Walter Schmögner: Bild Nr. 7
aus dem achtteiligen Mkrotom-Zyklus.
Der Zyklus ist eine der vielen Werkserien,
in denen sich der Künstler mit der Vielfalt
unseres Wissens über die Natur auseinan-
der setzt. Walter Schmögner feierte im Juni
seinen 65. Geburtstag und wird durch Aus-
stellungen und Filmdokumentationen geehrt.
2007 zählte sie in den USA zu den einflussreichsten Menschen der Welt. Bald könnte Tsippi Livni als Premier Israels das Schicksal des Nahen Ostens mitbestimmen.
Außenministerin Tsippi Livni
In einer Region, in der fast ausschließlich Männer das Sagen haben, ist es vielleicht kein Wunder, dass eine der mächtigsten Frauen einst ausgesprochen burschikos war. Die heute dezent geschminkte israelische Außenministerin Tsippi Livni (49) spielte als Kind in Tel Aviv lieber mit Buben Fußball als mit Puppen und fiel ansonsten durch einen widerspenstige blonden Lockenschopf auf.
Interesse an der Politik wurde ihr in die Wiege gelegt. Mutter Sarah und Vater Eitan waren Kämpfer der jüdischen Untergrundbewegung „Etzel“ und das erste Paar, das im 1948 neu gegründeten Staat Israel eine Ehe schloss. Livnis Vater schaffte in den siebziger Jahren den Sprung in die Knesset, dem israelischen Parlament. So schlug Tsippis Herz früh für die Politik – und zwar die konservative. Mit 15 kletterte sie auf Bäume, um rote Fahnen der regierenden Sozialisten abzumontieren und kassierte bei Protesten gegen die Rückgabe der von Israel eroberten Territorien Polizeiprügel. Doch Livni, heute die populärste Politikerin Israels, hat seither nicht nur ihre unbändigen Locken sondern auch ihr Auftreten geglättet und eine politische Kehrtwende gemacht. Aus der jungenhaften Offizierin und späteren Spezialagentin des israelischen Geheimdiensts Mossad ist eine berechnende Politikerin geworden. Die 49-Jährige hat gute Chancen, den von einem Korruptionsskandal geschwächten Premier Ehud Olmert an der Spitze der Regierungspartei „Kadima“ abzulösen. Dann entscheidet sie über die zaghaft begonnenen Verhandlungen mit Palästinensern und Syrern und damit über Krieg und Frieden in einer unberechenbaren Krisenregion.
Den frechen und direkten Stil ihrer Jugend hat die verheiratete Mutter zweier Söhne längst abgelegt. Sie schöpft ihre Macht und Beliebtheit aus der Fähigkeit, zu vermitteln. Aggressionen lebt sie höchstens an ihren Trommeln aus: diese Art des Musizierens ist ihr Hobby.
Die israelischen Medien wurden erstmals auf sie aufmerksam, als die Hinterbänklerin der „Likud“-Partei den damaligen Premier Ariel Scharon mit seinen jüngeren Gegnern unter dem charismatischen Benjamin Netanyahu aussöhnte. Womit Livni einen frühzeitigen Bruch verhinderte. Immer wieder nimmt sie die Vermittlerrolle ein. Nicht nur Scharon, auch ihre politischen Gegner schätzen neben ihrer Intelligenz und analytischen Fähigkeiten vor allem ihre Geradlinigkeit.
Trotzdem blieb sie wandlungsfähig. Wider ihrer alten politischen Überzeugung verließ sie 2005 gemeinsam mit Scharon die Hardliner der „Likud“-Partei und gründeten die „Kadima“, um den Pragmatikern in der israelischen Politik die Oberhand zu sichern und den Palästinensern territoriale Zugeständnisse machen zu können.
In Anerkennung ihrer Treue hievte Scharon die Jungpolitikerin die Karriereleiter empor. Das Land sah Livni auf einem Ministerposten nach dem anderen, manchmal auf mehreren gleichzeitig.
Die große Stunde ihrer Kompromissfähigkeit war der Libanonkrieg im Jahr 2006: Einzig Livni setzte sich bereits am dritten Tag des 34-tägigen Krieges für eine diplomatische Lösung ein, und errang für Israel die UN-Resolution 1701, der einzige Erfolg des Kriegs.
Livni verdankt ihre Beliebtheit auch ihrem Ruf als „Sauberfrau“. Eine Welle von Korruptionsaffären erschüttert seit Jahren die israelische Politik. Ihre vier Vorgänger und zahlreiche Kollegen im Parlament stehen unter Korruptionsverdacht. Livni dagegen erntet immer wieder Anerkennung für ihre „saubere“ Politik.
