus. Von der Straßenseite aus sind der Vorplatz und nur das Obergeschoss sichtbar. Im linken Gebäudetrakt befindet sich hinter einer geschwungenen, ursprünglich aus Milchglas bestehenden Wand versteckt die Eingangstür, die zu einer großzügig angelegten Eingangshalle führt. Von dort aus gelangen BesucherInnen durch raumhohe Türen in die Privaträume (Vorzimmer, Schlafzimmer und Badezimmer) oder auf einer im Halbkreis geführten Wendeltreppe in den zentralen Wohnbereich. In einem separaten, mit dem Wohntrakt durch ein Flachdach verbundenen Gebäudeteil befinden sich die Garage und die getrennt begehbare Chauffeurswohnung mit Wohnküche, Schlafzimmer, Vorraum und Bad. Zwischen den Gebäudeeinheiten entsteht somit ein breiter Durchgang zur Terrasse mit einem einzigartigen Blick über das Panorama von Brünn. Von der Straßenseite nicht einsehbar, öffnet sich talseitig das an einem stark abschüssigen Gelände gelegene Gebäude dem Garten. Die Stahlskelettkonstruktion mit zwei Geschossen auf einem Kellergeschoss als eine Art Sockel weist eine Gesamtnutzfläche von rund 1250 m2 auf. Hinter der großen Terrasse im Obergeschoss liegen die Schlafzimmer. Darunter öffnet sich das Haus mit dem durch Glasflächen gegliederten Stockwerk mit dem Hauptwohnraum samt ostseitig gelegenem Wintergarten, der den Raum seitlich vor Blicken von der Straße aus schützt.
(…)
Das Haus Tugendhat kann als mustergültiges Beispiel der Moderne gelten: schmuckloser Bau, Verzicht auf jegliche Ornamentik, kubisch transparente Formen, Offenheit der Raumstrukturen, reine Form, licht- und lufterfüllte Atmosphäre, Verschmelzung von Architektur und Leben, Vermittlung von Freiheit …
Wohnraum, durch eine Holzwand vom Esszimmer getrennt
Die Anlage ist Ludwig Mies van der Rohes (1886–1969) wichtigstes realisiertes Privathaus in Europa. Er selbst plante nicht nur die Architektur, sondern auch die gesamte Innenausstattung bis ins allerkleinste Detail – zum Teil in enger Zusammenarbeit mit der Innenarchitektin Lilly Reich. Obwohl überwiegend in einem kurzen Zeitraum entstanden, zählen auch die Möbelentwürfe Mies van der Rohes (für die Weißenhof-Siedlung, den Barcelona-Pavillon und das Haus Tugendhat) zu den bedeutendsten der Moderne.
(…)
Lange konnte die Familie Tugendhat das Haus jedoch nicht bewohnen, denn der Nationalsozialismus zerstörte auch ihr bisheriges Leben. 1938 emigrierten die Tugendhats.
1939 wehten auch in Brünn die Hakenkreuzfahnen. Am 4. Oktober wurde das Haus Tugendhat von der Gestapo beschlagnahmt und 1942 im Grundbuch eingetragen – Besitzer war nun das Deutsche Reich. 1945 wurde das Haus von der Roten Armee zur Unterbringung der Kavallerie und angeblich auch von deren Pferden verwendet. Es wurde von einer privaten Rhythmikschule und von der staatlichen Anstalt für Heilgymnastik beziehungsweise als Kinderspital genutzt. Schon früh forderten einige die Rekonstruktion des Gebäudes. Trotz anfänglicher Pläne, das Haus einer kulturellen Nutzung zuzuführen, diente das Haus Tugendhat schließlich von 1986 bis 1994 als Tagungsort und Gästehaus der Stadt Brünn, in dem auch Prinz Charles und Lady Di residierten. Auch wurde dort über die Trennung der Tschechischen und Slowakischen Republik verhandelt. Die vorangegangene „Renovierung“ ist heute umstritten, unsachgemäße Restaurierung, hat zu weiteren Schäden am Haus geführt. Weiters wurde die erhaltene Substanz durch nicht notwendige Erneuerungsmaßnahmen in nicht unwesentlichen Teilen vernichtet. Obwohl viele Persönlichkeiten des Brünner Kulturlebens eine Nutzungsänderung der Villa gleich nach der Wende forderten, gelang dies erst 1994. Das Haus Tugendhat wurde von der Stadt Brünn dem Städtischen Museum übereignet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 2001 wurde die Villa Tugendhat in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes als Denkmal moderner Architektur aufgenommen.
