Dwora Barzilai: „Pessach 2012",
Mischtechnik auf Papier, 30x42 cm
Israelische Medien, Analysten und Politiker beschworen bisher hauptsächlich die Gefahren herauf, die die Umwälzungen in der arabischen Welt mit sich bringen. Baschar al Assad war lange der Lieblingsfeind der Israelis. Mit Iran galt er als wichtigster Widersacher im Nahen Osten. Wie sein Vater machte er Damaskus zum Dreh- und Angelpunkt radikaler Palästinensischer Terrororganisationen, die den Friedensprozess aktiv untergraben.
Wenn in Israel ein Bus explodiert oder ein Selbstmordattentäter einen neuen Anschlag begeht, sprechen Geheimdienste von den "Direktiven, die die Täter von ihrem Hauptquartier in Syrien erhalten". Der internationale Flughafen Damaskus war der Umschlagplatz für mehr als 50.000 Raketen, die Iran der libanesischen Hisbollahmiliz lieferte. In Trainingscamps im ganzen Land lernen Aktivisten der Hisbollah, des Palästinensischen Islamischen Schihads, der Hamas und viele andere das Kriegshandwerk. Die Ausrüstung von Assads Streitkräften ist zwar hoffnungslos veraltet und für Israel keine Gefahr. Assad macht diesen Nachteil jedoch mit dem Ausbau seiner nicht-konventionellen Fähigkeiten wett. In Deir a Saur errichtete er insgeheim einen Atomreaktor, der 2007 mit einem israelischen Präventivschlag zerstört worden ist. Sein Arsenal an C-Waffen, eines der größten der Welt, bleibt gepaart mit Tausenden Kurz- und Mittelstreckenraketen, eine existenzielle Bedrohung. Trotzdem freute man sich in Israel nicht recht über Assads Inlandsprobleme seit Ausbruch der Unruhen am 15. März. Die Gefahren, die bei einem Sturz Assads entstehen könnten, sind so erheblich, dass manche den bekannten Feind dem unbekannten vorziehen. Die Waffenstillstandslinie zwischen Israel und Syrien in den Golanhöhen ist Israels ruhigste Grenze.
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Har Hamenuhot" – der „Berg der Ruhe" an der westlichen Einfahrt von Jerusalem, ist wohl einer der traurigsten Orte der Heiligen Stadt. Nur wenige Bäume spenden Schatten zwischen den tausenden Gräbern des städtischen Friedhofs, durch den täglich die Beerdigungsprozessionen ziehen. Gräber türmen sich hier übereinander auf mehreren Etagen, es gibt zu wenig Platz für all die Toten. Auf dem Berg spielten sich vor wenigen Jahren immer wieder tragische Szenen ab: Während der Zweiten Intifada wurden hier mehr als 200 Opfer palästinensischer Selbstmordattentate begraben, ganze Familien zusammen beigesetzt, nachdem sie Anschlägen zum Opfer fielen. Doch für die mehr als 1000 Besucher, die hergekommen waren, um den vier Opfern des Anschlags auf die jüdische Schule in Toulouse die letzte Ehre zu erweisen, der tragischste Moment in der Geschichte des Trauerhügels.
Familien, Rabbiner, Polizisten schluchzten mit tränenden Augen, selbst erfahrenen Politikern versagte bei ihren Grabesreden die Stimme. „Ich arbeite hier seit zwanzig Jahren", sagte der Totengräber Michael Gutwein der israelischen Nachrichtenseite Ynet. „Wenn es um ermordete Kinder geht, kann ich nie aufhören zu weinen. Aber diesmal ist es besonders schlimm: Sie wurden nur umgebracht, weil sie jüdische Kinder sind."
Die vier Leichen – Rabbiner Jonathan Sandler (30), seine zwei Söhne Arieh (6) und Gavriel (3) und Miriam Monsonego (8) waren in den Morgenstunden in Tel Aviv in Begleitung des französischen Außenministers Alain Juppe und einer Delegation von Vertretern der jüdischen Gemeinde Frankreichs mit dem El Al Flug LY 326 aus Paris eingetroffen. Danni Ayalon empfing die Trauergäste, und stand wie ganz Israel noch immer unter Schock. „Es ist unfassbar, drei so kleine Särge zu sehen. Sie mussten eigens angefertigt werden, weil sie so kleine Särge nicht parat hatten", sagte der hörbar erschütterte Ayalon im Radio. Dabei wäre es fast zum Eklat gekommen: Anfangs weigerten sich die Behörden, die Überführung und die Bestattung von Jonathans Leiche zu finanzieren, weil er im Gegensatz zu seinen Söhnen und seiner schwangeren Witwe kein israelischer Staatsbürger ist. Doch ein öffentlicher Aufschrei kippte diese Entscheidung innerhalb von Stunden: Längst gelten die Opfer des Attentats in Frankreich als israelische Nationalhelden.