Der Idee von Groß-Israel hat die überzeugte Patriotin den Rücken gekehrt. Einem anderen Gelübde ihrer Jugend ist sie aber treu geblieben. Seitdem sie als 13jährige eine Beschreibung der Schlachtung von Hühnern las, ist sie Vegetarierin.
Die zerstörten Korallen in Eilat sind von
einer Sandschicht bedeckt und zerfallen.
Früher war Dr. Nadav Schaschar Kapitän eines israelischen Raketenbootes, heute will der Meeresbiologe mit der aggressiven Ideologie, die er in der Marine erlernte, Umwelt, Frieden und das Weltklima retten. Vor vier Jahren hatte Schaschar eine revolutionäre Idee: Umweltschützer setzen sich ein, um das Korallenriff vor dem Urlaubsort Eilat am Roten Meer zu retten. Doch seit Jahren befinden wir uns auf dem Rückzug. Wir wollen das Bestehende erhalten, aber jedes Jahr verlieren wir mehr Korallen und Fische, so der Forscher von der Ben Gurion Universität. Noch vor zwanzig Jahren waren 70 Prozent der Korallen auf dem Riff, an manchen Stellen nur 20 Meter vor der Küste, lebendig. Heute, so das israelische Umweltministerium, lebt nur noch rund ein Drittel der Korallen. Schaschar will nicht mehr verteidigen. Wer die Umwelt schützen will, muss aktiv vorgehen. Wenn man immer nur darauf wartet, dass wieder etwas zerstört wird, verliert man auf Dauer jeden Kampf, sagt er.
Das Korallenriff in Eilat ist besonders wertvoll. Die rund 1200 Meter lange, bis zu vier Metern hohe Wand ist eines der nördlichsten Riffe der Welt. Dank stabiler und hoher Wassertemperaturen zwischen 21°–30°C hat es eine besonders große Artenvielfalt: Mehr als 270 verschiedene Korallenarten, 1270 verschiedene Fischarten und 1120 Mollusken, ganz abgesehen von den Seeschildkröten, Tintenfischen und Delphinen verwandeln dieses einzigartige Ökosystem in ein Taucherparadies. Doch das Paradies ist in Gefahr. Die rasante Entwicklung des Seehafens Eilat als südliches Tor der blühenden israelischen Wirtschaft und die boomende Tourismusindustrie des ewig sonnigen Badeortes haben den Korallen schwer zugesetzt. Taucher richten, sei es aus Unwissen, Fahrlässigkeit oder böser Absicht, immer wieder horrende Schäden an. Organische Abfälle, die ins Wasser geleitet wurden, haben das glasklare Wasser getrübt und das Wachstum schädlicher Organismen ermöglicht, immer wieder geraten beim Entladen der Handelsschiffe Schadstoffe ins einst reine Wasser. Besonderen Schaden hat die Marikultur angerichtet: die Haltung von Fischen in Netzgehegen hat zur Überdüngung geführt. Zwar hat ein Gerichtsurteil vor kurzem endgültig die Entfernung der Fischfarmen bis zum Sommer befohlen. Längst klärt die Stadt Eilat ihre Abwässer vorbildlich, bevor sie diese ins Meer leitet. Doch laut Schätzung von Umweltschützern kann es Jahrzehnte dauern, bis die empfindlichen Korallenriffe sich wieder erholen.
Bewohner im gesunden Riff
Solange wollte Schaschar aber nicht warten und erdachte deswegen ein neues Konzept. Dies soll nicht bloß die einzigartige ökologische Nische Eilats retten, sondern auch gleichzeitig dem Frieden mit dem Nachbarstaat Jordanien neue Inhalte verleihen und vielleicht eines Tages helfen, die Weltklimakatastrophe zu verhindern. Schaschar geht in die Offensive über, anstatt Bestehendes zu schützen, schafft er neue Korallenriffe. Je mehr künstliche Riffe wir errichten, desto mehr gelingt es uns, Taucher von den natürlichen Riffen abzuhalten. Hier können wir bestehende Korallenarten vermehren und erforschen. Dies gibt uns die Option, das Ökosystem im Golf von Akaba langfristig zu erhalten, so die Vision Schaschars.