(…)
Nach tschechischem Recht sind aber seit 1995 die Rückgabeansprüche für Immobilien aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs erloschen. Aber: Die NS- Regierung hat damals das Haus Tugendhat geraubt. Daher und aufgrund der derzeitigen prekären Situation muss es restituiert werden. Je länger zugewartet wird und somit eine fachgerechte Sanierung, wo nicht nur die Wände übermalt werden, sondern im interdisziplinären Sinne mit internationalen ExpertInnen aus Bereichen wie Konservierung/Restaurierung, Architektur, Statik, Kunstgeschichte oder Chemie gearbeitet wird, ausbleibt, desto gravierender werden die Schäden. Petra M. Springer.
Lesen Sie den gesamten Artikel in der Printausgabe der INW, 4/ 5 2007.
Kimpetbrivi – Kindbettamulett, 19. Jh.Am Anfang steht natürlich
die Religion. So auch in der von Gabriele Kohlbauer-Fritz konzipierten Ausstellung
im Jüdischen Museum Wien, die
sich mit weiblichen Lebensräumen befasst. In 1.Moses 1,27 heißt
es, dass Frau und Mann nach dem Ebenbild Gottes erschaffen wurden. Zwar war
die rechtliche Stellung der jüdischen Frau in biblischer und talmudischer
Zeit Einschränkungen unterworfen, doch im Vergleich zur nicht-jüdischen
Umwelt genoss sie auch besonderen Schutz und ökonomische Absicherung.
In vielen Stellen der Bibel wird von Frauen berichtet, die sich durch ihre
Persönlichkeit, besondere Fähigkeiten, Klugheit und Mut hervortaten
und Führungspositionen übernahmen.
Zu den traditionellen religiösen Pflichten jüdischer Frauen gehören das Anzünden der Schabbatkerzen, die Einhaltung der Vorschriften zur Menstruation (Nidda) sowie das Absondern eines Teigrestes von der Challa. All diese Gesetze beziehen sich auf die Privatsphäre: das Haus, die Sexualität und die Nahrung. Von den meisten zeitgebundenen Geboten wie dem Anlegen der Tefillin zum Morgengebet, dem Besuch des Gottesdienstes am Sabbat und an den Feiertagen und anderen sind Frauen befreit. Viele nichtorthodoxe, aber auch orthodoxe jüdische Frauen engagieren sich heute für eine Neudefinition ihrer religiösen Aufgaben und beziehen neue Aspekte in die weibliche religiöse Praxis ein. Ein neues Ritual entstand um Miriam, die Prophetin und Schwester von Moses und Aron, die gemeinsam mit ihren Brüdern die Juden aus der Knechtschaft in Ägypten führte. Im Laufe der Zeit entstand die Legende vom Miriam-Brunnen, dessen Wasser besondere Kräfte habe. Ausgehend von dieser Tradition führten jüdische Feministinnen den Brauch ein, neben den mit Wein gefüllten Elias-Becher einen mit Wasser gefüllten Miriam-Becher in die Seder-Zeremonie am Vorabend des Pessach-Festes zu integrieren. In der Ausstellung wird ein silberner Miriam-Becher von der amerikanischen Künstlerin Amy Klein Reichert gezeigt, ein gelungenes Beispiel für moderne Judaica.