Es war ein bezeichnender Augenblick, der Israels Interpretation des Attentats spiegelt: Um zehn Uhr morgens, als auf dem Berg der Ruhe in Jerusalem drei kleine, von Gebetsschals bedeckte Kinderleichen auf Liegen aufgebahrt wurden und sie kaum zur Hälfte füllten, testete die Stadt Tel Aviv ihre Luftschutzsirenen. Der Anschlag in Frankreich wird hier als Teil einer globalen Hetz-Kampagne wahrgenommen, gegen Juden und Israel zugleich: „Wir stehen vor winzigen Gräbern", sagte Knessetsprecher Reuben Rivling, und reihte den Anschlag in Toulouse in eine Kette von Attentaten ein. In Bombay, wo 2008 ein jüdisches Gemeindezentrum angegriffen wurde, in Sderot, das regelmäßig von palästinensischen Terrororganisationen mit Raketen beschossen wird, in der Siedlung Itamar, eine Siedlung, in der Palästinenser 2011 eine Familie in ihren Betten tötete, und in Buenos Aires, wo 1994 ein Attentat auf ein jüdisches Gemeindezentrum 85 Menschen tötete, und diesmal in Toulouse, stehe man vor Feinden und Mördern, die das Blut unserer Kinder ohne Reue vergießen, sagte Rivlin mit stockender Stimme.
Trauer ist das dominierende Gefühl in Israel, von Rache sprach man nur im theologischen Sinn. Der häufigste Abschlusssatz der Redner: „Möge Gott das Blut der Kinder rächen", gehört traditionell zum Begräbnis eines ermordeten jüdischen Kindes, egal welcher Religion der Täter angehört. Doch das Attentat in Toulouse bestärkt viele Israelis darin, dass die Feindschaft zu ihrem Staat nichts mit dessen Außenpolitik zu tun hat. „In jeder Generation von Juden gibt es Menschen, die nur ein einziges Ziel verfolgen, uns auszulöschen", sagte Oberrabbiner Schlomo Amar bei der Beerdigung. „Es wird uns nicht helfen, uns zu assimilieren, Esau hasste Jakob schon immer", sagte Amar. Knessetsprecher Rivlin spiegelte das Gefühl der Belagerung noch deutlicher wider: „Die Mörder unterscheiden nicht zwischen Siedler und Friedensaktivist", sagte Rivlin: „Dieser Hass hat keine Begründung, es gibt keine Rechtfertigung für solche Verbrechen, sie sind das pure Böse." Staatspräsident Shimon Peres verknüpfte das Attentat in Toulouse mit der aktuellen Angriffsgefahr aus dem Iran, auf die Tel Aviv sich mit der Luftschutzübung einstellte. Nach dem Attentat in Toulouse gelte es, weiteres Blutvergießen zu verhindern, und Kinder zu schützen, egal ob jüdisch, christlich, oder muslimisch, sagte Peres bei einem Empfang für Frankreichs Außenminister Alain Juppe.
Juppe war eigens angereist, um das Mitgefühl der französischen Regierung zu übermitteln. „Ich bin hergekommen um unsere Solidarität mit dem gesamten israelischen Volk zum Ausdruck zu bringen", sagte Juppe. „Euer Schmerz ist unser Schmerz." Die heftigen Verurteilungen in Paris wurden in Israel mit großer Genugtuung aufgenommen. „Ihr Besuch ist Ausdruck der besonders tiefen Beziehungen zwischen unseren Staaten", sagte Peres. „Er zeigt, dass wir eine kulturelle Front bilden." Jetzt gelte es gemeinsam den Terror zu konfrontieren, der für uns alle die größte Gefahr darstellt, so Peres. Gil Yaron
Vor bald vierzig Jahren – am 5. September 1972 – überfielen acht Mitglieder der palästinensischen Terrororganisation „Schwarzer September" während der Olympischen Spiele in München das Quartier der israelischen Sportler. Den Geist dieser Olympiade, das Geiseldrama, die Eskalation der missglückten Befreiungsaktion und die Erinnerungen überlebender israelischer Sportler thematisiere nein Spielfilm und zwei Dokumentationen.