Zu diesem Zweck machte sich der Meeresbiologe vor vier Jahren mit mehreren Kollegen daran, künstliche Riffe zu konzipieren. Das Ergebnis jahrelanger Forschung mutet anfangs plump an. Es sind unförmige, metergroße Betonblöcke. Vor wenigen Monaten wurden die ersten Prototypen ins Wasser gestellt. Dann werden Korallen eingepflanzt, die vorher in speziellen Korallengewächshäusern herangezüchtet wurden. Bisherige Versuche, Korallen im Meer künstlich anzusiedeln, waren eher plump, erklärt Schaschar die Besonderheit seines Projekts. Er vergleicht sie mit Zelten, in denen Korallen ein dürftiger Unterschlupf geboten wurde. Im Vergleich dazu ist unsere Entwicklung ein Dreisternehote“, sagt Schaschar stolz. Unzählige Faktoren müssen berücksichtigt werden, um die Betonblöcke, die wie riesige Hüftgelenke aussehen, korallenfreundlich zu gestalten, wie der pH Wert des Betons, die Strömungsrichtungen von Sand, Wasser und Nährstoffen.
Integraler Bestandteil seines Konzepts ist die Zusammenarbeit mit Jordanien. Unter der Leitung von Professor Fuad al Horani der Meeresforschungsstation im Akaba, der jordanischen Nachbarstadt am Roten Meer, rief Schaschar ein grenzüberschreitendes Ökoprojekt ins Leben. Nach dem Pilotprojekt in Eilat wurden bereits drei künstliche Riffe in Akaba angelegt. Eine Korallenfarm in Israel und zwei in Jordanien produzieren hunderte Setzlinge im Jahr, die in die Betonblöcke eingesetzt und zu einer Attraktion für Taucher werden. Während in anderen künstlichen Riffen nur bis zu vier Arten angesiedelt wurden, leben in den Korallenhotels des Roten Meeres zwölf verschiedene Korallenarten, mit einer Überlebensrate von 70% Prozent. In den neuen Lebensräumen fanden hunderte Fische ein neues Heim. Jugendaustausch ist ein wichtiger Bestandteil des Friedensprojekts. Vor vier Monaten fuhren israelische Kinder nach Akaba, um dort mit Jordaniern gemeinsam unter Wasser Algen zu pflanzen: Das Riff auf der anderen Seite ist riesig und wunderschön. Unsere Gastgeber waren total nett. Ich will auf jeden Fall wieder rüber, um sie besser kennen zu lernen, schwärmt die 12jährige Lilach Schaschar.
Doch nicht alles ist eitel Sonnenschein: Der israelische Geheimdienst erschwert die Zusammenarbeit mit den Jordaniern erheblich, klagt Schaschar. Seinem jordanischen Kollegen al Horani haben die bürokratischen Hürden inzwischen jeden Israelaufenthalt vergällt. Doch al Horani ist nicht der einzige, dessen Besuch verhindert wird, selbst hochrangige jordanische Regierungsbeamte erhalten nur nach großem Aufwand das Visum nach Israel, der Gegenbesuch jordanischer Schulkinder könnte, anstatt in israelischen Gewässern stattzufinden, wegen der bürokratischen Probleme ganz ins Wasser fallen. Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung ging in der Redaktion keine Reaktion vom Geheimdienst ein.
Der ambitionierte Schaschar begnügt sich aber nicht mit der Aussicht, Frieden und den Golf von Akaba zu retten. Die Umweltministerin der Seychellen hat allenfalls bereits bei Schaschar vorbeigeschaut. Sollte der Meerespegel wegen des Klimawandels steigen, könnten künstliche Riffe ihre Inselgruppe vor Überschwemmungen schützen. Doch sie könnten die Seychellen auch anders retten: Hotels könnten sie vor dem Strand aufstellen und Touristen anziehen, damit würden die natürlichen Riffe geschützt , hofft der Meeresbiologe. Ein weiterer globaler Aspekt gesellt sich hinzu: Korallenriffe fixieren genau so große Mengen des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) wie tropische Urwälder, sagt Schaschar. So gefährdet ihr Absterben das Weltklima gleich zweimal: Es fallen nicht nur die Kapazitäten weg, die das schädliche CO2 aus der Luft entfernen. Je höher der CO2 Gehalt in der Luft wird, desto säurehaltiger wird das Meereswasser. Tote Riffe könnten sich dann buchstäblich in CO2 auflösen, ihr Kalk ist nur eine andere Form des Treibhausgases, warnt Schaschar. Seine künstlichen Riffe könnten, weltweit angewandt, in Zukunft einen erheblich Beitrag zum Klimaschutz leisten. Dann, meint der ehemalige Marineoffizier, wäre es ein lohnender Einsatz gewesen.Gil Yaron
In Ungarn marschieren die Rechtsextremisten auf den Straßen und antisemitische Artikel werden in rechten Medien publiziert. Zum Beispiel veröffentlichte der Journalist Zsolt Bayer am 18. März 2008 in der ehemaligen liberalen – heute rechtskonservativen, der Fidesz nahestehenden – Tageszeitung „Magyar Hirlap" einen Angriff gegen jüdische oder als solche wahrgenommenen Intellektuelle. Der geschmacklose Text endet so:
"1967 haben die Budapester jüdischen Journalisten noch Israel geschmäht. Dieselben Budapester jüdischen Journalisten schmähen heute die Araber. Und die Fidesz. Und uns. Weil sie uns mehr hassen als wir sie. Sie sind unsere Rechtfertigungsjuden – sprich: ihre schiere Existenz rechtfertigt den Antisemitismus.[...] Unsere Aufgabe ist lediglich, dass wir ihnen nicht gestatten in das Becken des Landes zu pinkeln und hineinzuschnäuzen. Sagen wir es bestimmt, dass wir das nicht gestatten. Dann aber schauen wir gemütlich zu wie sie am Rande herumrennen. Ein Haufen unglückseliger Kranker. Sie werden ermüden."