Bei den Wurzeln der jüdischen Religion setzte die aus ultraorthodoxem Hause stammende amerikanisch-jüdische Künstlerin Helène Aylon in ihrem „Die Befreiung G´ttes“ genannten Projekt an. Sie untersuchte die Thora nach Aussagen oder Auslassungen, die sie mit ihrem feministischen Bewusstsein nicht in Einklang bringen konnte. Ihre Sichtweise reflektiert das berühmte Talmudzitat aus Berakhot 31b: „Die Thora spricht die Sprache der Menschen“
Hachnassat Kalla-Schale, ca. 1910
Ausgehend von der Religion erschließt die Ausstellung weitere Bereiche, in denen sich jüdische Frauen hervortaten:
Die Salonkultur mit ihrem klassen-, religions- und geschlechtsübergreifenden Charakter markierte das Erstarken des Bürgertums und seines Anliegens der politischen Teilhabe. Das Interesse der jüdischen Salons war überdies auf Emanzipation und bürgerliche Gleichstellung gerichtet. Die Blüte der klassischen jüdischen Salonkultur in Wien ist eng mit den Namen Fanny von Arnstein und Cäcilie von Eskeles verbunden. Nach ihnen machten sich hier noch Josephine von Wertheimstein um die Mitte des 19. Jahrhunderts und Bertha Zuckerkandl nach der Wende zum zwanzigsten Jahrhundert als Salonièren einen unvergessenen Namen.
Auch in der Sozialarbeit taten sich jüdische Frauen hervor. 1816 gründeten Judith Ofenheimer und Judith Lewinger den „Israelitischen Frauenwohltätigkeitsverein in Wien“, 1847 folgte der „Theresien-Kreuzer Verein zur Unterstützung armer israelitischer Schulkinder“ und 1867 der „Mädchen-Unterstützungs-Verein“. Was als philanthropische Tätigkeit begann, trug bald dazu bei, das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken. So bildeten wohltätige Frauenorganisationen eine Vorstufe zu politischen Frauenvereinen, in denen Frauen auch um ihr Stimmrecht kämpften. Für ihre politische Bewusstseinsbildung war für viele Frauen der Erste Weltkrieg mit seinen verheerenden Folgen auslösendes Moment. Enttäuscht von antisemitischen Tendenzen in der bürgerlichen Frauenbewegung wandten sich einige jüdische Feministinnen der zionistischen Bewegung zu, so Anitta Müller-Cohen, die zuvor die Flüchtlingshilfe der Gemeinde Wien organisiert hatte. Andere schlossen sich der Sozialdemokratie an, unter ihnen Therese Eckstein und Käthe Leichter, die 1942 in Ravenbrück ermordet wurde.
Portät einer polnischen Jüdin
mit Sterntichel, Aonym, 1. Hälfte 19. Jh.
Im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts engagierten sich jüdische und nichtjüdische Frauen für einen freien Zugang zum Bildungswesen. Sie kämpften für eine Berufsausbildung der Mädchen, den Zugang zur Mittelschulbildung und zur Matura und für die Öffnung der Universitäten. Eines der ersten Mädchenlyzeen in Wien wurde 1888 von Eleonore Jeiteles gegründet und später von Eugenie Schwarzwald, der bekannten Pädagogin und Schulreformerin, übernommen. Auch an den Universitäten spielten Jüdinnen eine Vorreiterrolle. Elise Richter war die erste Frau, die sich 1904 an der Wiener Universität habilitierte und in der Folge zur außerordentlichen Professorin ernannt wurde. Sie starb 1943 in Theresienstadt.
Eine Figur, anhand der die Unterschiedlichkeit von männlicher und weiblicher Perspektive ins Auge springt, ist „Lilith“. Sie verkörpert einerseits die männliche Urangst vor der Frau und wird daher mit unheilbringenden, dämonischen Kräften in Verbindung gebracht. Um die Frauen vom Einfluss Liliths fernzuhalten, entwickelte sich im Volksglauben die Vorstellung, sie bedrohe Wöchnerinnen und deren neugeborene Kinder. Spezielle, „kimpetsetl“ genannte Amulette dienten dazu, Lilith zu vertreiben. Andererseits wurde Lilith im ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhundert zur positiven Identifikationsfigur für Feministinnen und zum Symbol der unabhängigen, selbstbestimmten Frau. „Lilith“ heißt auch die amerikanisch-jüdische feministische Zeitschrift, die es sich zur Aufgabe gestellt hat „den Zeitgeist durch neue Ideen und Interpretationen zu erfassen“.