Als „Lage 21" wird ein Geiseldrama im Olympischen Dorf vorgestellt. Ein Psychologe beschreibt das Szenario eines Überfalls auf das Wohnquartier des israelischen Sportteams. Der Polizeipräsident winkt amüsiert ab und wendet sich dem Beispiel einer Demo am Olympiasee zu. Der Satz des Psychologen: „Terroristen sind bereit für ihre Sache zu sterben" geht im allgemeinen Desinteresse unter. Dies ist einer der stärksten Momente in einem an bemerkenswerten Momenten reichen neuen Spielfilm in der Regie des Israeli Dror Zahavi.
Szene aus "München 72 – Das Attentat"
Die Idee eines Spielfilms existierte beim ZDF schon lange. 2005 war der Spielfilm „München" von Steven Spielberg in die Kinos gekommen. Und es war klar, dass „München 72" den Nahostkonflikt mit israelischen und palästinensischen Darstellern, soweit möglich an Originalschauplätzen und unter Einbeziehung neuester Erkenntnisse, also alles in allem anders und trotzdem sehr spannend thematisieren musste. Uli Weidenbach, zuständig für die Fachberatung, hatte nach seiner ersten Dokumentation zum Thema „Der Olympia-Mord: München 72" von 2006 weitergeforscht. Er sprach nicht nur mit den Hinterbliebenen der Opfer wie Ankie Spitzer, sondern führte vor dessen Ableben auch Interviews mit Abu Daoud, einem der Drahtzieher des Olympia-Attentats, sowie mit dem Vater von „Issa", dem Anführer des Terrorkommandos.
Was der 90-minütige Spielfilm über 21 Stunden einer tödlich endenden Geiselnahme dramaturgisch zugespitzt im März 2012 im ZDF illustrierte, wurde in Weidenbachs anschließend ausgestrahlter Dokumentation ausdrücklich belegt. Und immer neue unnötige wie unverzeihliche Pannen werden offenbart. Der abgeschmetterte Versuch, einen Terrorüberfall durchspielen zu wollen, ist ebenso verbürgt wie die falsche Anzahl Attentäter, die beim Showdown erwartet wurde. Im für den vermeintlich freien Abzug bereitgestellten Flugzeug in Fürstenfeldbruck sollten deutsche Spezialkräfte die Terroristen überwältigen. Als sie sich ihrer mangelnden Ausstattung und Vorbereitung bewusst wurden, zogen sie ab – ohne Erlaubnis und ohne Information des Krisenstabs. Eine Fülle von Planungsmängeln im Vorfeld und Fehlentscheidungen in der Krisensituation führten also geradewegs in eine komplette Katastrophe.
Die Olympischen Spiele 1972 in München waren – ganz im Kontrast zu jenen von 1936 in Berlin – als heiter, weltoffen und tolerant geplant.
Das Sicherheitskonzept war sträflich lasch, die Polizei vor Ort unbewaffnet, das Olympische Dorf unzureichend überwacht, eine Antiterroreinheit nicht vorhanden, die Befreiungsaktion am Militärflughafen in Fürstenfeldbruck chaotisch. Die Bilanz: keiner der Entführten überlebt, fünf Terroristen und ein deutscher Polizist sterben im Kugelhagel. Ulrich K. Wegener, damals Adjutant des deutschen Bundesinnenministers Genscher und späterer Chef der GSG 9-Antiterroreinheit, erinnert sich bis heute an das stümperhafte Münchner Krisenmanagement: „Es waren die schlimmsten Stunden meiner beruflichen Laufbahn – weil ich nichts tun konnte.“ Im Film wird Wegener von Benjamin Sadler verkörpert. Heino Ferch mimt den überforderten Polizeipräsidenten Waldner, eine der wenigen historischen Persönlichkeiten, die nicht unter ihrem tatsächlichen Namen firmieren darf.
Für den Regisseur Dror Zahavi war es wichtig, Authentizität in den Physionomien und der Sprache der Darsteller zu schaffen. Dass einige der israelischen Darsteller vor drei Jahren noch in der israelischen Armee unter Waffen gestanden hatten, brachte eine besondere Dynamik in die Dreharbeiten. Und mit dem Schauspieler Shredy Jabarin, einem israelischen Araber, der den Anführer „Issa" Lutif Affif verkörpert, arbeitete Zahavi bereits in dem Drama über einen Selbstmordattentäter in „Alles für meinen Vater" (2008) erfolgreich zusammen.