Kurze Zeit nach Veröffentlichung dieses Artikels zeigten die Medien bei der Feier zum 20. Jahrestag der Gründung von Fidesz ein gemeinsames Auftreten von Oppositionschef Viktor Orbán und Zsolt Bayer, das Signalwirkung hat.
INW: Hat Dich das Phänomen expliziter Antisemitismus in den Medien nach der Wende überrascht?
Gadó: Wenn die Wende 1989 bedeutet, ja. Ich war bestürzt wie jeder wohlgesinnte Mensch in Ungarn und in den anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks. Die nach 1989 wieder erscheinenden Rechten wollten an den Stand von 1938 anknüpfen, beim autoritären mit Feindbildern operierenden Nationalismus. Die Vertreter einer nüchternen, mit dem Westen sympathisierenden demokratischen Rechten gerieten in dieser Atmosphäre in die Minderheit und in den Hintergrund. Während nur eines Jahres nach der Wende änderten sich die Fronten. Anstatt Kommunisten und Antikommunisten standen aggressive Nationalisten gegen Demokraten und Linke – wie 1938.
INW: Was ist der Grund für diesen in fast jeder Gesellschaftsschicht spürbaren Antisemitismus?
Gadó: Leider musste ich einsehen, dass der Antisemitismus – von dem ich vor 1989 glaubte, er gehöre endgültig der Vergangenheit an – außerordentlich virulent, anpassung- und erneuerungsfähig ist und mit uns bleibt. So kann ich nur auf die Frage antworten, warum der Antisemitismus in Ungarn sich so äußert.
Die Wahlkampagne 2006 wollte die kleinen Leute ansprechen, die sich nach der Sicherheit und dem relativen Wohlstand der Kádár-Periode sehnten. Die zwei Großparteien, Fidesz und MSZP, wetteiferten darum, wer mehr verspricht. Während einer geschlossenen Beratung der siegreichen Sozialisten sagte der neue Ministerpräsident Gyurcsány, dass diese Versprechen Lügen waren und es so nicht weitergeht. Das kam an die Öffentlichkeit und die demagogische Opposition erklärte den Ministerpräsidenten, der die Wahrheit gesagt hatte, zum Lügner.
Als Antwort kam es zu einer kleinen Rebellion – die Menschen fingen an Gyurcsány zu hassen, weil er keine unhaltbaren Versprechungen machte und nicht mehr das sagte, was sie hören wollten.
Pionier dieser „Revolution“ war die antikommunistische und antisemitische Rechtsextreme. Gleichzeitig wurden die Massen vom Oppositionsführer Viktor Orbán angefeuert, der sich im letzten Augenblick immer geschickt von der Gewalt distanzierte.
Da erschienen in Ungarn die bis dahin unbekannten, randalierenden Hooliganbanden, da begannen die Websites, die nicht mehr den Holocaust leugnen, sondern diesen rechtfertigen, Websites, die ganz offen zur Gewaltanwendung aufhetzen und auch die Namen, Bilder und Adressen der ihnen nicht genehmen Personen publizieren.
Es begann der Eroberungszug der die Arpadfahne schwenkenden „Ungarischen Garde“, die nichts anderes ist als der militärische Flügel der rechtsextremen Partei Jobbik. Ihre Popularität wächst wegen der Spannung und den häufigen Konflikten, die auf dem Land das Verhältnis der Roma und Nicht-Roma kennzeichnet. Da wurden auch die „Goi Motorradfahrer“ populär.