Ein Aspekt, der sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung zieht, ist das textile Element als ureigene weibliche Dimension. Frauen waren seit jeher mit der Produktion von sakralen Textilien befasst. In mühevoller Handarbeit fertigten sie Thora-Vorhänge und Thora-Mäntel. Manchmal diente auch ein Hochzeitskleid als Grundlage für die Herstellung eines Thora-Vorhangs, so im Fall des prächtigen Parochets, den Hermann Todesco, im Andenken an seine verstorbene Frau Fanny, „der Besten aller Frauen“, und ihrer Familie dem Stadttempel stiftete, und der ein Prunkstück der Ausstellung im Jüdischen Museum darstellt. Die Fertigkeiten des Textilhandwerks, des Webens, Stickens und Nähens spielten in der Sozialarbeit eine wichtige Rolle. Für Frauen stellten sie eine Möglichkeit dar, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. In Elfriede Gerstls Gedicht „Kleiderflug“ erscheinen verlorene Kleider als Metapher jüdischer Existenz. Gabriele Kohlbauer
Die Ausstellung "Beste aller Frauen — Weibliche Dimensionen im Judentum war bis 18. November 2007 im Jüdischen Museum Wien zu sehen.
Noch vor seiner großen Ausstellung Harry Webers Wien Bild, die ab Oktober im Wiener Museum auf Abruf zu sehen sein wird und an der er bis zuletzt mitgearbeitet hat, erlag Harry Weber seinem Herzleiden.
1921 in Klosterneuburg geboren, wuchs er in Wien auf und flüchtete im Jahre 1938 nach Palästina, wo er bis 1946 als Soldat in der Jewish Brigade der britischen Armee diente. Seine Eltern blieben zurück in Österreich, der Vater überlebte das Konzentrationslager, die Mutter wurde ermordet. 1946 kehrte Weber nach Österreich zurück und lebte abwechselnd in Wien und Salzburg. In den Jahren 1952 bis 1984 war in der Österreichredaktion des Stern tätig, ab 1959 als dessen Cheffotograf. Daneben arbeitete er auch für die Salzburger Festspiele, das Theater in der Josefstadt und die „Bühne“. Er pflegte nicht nur das Genre der Reportage, sondern erlangte auch einen legendären Ruf als sensibler Theater- und Künstlerfotograf.
Harry Weber war nicht nur einer der profiliertesten Fotojournalisten Österreichs, er galt auch als begnadeter Geschichtenerzähler. „Ich bin ein leidenschaftlicher Fotograf, der immer aus dem Leben heraus fotografiert – ob ich durch die Straßen gehe oder auf eine Theaterprobe. Ich habe noch nie ein Foto gestellt“, hatte Weber 2001 anlässlich einer großen Ausstellung im Wiener Palais Harrach bekannt.
Weber publizierte auch mehrere Fotobände, darunter „Wien bei Nacht“ und „Wien – Gesichter einer Stadt“, „Salzburg im Licht“, „Die Wiener Philharmoniker“ und „Jerusalem“ und nahm an mehreren internationalen Fotoausstellungen teil. 1994 präsentierte das Historische Museum der Stadt Wien seinen Fotozyklus „Die Anderen“. Im selben Jahr wurde er mit dem Dr. Karl Renner-Preis für Publizistik ausgezeichnet, weitere Ehrungen waren das Goldene Verdienstkreuz des Landes Salzburg, das Goldene Verdienstzeichen der Republik und 2002 schließlich der Große Österreichische Staatspreis für Künstlerische Fotografie und der Berufstitel Professor. 1996 zeigte das Jüdische Museum der Stadt Wien die Ausstellung „Heute in Wien. Fotografien zur jüdischen Gegenwart von Harry Weber“. 2001 wurde er in der Ausstellung „Ein photographisches Bilderleben“ im Palais Harrach gewürdigt, zu der auch ein Katalog erschienen ist. Anlässlich der Schau „Glaube in Wien“ im Stift Klosterneuburg wurde ihm 2006 auch das Stadtwappen seiner Geburtsstadt in Gold verliehen.