„Die Chiffre ‚München 72’ steht", so Daniel Blum von der Redaktion Fernsehfilm II des ZDF, „auch für das Ende der Unschuld im Umgang mit den bis auf den heutigen Tag stetig wachsenden Bedrohungen durch den international agierenden Terrorismus. Insofern hat das Olympia-Attentat eine größere Veränderung in Staat, Gesellschaft und der persönlichen Wahrnehmung von (Un-)Sicherheit nach sich gezogen, als die jahrzehntelangen terroristischen Angriffe der RAF." Ellen Presser
München 72 – Das Attentat, Fernsehfilm von Dror Zahavi, Erstausstrahlung im ZDF am 19. 3. 2012.
Wie fühlen Sie sich als Israeli in Deutschland?
Ich habe einen israelischen Pass, lebe seit 1992 in Berlin. Ich fühle mich in meinem Beruf eigentlich als Deutscher, meine ganze Arbeit ist in Deutschland entstanden. Bis auf einen Film: „Alles für meinen Vater" entstand komplett in Israel und mit israelischen Schauspielern. Er war meine Idee, allerdings in deutscher Koproduktion.
Wie war es möglich, als Israeli – also aus dem so genannten „Land der Zionisten" – in der DDR zu studieren?
Es gab die Chance für ausländische Studenten…
Ja, aus Kuba, aus der Sowjetunion, Vietnam.
Nein, bei mir im Seminar auch aus Finnland, Schweden und Holland. Ich war 1982 mit einer Israelin verheiratet, die in Westberlin studierte. Es ergab sich einfach. In Westberlin konnte ich das Studium nicht bezahlen, also ging ich mit Visum in den Osten nach Babelsberg.
Die Hochschule in Tel Aviv…
…genießt einen hervorragenden Ruf. Damals gab es aber noch keine Film-Fakultät.
Wie stand es 1982 um Ihre Deutschkenntnisse?
Ich hatte keine. Ich bin ein Sabre, meine Mutter ebenso. Ihr Vater kam aus Polen, ihre Mutter aus der Ukraine, mein Vater stammt aus Bulgarien. 1941, 24 Stunden vor der deutschen Invasion, ging er mit dem Schomer Hatzair nach Palästina. Sein Schiff wurde von den Briten gefasst, und er saß mit seinem Bruder zwei Jahre in einem Internierungslager in Atlit bei Haifa. Sein Bruder starb dort an Typhus. Nachdem er rauskam, lernte er meine Mutter kennen.
Da es keine Bezüge zu Deutschland gab, welche Rolle spielte Ihr Geburtsort Mitte der 1980er Jahre in der DDR?
Ich war in Babelsberg wie auf einer Insel in der DDR und ich hatte kaum Kontakte, nicht mal zur Jüdischen Gemeinde in Ostberlin. Der ergab sich erst zum Studien-Ende, als ich für meine Diplomarbeit über einen der größten israelischen Dichter, Alexander Ben, eine Drehgenehmigung für die Synagoge in der Oranienburger Straße brauchte und sie als einziger bekommen habe. Eigentlich ein historisches Dokument! Das war damals eine Ruine, in der wir einen Großteil des Films drehten, alles voller Sand, Bäume wuchsen aus den Wänden.
Gab es ideologische Schulung?
Bei mir nicht.
Jetzt sind Sie ein gesamtdeutscher Regisseur, der vom Krimi bis zum anspruchsvollen Fernsehfilm alles macht…
Ja, aber als engagierter, politisch denkender Mensch interessieren mich gesellschaftsrelevante Themen mehr als „romantic comedies". Obwohl ich die auch sehr gerne mache, wenn sie gut sind. Ich konnte mir in den letzten Jahren – vielleicht seit ich ein paar Preise bekam – Stoffe selbst aussuchen und die heißen „Zivilcourage" oder „Kehrtwende" oder „Ranicki".
Wie geht es Ihnen als Israeli, der sich der Gefahren bewusst ist bei einem Filmstoff über palästinensische Attentäter. Sie versuchen ja in Ihrer Arbeit stets fair zu sein.