Zusammenfassend: Diese Revolution hat eine neue, jüngere, gut vorbereitete und unendlich aggressive Subkultur in Ungarn – wo es zwischen Rechts und Rechtsextrem keine scharfen Grenzen gibt – hervorgebracht, was sich auch klar in der Mediengruppe zeigt, die von Fidesz geschaffen wurde und wo einzelne Medien den Antisemitismus tolerieren.
INW: Die ungarische Gesellschaft ist polarisiert und befindet sich in einer tiefen Krise, wie siehst Du die unmittelbare Zukunft?
Gadó: Es ist zu befürchten, dass diese aggressive Subkultur Teil des Alltags wird, dass wir damit leben müssen und Tag für Tag ihre Drohungen, ihre Unverfrorenheit ertragen müssen. Ungarn ist Mitglied der EU und es droht uns keine Machtergreifung der Pfeilkreuzler, aber es bedroht uns die Verschlechterung der Lebensqualität und ein mächtiger Sieg der rechten Opposition während der nächsten Wahlen, die – während sie demagogisch antirussisch agitiert – uns nicht in die Richtung eines konservativen westeuropäischen Modells à la Merkel oder Sarkozy, sondern in die Richtung eines Putin-Systems führen würde.
Carmen Renate Köper wurde 1927 in Dortmund geboren und wuchs im Ruhrgebiet auf. Obwohl sie nie ein Theater von innen gesehen hatte, beschloss sie Schauspielerin zu werden. Sie arbeitete als Hausangestellte in Recklinghausen und besuchte gleichzeitig die Schauspielschule Bochum. Danach folgten Engagements an zahlreichen Bühnen Deutschlands wie Bochum, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Köln und Bonn unter berühmten Intendanten wie Schalla, Stroux, Buckwitz, Eschberg und beim Tanztheater Pina Bausch. 1986 begann sie Drehbücher für die Fernsehreihe „Leben im Alter“ zu schreiben. Sie realisierte eigene Fernsehfilme in der W.D.R Reihe „Erinnern für die Zukunft“ und Filmarbeiten für den Hessischen Rundfunk.
Carmen Renate Köper, die heute in Frankfurt lebt, arbeitet an eigenen literarischen und musikalischen Projekten und tritt damit regelmäßig im Frankfurter Holzhausenschlößchen auf. Die Republik Österreich verlieh ihr den Berufstitel Professorin. Weiters erhielt sie die Ehrenplakette und Goetheplakette der Stadt Frankfurt am Main sowie die Leuschner-Medaille des Landes Hessen und das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Eine weitere Facette dieser vielseitigen Frau ist die Autorin Köper. 1995 erschien „Ein unheiliges Experiment. Das Neue Theater in der Scala“. Das Neue Theater in der Scala war ein innovatives Wiener Theater, das nach dem Zweiten Weltkrieg von zurückgekehrten EmigrantInnen und engagierten AntifaschistInnen, viele von ihnen mit kommunistischen Background, als Genossenschaft in einem Mitbestimmungsmodell und als progressives Sprechtheater eröffnet wurde. Es wurde im Gebäude des ehemaligen Johann Strauß-Theaters in der Favoritenstraße 8 eröffnet und verfügte über mehr als 1200 Sitzplätze. Nach Verhandlungen mit den Sowjets, in deren Sektor sich das Theater befand, der KPÖ und dem Wiener Kulturamt konnte es als selbstverwaltetes SchauspielerInnentheater seine Pforten öffnen. Die Entscheidungen über Spielpläne und Engagements wurden kollektiv getroffen, die Beteiligten verstanden sich als links und revolutionär. Während große Teile des bürgerlichen Theaterpublikums die „Kommunistenbühne“ mieden, strömten die Werktätigen in die Scala. Der Schauspieler Karl Paryla übernahm gemeinsam mit Wolfgang Heinz, der die Theater-Konzession innehatte, die Leitung gemeinsam mit den Schauspielern und Regisseuren Günther Haenel, Friedrich Neubauer und Emil Stöhr. Eröffnungspremiere des Neuen Theaters in der Scala war am 16. September 1948 Johann Nestroys „Höllenangst“. Die Scala war das einzige Theater in Wien, das während des Brecht-Boykotts Bertolt Brecht in jenem Ausmaß aufführte, wie es seiner literarischen Bedeutung zukam. Mit ihrem engagierten Spielplan hat die Scala Wiener Theatergeschichte geschrieben. KünstlerInnen wie Karl Paryla, Otto Tausig, Therese Giehse oder Wolfgang Heinz prägten ihr Gesicht. 1956, nach Abzug der Besatzungsmächte und nachdem die KPÖ ihre finanzielle Unterstützung eingestellt hatte, musste das Theater geschlossen werden. 1959/60 wurde das Theater abgerissen.