Gemeinsam mit Inge Morath, Franz Hubmann und Erich Lessing bildete Harry Weber ein heimisches Viergestirn einer Generation der klassischen Fotografie.
Die jahrelangen Bemühungen, das Archiv des Orpheus-Trust in Österreich zu halten, scheiterten aus finanziellen Gründen (INW 12.05/1.06) nun wandert diese Dokumentation nach Berlin.
Das Archiv der Akademie der Künste ist die wichtigste einschlägige Einrichtung im deutschen Sprachraum und betreut über 800 Nachlässe, darunter das Archiv des Jüdischen Kulturbundes. Unter den Beständen von Musikern und Musikforschern, die während der Nazizeit aus Deutschland oder Österreich fliehen mussten, befinden sich die Nachlässe von Ralph Benatzky, Hanns Eisler, Hans Heller, Georg Knepler, Artur Schnabel, Ruth Schoenthal, Mischa Spoliansky und Ignace Strasfogel. Es ist damit nicht nur die größte einschlägige Institution, es hat auch einen weltweit ausgezeichneten Ruf, hat Österreich-Spezialisten, wird entsprechend von Forschern und Interessierten aus aller Welt genutzt. Die Musikarchive werden von dem auf dem Gebiet der Exilmusik führenden österreichischen Wissenschafter Dr. Werner Grünzweig geleitet.
Das gesamte Material bleibt als ,Archiv Orpheus Trust‘ beisammen – es geschieht also auch keine Filetierung in Tonaufnahmen, Notenmaterial, Fotos usw. Nach einer Inventarisierung durch einen eigens dafür herangezogenen Mitarbeiter sind eine Buchpublikation (Hg. Dr. Werner Grünzweig, Mitherausgeberin Dr. Primavera Gruber), eine Präsentation der Bestände und die Digitalisierung der Tonaufnahmen vertraglich vereinbart; das gesamte Material wird der Öffentlichkeit unentgeltlich zugänglich sein.
Das Archiv der Akademie der Künste wird zweimal jährlich über die Aktivitäten Bericht erstatten.
Heinz Lunzer und Primavera Gruber stellen ihr Konzept für Nachfolgeaktivitäten des Orpheus Trust vor: ,orpheus.news im mica‘, eine Informationsplattform im Internet, die als eine Art ‚Clearingstelle‘ für Information und Koordination alle an ,NS-verfolgter Musik‘ interessierten Personen und ihre Aktivitäten in Österreich einbeziehen soll. Die Orpheus-Abwickler Dr. Heinz Lunzer, Dr. Felix Mayrhofer- Grüenbühl und Dr. Primavera Gruber, aber auch bisherige Vorstands- und Beiratsmitglieder sowie langjährige Kooperationspartner des Orpheus Trust stellen dazu ihre Erfahrung, ihr Wissen und ihre Expertise im verantwortungsvollen Umgang mit der vom Nationalsozialismus verfolgten, aus Österreich vertriebenen Musik in strukturierter Form zur Verfügung. Sie sind auch weiterhin für Kommunikation und Kooperation mit dem Berliner Archiv der Akademie der Künste und als Ansprechpartner in Österreich für die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene zuständig. Die angestrebte ,Europäische Plattform‘ wird sich in kleinen Schritten entwickeln: In ‚Dreierkooperationen‘ (Rostock, Schwerin, Paris; Wien, Hamburg, Berlin) wird zunächst die internationale Kooperation intensiviert.