Das ist richtig, das begleitet mich durch meine ganze Arbeit. Egal, was ich mache, ich versuche zu verstehen. Ich versuche wirklich jeden Charakter, den ich inszeniere, zu verstehen, auch wenn es um einen Massenmörder geht. Er handelt aus bestimmten Motivationen und ich versuche diese Motivationen zu verstehen. Das führt auf keinen Fall dazu, dass ich sie akzeptiere oder sie befürworte. Aber damit kein Propagandafilm entsteht, muss ich diesen Prozess durchlaufen. Bei „München 72" spielt es in meinem Unterbewusstsein mit Sicherheit eine Rolle, dass ich aus Israel komme, dass ich diese Zeit erlebt habe.
Sie waren bei der Zahal?
Ja, aber viel später, 1978. Aber 1972 habe ich als 13-jähriger sehr miterlebt. Auch in der Ausstattung kommt das zum Tragen. Die Zahnpasta der israelischen Sportler, die in der Schublade liegt, ist die Zahnpasta meiner Kindheit, die Marke Fluorid. Als Israeli ist mir natürlich auch die Verantwortung bewusst, welche Kraft politische Aussagen in einem Film haben können.
Wie zum Beispiel der Anführer der Palästinenser seine Ansicht der Dinge fast unwidersprochen formulieren kann?
Man weiß ja nicht, wie das Publikum auf die Emotionen eines Spielfilms reagiert, wo ein Dokumentarfilm Kommentierung liefern kann….
„München 72" zeigt ziemlich brutal, vor allem, was der Rädelsführer tut. Man sieht den verblutenden Romano am Boden liegen.
Ich glaube nicht, dass irgendjemand Sympathie für diese Tat entwickeln kann. Gleichzeitig ist es wichtig zu zeigen, dass die Palästinenser 1972 – vorher und wie nachher – für eine Sache – egal was man darüber denkt – kämpften. Und dass dieser Kampf unterschiedliche Aktionen hat. Manche Gruppierungen wählen den Weg des Terrorismus, andere den Weg der Verhandlungen. Ich bin
Israeli – meine Mutter schmuggelte Waffen nach Jerusalem gegen die Briten. Es gab
„Etzel" und „Lechi" in Israel. Das waren in den Augen der Briten Terrororganisationen. Dass Terror benutzt wird im Kampf für Volksbefreiungen, das ist nicht neu in der Welt. Es war mir wichtig, auch das zu zeigen. Ohne die Brutalität der Tat zu beschönigen.
Wir hatten das Riesenglück – den authentischen Ort besuchen zu können. Es war irre, was mit den Schauspielern passierte, als sie vor dem Haus Connollystraße 31 standen und jeder von uns sich einbildete, die Einschüsse unter dem neuen Putz noch zu sehen.
Erinnern Sie sich an den 5. September 1972?
Damals lebte ich mit meiner Mutter in Tel Aviv, wir hatte keinen Fernseher. Ich weiß noch wie sich die Nachricht verbreitete. Wir gingen zu den Nachbarn, um fernzusehen. Die Emotionen der Erwachsenen spürte ich auch als 13-jähriger.
„Torat Hakalkala – Verein zur Förderung angewandter jüdischer Wirtschafts- und Sozialethik“ ist in Frankfurt gegründet worden.
Torat Hakalkala (Hebräisch für „Wirtschaftslehre“ oder „Wirtschaftstora“) will eine jüdische Perspektive auf wirtschaftspolitische Herausforderungen von heute formulieren und Stellung zu aktuellen Entwicklungen und Tendenzen beziehen…
Der Verein besteht aus Rechts-, Religions-, Finanz- und Wirtschaftsexperten, die die Überzeugung eint, dass sich in der Jahrtausende alten Tradition jüdischen Denkens Überlegungen, Ideen, Konzepte und Modelle finden lassen, die auch heute zur Orientierung inspirieren. So hatten bereits die Rabbinen des Talmuds anknüpfend an die Tora Vorstellungen von einer Wirtschaftsgemeinschaft entwickelt, deren Grundzüge sich in der jüdischen Überlieferung von der Antike über das Mittelalter bis in die Neuzeit hinein bewahrt haben und teilweise auch in säkularen Bewegungen Ausdruck fanden.
Wesentlich an der jüdischen Wirtschafts- und Sozialethik ist, dass sie grundsätzlich wirtschaftsfreundlich und dabei zugleich sozial eingestellt ist. Im Judentum wird die materielle Welt nicht verworfen, sondern soll durch einen bewussten Umgang mit ihr zur Heiligung des Lebens erschlossen werden. Der Mensch wird als Ko-Schöpfer Gottes angesehen. Dies befördert einen religiösen Realismus, der konkrete, wirtschaftliche Tätigkeit miteinschließt.