In Das kurze Leben der Sonja Okun hat sich Köper, angeregt durch die Theresienstadt- und Auschwitz-Überlebende Trude Simonsohn, mit einem faszinierenden jüdischen Frauenleben auseinandergesetzt. Marianne Brün, Tochter von Johanna Hofer, die mit Sonja Okun befreundet war, überließ Köper das Ergebnis der Recherchen ihrer 1988 verstorbenen Mutter: Dokumente, bestehend aus einem Tagebuch, Briefe, Postkarten und Zettel. Rosalie (Sonja) Okun wurde am 26. Jänner 1899 in Minsk, am 27. Januar 1943 nach Theresienstadt deportiert und am 28.Oktober 1944 Auschwitz ermordet. „Das kurze Leben dieser so wunderbar heiteren Jüdin war ein tieftrauriges Martyrium. So starb sie auch. Da es an höchster Stelle versäumt wurde, spreche ich sie heilig“, so der Regisseur Fritz Kortner in seinen Memoiren. Köper hat sich auch filmisch mit Sonja Okun auseinandergesetzt. Der Film „Warum starb Sonja Okun“ entstand 1995 für den Hessischen Rundfunk.
In der Edition Steinbauer erschien „Zwischen Emigration und KZ“, worin Köper Gespräche über das Leben während der NS-Zeit mit Hermann Langbein, Viktor Matejka, Bernhard Littwack, Karl Paryla und Trude Simonsohn publiziert hat. Damit folgt die Autorin ihrer Idee, Lebensläufe mit Filmen und Büchern zu dokumentieren, und der Erkenntnis: Was aufgenommen und aufgeschrieben wird, ist nicht verloren.
Im Film „Warum hab ich überlebt“ erzählt sie das Leben von Trude Simonsohn.
Carmen Renate Köpers Bücher und Filme sind wichtige Zeugnisse gegen das Vergessen. Petra M. Springer
(Gekürzt. Lesen Sie den vollständigen Artikel von Petra M. Springer in der Printausgabe der INW 7–8/08)
Der frühere israelische Justizminister Yosef („Tommy“) Lapid ist am 1. Juni im Alter von 77 Jahren seinem langen Krebsleiden erlegen. Der Holocaust-Überlebende gehörte zu den prominentesten Journalisten des Landes und war für seine scharfe Zunge und seinen trockenen Humor bekannt.
Lapid wurde 1930 in Jugoslawien als Kind ungarischer Juden als Tomislav Lampel geboren. Als Kind überlebte er in Budapest nur daher den Holocaust, da seine Mutter sich und ihn vor der Massenerschießung in einer Toilette versteckt hatte. Sein Vater wurde kurz vor Kriegsende von den Nazis ermordet. 1948 wanderte der 18-jährige mit seiner Mutter nach Israel ein.
Als Journalist machte er sich vor allem als Kritiker religiösen Zwangs in Israel einen Namen. 1999 ging er als Vorsitzender der säkularistischen Partei Shinui in die Politik. Bei den Wahlen 2003 eroberte seine Partei 15 Sitze in der Knesset, er selbst wurde unter Ariel Scharon zum Justizminister ernannt. Bereits 2004 verließ er aus Protest gegen eine Zuwendung von hunderten Millionen Shekel an den ultraorthodoxen Sektor die Koalition und wurde Oppositionsführer. 2006 schaffte seine Partei den Einzug in die Knesset nicht wieder.
Israels Ministerpräsident Ehud Olmert würdigte den Verstorbenen in der wöchentlichen Kabinettssitzung wie folgt:
Er gehörte seit Jahrzehnten zu meinen engsten und liebsten Freunden. Hier und heute möchte ich sagen, dass Tommy Lapid ein Jude durch und durch war. Es ist wahr, er hat den zeremoniellen Aspekten des Judentums nie Bedeutung zuerkannt, er war ihnen gegenüber sogar sehr kritisch, und mehr als einmal fand er sich wegen seiner Ansichten in Konfrontationen mit Persönlichkeiten der Öffentlichkeit und Politik wieder.