Primavera Gruber wird ihre 1995 begonnene Erforschung und Dokumentation der verfolgten Musik in Wien fortsetzen; damit soll in ca. vier Jahren mit einem ,Österreichischen Biographischen Handbuch der vom Nationalsozialismus verfolgten Musikschaffenden‘ ein grundlegendes Standardwerk für Forschung, Lehre und Praxis vorliegen, welches die Informationstätigkeit des Orpheus Trust ersetzen kann.
Der Film „Vienna’s lost Daughters“ zeigt das Porträt von acht jüdischen Frauen, die als Kinder aus dem nationalsozialistischen Wien geflüchtet sind und in New York eine neue Heimat gefunden haben. Im Gespräch mit Ditta Rudle erzählt Regisseurin Mirjam Unger, selbst aus einer jüdischen Familie stammend, über die Dreharbeiten und ihre besondere Beziehung zur Illustrierten Neuen Welt.
INW: Wie kamen Sie auf die Idee, diesen Film zu machen und wie haben Sie die acht Frauen gefunden?
Mirjam Unger: Eigentlich kam das Projekt zu mir. Sonja Ammann und Lisa Juen hatten die Idee und auch schon ein Script bei Mobilefilm abgeliefert. Eine der acht porträtierten und interviewten Frauen, ist eine Bekannte von Lisas Familie. Die Mobilefilm wandte sich dann 2004 an mich. Ich war gerade in der Karenz und gar nicht so gierig darauf, diesen Film zu machen. Doch die Produktionsfirma wollte unbedingt jemanden mit jüdischem Background haben. Gerade das machte mir Angst, das Thema ist ja auch in meiner Familie mit so viel Schmerz und Leid verbunden.
Ist es für den Film notwendig, einen jüdischen Background zu haben?
Notwendig ist es nicht, aber es wäre ein anderer Film geworden. Es war für mich schon auch belastend, anfangs habe ich meinen eigenen jüdischen Background immer weg geschoben. Aber dann habe ich mich damit auseinandergesetzt und die Frauen und ihre Familien gaben mir die Chance, das Schreckliche zu verstehen und sie zeigten mir auch, dass sie trotz der schmerzhaften Verletzungen, den Mut und die Kraft aufbrachten, ihr Leben in einem fremden Land zu meistern.
Die Frauen sind wirklich bewundernswert, ohne Rachegedanken, ohne Schuldzuweisungen. Auch wenn zwischendurch immer wieder geweint wird, ist es eigentlich ein heiterer Film.
Ja der Film ist heiter, es war mir wichtig, dass es nicht um Schuld und Sühne geht. Das Schöne, das es auch gegeben hat, darf doch nicht verloren gehen; Kunst und Kultur, Erziehungs- und Schulsystem. Da war doch so viel Modernes, an dem die Juden beteiligt waren, so viel Freiheit auch. Wenn man immer nur mit den Schreckensbildern arbeitet, ist alles, was davor heiter und schön war, ganz weg. Ich versuche so stark, das Judentum nicht als den schweren Rucksack zu sehen, wo die ganze dunkle Geschichte drinnen ist, den ich weiter schleppe und wo ich das Gefühl haben muss, ich kann mich nicht freuen, ich darf nicht lachen, darf keine Freude, keine Freiheit, keine Lust empfinden.
Alle acht Damen
Die Wunde ist verheilt, aber die Narben bleiben und schmerzen auch immer wieder. Das sagen die alten Damen im Film.
Mir war das so wichtig, dass sie das Lachen nicht verlernt haben. Weil meine eigene Großmutter die Traumatisierung nie verwinden konnte, sie ist in der Nervenheilanstalt gelandet. Deshalb wollte ich den Film ja nicht machen, weil ich dachte, das reißt alle Wunden wieder auf. Aber im Gegenteil, es hat was geheilt, das war für mich schön und ich habe mich wirklich verliebt, in alles Positive und Heitere. Auch wenn der Schmerz nicht verleugnet werden kann. Deshalb wollte ich auch keinen Anklagefilm machen, wo es nur um die Schrecken geht. Außerdem denke ich mir, das wissen wir doch, das ist ein verankertes Wissen.