Tommy Lapid war ein Holocaust-Überlebender und lebte sein gesamtes Leben mit einem starken Bewusstsein für den Holocaust, die jüdische Geschichte und das jüdische Schicksal sowie die Rolle des Staates Israel als jüdischer Staat in der grausamen Realität der heutigen Welt. Es ist kein Wunder, dass ich niemanden für geeigneter für das Amt des Vorsitzenden des Yad Vashem-Beirats gehalten habe als ihn. In diesem Moment möchte ich meine tiefe Trauer und die der israelischen Regierung zum Ausdruck bringen. Ich bin sicher, dass ich im Namen der großen Mehrheit der Bürger des Staates Israel spreche, die fühlen, dass Tommy Lapid dem öffentlichen Leben in Israel seinen besonderen Stempel als brillanter Journalist und Minister aufgedrückt hat. Wir werden noch einen geeigneten Weg finden, die Liebe und Wertschätzung, die viele für ihn fühlen, auszudrücken. In diesem Moment umarme ich seine Frau und seine Kinder. Wir haben einen teuren Menschen verloren, einen teuren Juden und einen unersetzlichen Freund.
Autor Nathan Englander
Nathan Englander, der mit seinem Debüt „Zur Linderung unerträglichen Verlangens“ 1999 (Neuauflage Juni 2008) über Nacht literarischen Ruhm erlangte und vom New Yorker zu einem der „20 Autoren für das 21. Jahrhundert“ gekürt wurde, erhielt so viele Auszeichnungen und Stipendien wie kaum ein anderer. Nun hat der 1970 in New York geborene Autor mit seinem Roman „Das Ministerium für besondere Fälle“, an dem er zehn Jahre gefeilt hat und der soeben auf Deutsch erschienen ist, die Herzen aller amerikanischen Rezensenten erobert, wofür sie ihn einhellig mit Gogol, Isaac Bashevis Singer und Saul Bellow verglichen.
Während seine Erzählungen fast alle in New York oder Israel der Gegenwart angesiedelt sind und eine hintergründig-ironische, wenn auch liebevolle Abrechnung mit seiner orthodoxen Herkunft darstellen, wendet er sich in seinem neuen historischen Roman Buenos Aires, als einem „fiktionalen Ort“ zu, zur Zeit des „schmutzigen Krieges“. Als Motiv für diesen Szenenwechsel nach Argentinien gab Englander die ständige Konfrontation mit dem Tod während seines Aufenthaltes in Israel zu Beginn der zweiten Intifada an. Die erste fertige Seite seines Romans habe vom Recoleta-Friedhof gehandelt, schrieb er. Doch während er seinen Erzählband im Untertitel den „komischen Seiten der menschlichen Tragödie“ widmete, steht der Roman ganz im Zeichen von Verlust und Trauer. Dennoch, auch hier kommt das Erzählte ganz leichtfüßig daher, denn „wir alle scherzen auch in unseren dunkelsten Stunden“, kommentiert Englander.
Er versteht es meisterhaft, seine Figuren so zu porträtieren, dass sie greifbar nahe erscheinen wie im Film, hat er doch eine Zeit lang als Fotograf gearbeitet. Pointierte, messerscharfe Dialoge lässt er vor dem Leser aufblitzen, Sätze, die donnern und mit ihrem Feuer die Brisanz jener in Argentinien heute noch präsenten Vergangenheit erhellen. Jeden Tag sterben Menschen, ihre Häuser brennen um sie herum ab, sie stürzen von Leitern und Dächern, es rutschen ihnen dicke Oliven in die falsche Röhre. Sie werden auf viele verschiedene originelle Arten ermordet. Aber von allen, die Angst vor einem blutigen, gewaltsamen vorzeitigen Tod haben, gelingt es nur wenigen, tatsächlich umgebracht zu werden. Auf diese Art wurde bei Lilian im Büro Geld verdient. Sie arbeitete im Versicherungsgewerbe. Die Leute zahlten ihnen Prämien gegen ihre schlimmsten Ängste…Es war ein Taschenspielertrick, der nicht funktionierte… Man bekommt nichts zurück. Das einzige, was Feuerversicherungen je gelöscht haben, ist ein nagender Zweifel. Das Haus geht trotzdem in Flammen auf. Die Militärjunta terrorisiert die Stadt. Mitten drinnen, im Herzen von Buenos Aires, einen Katzensprung entfernt von dem Rosa Haus, dem Regierungssitz, befindet sich Once, das Jüdische Zentrum der Stadt, als habe die Geschichte nicht schon oft genug die Unvereinbarkeit von totalitären Regierungen und jüdischen Minderheiten bewiesen. Nach den Gründen für ihr Verbleiben in der Stadt befragt, antwortet die Protagonistin Lilian wie aus der Pistole geschossen: Meinen Sie, das Rosa Haus erstickt an uns? Meinen Sie, die Generäle werden schweinchenrosa bei dem Versuch, zu atmen, während wir hier mit unserer riesigen kollektiven jüdischen Nase die ganze Luft aufsaugen?
In besseren Zeiten haben die Mitglieder der Vereinigten Jüdischen Gemeinden von Argentinien und die „Gesellschaft des Wohltätigen Ich“, der nur Zuhälter, Ganoven und Nutten angehörten, friedlich nebeneinander gelebt. Auch im Tode sind sie alle eng beieinander, getrennt nur durch eine vier Meter hohe Mauer, deren eiserne Stangen oben in bourbonischen Lilien mündeten. Doch den Nachfahren der aus Russland stammenden dort begrabenen Nutten und Zuhälter – allesamt Anwälte und Ärzte – reicht diese Barriere nicht. Aus Angst vor Schikanen wollen sie die Spuren ihrer Vorfahren ‚Hezzi Doppelklinge’, ‚Talmud-Harry’ oder ‚Brina die Vagina’ beseitigen. Daher beauftragen sie Kaddisch Poznan, die Hauptfigur, den einzigen, der noch wegen seiner toten Mutter im abgeschlossenen Teil des Friedhofs verkehrt, die Namen ihrer Eltern von den Grabsteinen zu schlagen.
Nomen est omen. Kaddisch, benannt nach dem Totengebet, ist selbst kein Glückskind. Er, der an einer Vergangenheit festhält, die alle anderen verleugnen, wird dafür von allen ausgegrenzt. Als Dr. Mazrusky seine Dienste nicht bezahlen kann, schlägt er ihm als Gegenleistung eine Schönheitsoperation der Nase vor. Kaddisch nimmt den Vorschlag für sich und seine Familie an. Nur Sohn Pato lehnt den Eingriff ab. Er fremdelt vor dem neuen Gesicht seiner Eltern. Seine Mutter Lilian bereut im Nachhinein, auf dieses Merkmal, das sie mit ihrem Sohn verband, verzichtet zu haben. Als Pato nachts – ohne Angabe von Gründen – zu Hause festgenommen wird und für immer verschwindet, beginnt für seine Eltern ein endloser Marsch durch Institutionen wie das Ministerium für besondere Fälle, dessen Aufgabe sich darin erschöpft, Menschen zum Schweigen zu bringen. Mit Pato verlieren sie nicht nur ihre Zukunft, sondern auch ihre Gegenwart zerbricht daran. Denn während alle ihre Erinnerung an Pato löschen, um leichter zu überleben, ist Lilian die einzige, die die Erinnerung an ihn braucht, um zu überleben.
So verdichtet Englander Buenos Aires zu einer Chiffre, die über die erzählte Geschichte hinausweist und zeigt, wie Menschen mit radikalen Systemen kollaborieren, indem sie sich von diesen entmachten und erniedrigen lassen, und wie in Zeiten der Angst antisemitische Klischees von jüdischer Seite übernommen und als jüdische Konzepte weitergesponnen werden.Susanne Simor
Nathan Englander: Das Ministerium für besondere Fälle. Roman aus dem Amerikanischen von Michael Mundhenk. Luchterhand Literaturverlag / Random House, 2008, 447 Seiten, € 20,60.
Im Juni 2007 fand eine Gedächtnisüberquerung der Krimmler Tauern in Salzburg statt zur Erinnerung an die jüdischen Flüchtlinge, die über diese beschwerliche Route im Jahre 1947 den Weg nach Palästina antraten. Initiiert wurde diese Aktion von Dr. Ernst Löschner, der damit nicht nur den Leidensweg der Juden in den Vordergrund stellen, sondern auch der hilfsbereiten Wirtin – Lisl Geisler-Scharfetter, der Wirtin des Krimmler Tauernhauses und Mutter der Flüchtlinge und dem Bergführer Viktor Knopf ein Denkmal setzen wollte. 155 Menschen haben an dem 10-stündigen Marsch teilgenommen und besonders die aus Israel angereisten zehn Zeitzeugen empfanden dies als einmaliges spirituelles Erlebnis. In dem Dokumentarfilm von Andreas Gruber und Matthias Tschannett kommt dies deutlich zum Ausdruck.>
Letzte Änderung: 23.04.2012
Webmeisterin+Redaktion: Mag. Ditta Rudle
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