Aber auch die nächste Generation, muss Geschichte lernen.
Ja die nächste Generation muss die Geschichte wieder hören, aber die ist schon einen Schritt weiter, ich bin ja auch diese Generation.
Die Frauen mit ihren Familien sind für mich typische Amerikanerinnen. Vom Jüdischsein sprechen sie wenig.
Es sind liberale jüdische Familien. Dennoch habe ich den jüdischen Teil, das jüdische Zuhause, also eine Art Heimatgefühl wieder gefunden. Ich habe versucht, das einzufangen. Die Art zu reden, die Art Witze zu machen, das Bridge Spielen …
Das Bridge-Spielen?
Ja, ich habe das Gefühl, das ist was Jüdisches. Man ist auch so akzeptiert in den Bridgezirkeln, weil das Spielen Brücken baut, und in der Diaspora war das wichtig. Für mich war dieses Bridgespielen der Amerikanerinnen ein Stück Vertrautheit, das bringt auch die Menschen zusammen. Ich denke das alles macht die persönliche Färbung des Films aus. Da liegt das Herz drinnen, da liegt mein jüdisches Herz drinnen. Ich bin da weniger verbunden mit strenger Religion und Orthodoxie …
Sind Sie in keiner strenggläubigen Familie aufgewachsen?
Meine Urgroßeltern waren, so viel ich weiß, mit Theodor Herzl eng befreundet und begeistert von der zionistischen Idee. Mein Großvater ist schon sehr früh nach Israel gegangen und hat dort als Journalist gearbeitet, unter anderem auch für die Tageszeitung Maariv. Das Ärgste hat er nicht mehr miterlebt. Mein Vater, der in Israel geboren wurde, hat das dann weiter getragen. Israel war ihm eine große Herzensangelegenheit. Meine Mutter ist Wienerin. Meine ersten jüdischen Erinnerungen sind an den Großvater gebunden. Ich erinnere mich noch an einen sehr sehr großen Seder, da war ich vier Jahre alt. Das war ein Fest wie ich es nachher nie mehr wieder erlebt habe, das hatte eine Größe und einen Glanz …
Doch Sie sind in Wien geboren?
Ja. Ich bin in Wien in die französische Schule gegangen. Meiner Familie war es wichtig, dass ich auch eine andere Sprache kann, damit ich auch wo anders Fuß fassen kann, wenn wieder etwas passiert. Dieser Sicherheitsgedanke ist meiner Familie ganz wichtig. Außerdem wird im Lycée auchjüdische Religion unterrichtet. Nach dem Lycée war ich ein Jahr in Brasilien. Ich wollte unbedingt was anderes kennen lernen, auch um zu schauen: Wo kann man sonst och leben. Alternativen suchen, das Weltoffene war immer wichtig in meiner Familie. Mein Vater war hauptberuflich Lehrer am Lycée (Mathematik und Physik), eine Zeitlang auch Direktor der Zwi Chaim Perez-Schule in Wien und nebenberuflich auch Journalist. Er hat nämlich das österreichische Bridgemagazin gemacht. So wirklich fromm oder religiös war mein Vater nicht, aber sehr israelverbunden. Er hat auch hebräisch gesprochen, was ich leider nicht kann. Ein Teil meiner Familie lebt ja in Israel und wir haben engen Kontakt mit diesen Verwandten. Wir haben die Feiertage gefeiert, mit allen Ritualen, das schon, aber sonst leben wir nicht orthodox, mein Vater war eher freidenkend.
Ihre Familie hat eine besondere Verbindung zur Illustrierten Neuen Welt.
Mein Großvater, Dr. Imanuel Unger, hat als er nach dem Krieg wieder nach Wien gekommen war, Theodor Herzls Zeitschrift, „Die Welt“, wieder ins Leben gerufen. Mit den neuen Namen „Illustrierte Neue Welt“ . Als er gestorben 1974 gestorben ist, sollte mein Vater die Zeitschrift übernehmen, doch er ja kein wirklicher Journalist. So holte die junge Journalistin Joanna Nittenberg in die Redaktion und schlug ihr bald vor, die Zeitung doch ganz zu übernehmen. Dr. Nittenberg ist jetzt seit mehr als 30 Jahren Chefredakteurin und Herausgeberin der Zeitschrift und natürlich mit meiner Familie freundschaftlich verbunden.
Was sagt ihr Vater zu dem Film?
Leider ist mein Vater während der Fertigstellung des Films gestorben. Noch wenige Stunden vor seinem Tod hat er gefragt: Wie heißt denn deine Sendung. ?“ Da hab ich schnell gesagt: ‚Wiens verlorene Töchter.’ Das hat ihm gefallen. Und deshalb ist es dabei geblieben.
P.S: Alle acht Damen und ihre Ehemänner hatten die weite Reise nicht gescheut, um bei den Premieren in Graz (Diagonale) und Wien dabei zu sein. Bei den unterschiedlichsten Treffen und Pressekonferenzen konnte ich mich persönlich überzeugen, wie lebendig und positiv die als Kinder aus Wien vertriebenen Frauen sind. Alle berichten, dass sich ihre Gefühle im Lauf der Zeit und mehrerer Besuche in Wien gewandelt haben – manche erinnern sich noch an bestimmte Orte, andere waren zu klein, doch das Wien, das sie im Kopf haben, ist nicht das Wien, das sie jetzt besuchen. Im Kopf haben sie eine imaginäre Heimat, in die reale Stadt kommen sie als Touristinnen.
Mirjam Unger, Regisseurin, Autorin
Geboren 1970 in Klosterneuburg, 1987: Matura/Baccalaureat am Lycée
Francais de Vienne, 1993-2001: Studium der Filmregie an der Wiener Filmakademie
bei Prof. Axel Corti und nach dessem Tod bei Prof. Wolfgang Glück. Prämierte
Kurzfilme bei internationalen Festivals (Nachricht von H., Speak Easy, Mehr
oder weniger...) Mitarbeit beim ORF Radio und Fernsehen als Sendungsgestalterin
und Moderatorin. 2000 „Ternitz Tennessee, Kinofilm.
Mirjam Unger hat zwei Kinder: Maya, geboren 1995 und Wenzel, geboren 2002
Der Presseclub Concordia vergibt einmal pro Jahr den Concordia-Preis, mit dem hervorragende publizistische Leistungen für Menschenrechte, Demokratie und insbesondere für Presse- und Informationsfreiheit gewürdigt werden. Zusätzlich wird auch ein Sonderpreis für ein Lebenswerk oder für außerordentliche Verdienste im Sinne der Preisrichtlinien vergeben.
Den diesjährigen Preis für Pressefreiheit erhielt die langjährige ORF-Russland-Korrespondentin Dr. Susanne Scholl für ihre mutigen Berichterstattungen, die eine Verhaftung durch die russischen Behörden zur Folge hatten. In ihrer Laudatio betonte Irina L. Scherbakova, Kollegin und Gefährtin der Geehrten, den engagierten Einsatz für freien Journalismus und objektive Situationsberichte. Markus Müller wurde für seinen Einsatz für die Gleichberechtigung von Zuwandererkindern beim Empfang der Kinderbeihilfe geehrt. Den ehrenvollen Sonderpreis für das Lebenswerk, ein Preis, mit dem bereits so bedeutende Männer wie Vaclav Havel und Kardinal König ausgezeichnet wurden, erhielt Oskar Bronner. In der launigen Würdigung sagte Gerd Bacher, obzwar der Preisträger auch heute noch zu jung sei, dass dieser Preis ihm bereits als 27jährigen hätte verliehen werden müssen für die Gründungen zweier für Österreich zu dieser Zeit sehr außergewöhnlichen Publikationen wie dem Profil und dem Trend. Heute sei der Standard eine wichtige und bedeutende Zeitung in Österreichs Medienlandschaft.
Letzte Änderung: 03.01.2012
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