Ein symbolisches Zeichen setzten die Vereinsgründer damit, dass sie die Gründungsveranstaltung in den Räumen des Walter-Eucken-Archivs in Frankfurt abhielten. Eucken (1891-1950) gilt als einer der bedeutendsten Theoretiker der Politischen Ökonomie. Seine Politische Ökonomie ist „angewandte Wirtschaftsethik“, die auf der Kritik ökonomischer Machtverhältnisse aufbaut. Der Eucken’schen Ordnungspolitik geht es darum, Institutionen und Regeln zu schaffen, die jeden Menschen in die Lage versetzen, wirtschaftlich selbständig und zugleich sozial verantwortlich zu handeln. Der wissenschaftliche Leiter des Walter-Eucken-Archivs, Walter Oswalt, sieht darin eine wesentliche Überschneidung mit der jüdischen Tradition.
Rabbinerin Elisa Klapheck:
Dialog zwischen religöser
und sekulärer Wirklichkeit
Zu den geplanten Aktivitäten des Vereins gehört zunächst die Erarbeitung von Grundlagenwissen. Geleitet wird das Studium der Quellen von der Frankfurter Rabbinerin Elisa Klapheck, die für einen neuen Dialog zwischen der religiösen und der säkularen Wirklichkeit eintritt und in diesem Sinne gesellschaftspolitische Fragen von heute im Lichte der jüdisch-rabbinischen Tradition interpretiert. Vorgesehen sind außerdem Bildungs- und Diskussionsveranstaltungen mit Wissenschaftlern, Politikern und Vertretern aus dem Wirtschafts- und Finanzleben. Diese Verbindung repräsentieren der Unternehmer und Finanzmarktanalyst Joachim Goldberg und der Unternehmer und Wirtschaftsanwalt Abraham de Wolf.
Mit einer eigenen Homepage (noch nicht aktiv) mit Vorträgen, Diskussionen, Kommentaren und Veröffentlichungen ebenso wie mit der Erstellung von Lehrmaterialien möchte Torat Hakalkala künftig die Auseinandersetzung mit der Wirtschaftspolitik mitprägen. Um sich über den deutschen Kontext hinaus zu positionieren, will sich der Verein auch in Brüssel als NGO (Non-Governmental Organization) registrieren lassen.
In den Vorstand von Torat Hakalkala wurden gewählt: Abraham de Wolf, Elisa Klapheck, Joachim Goldberg, Walter Oswalt und Barbara Goldberg.
Torat Hakalkala steht als Verein offen für alle Interessierten, die eine angewandte jüdische Wirtschaft- und Sozialethik fördern wollen.
(Pressemitteilung Frankfurt, 2012)
Überarbeitet und neu aufgelegt: Elisa Klapheck: "Wie ich Rabinerin wurde", Herder 2012. € 17.50
Das Nazareth Academic Institute (NAI) ist eine noch im Aufbau befindliche multikulturelle Universität in Galiläa. Die Institution geht auf eine Initiative des melkitischen (griechisch-katholischen) Erzbischofs Elias Chacour zurück: Aufgewachsen im arabischen Dorf Baram im Norden Galiläas nahe der libanesischen Grenze, war Chacour in die Kriegswirren 1948 hineingezogen worden. Sich seit Jahrzehnten für eine Aussöhnung sowie die Gleichberechtigung der arabischen Minderheit einsetzend, schuf er vorwiegend für die christlichen und moslemischen Araber in Ibillin bei Akko Kindergarten, Volks- und Mittelschule, das alles unter den Sammelnamen „Mar Elias Educational Institutions (MEEI)“.
Dazu trat schließlich ein College, das „Mar Elias College (MEC)“. Diese Einrichtungen erfüllen eine bedeutende regionale Aufgabe und ermöglichen es arabischen Israeli, die Berufs- und Hochschulreife zu erlangen und sich damit besser in die israelische Gesellschaft und Wirtschaft zu integrieren; gleichzeitig leisten sie einen Beitrag zur Verbesserung der schulischen Ausbildung muslimischer Mädchen, die sich nur langsam aus patriarchalischen Strukturen emanzipieren können. Auch für die wirtschaftliche Entwicklung von Nordgaliläa, das nach wie vor einen großen Aufholbedarf gegenüber südlicheren Regionen Israels aufweist, haben die MEEI große Bedeutung.
Bis zur offiziellen Anerkennung durch den Staat Israel (März 2009) agierte das auf die Verleihung des Bachelor-Grades gerichtete Mar Elias College drei Jahre lang im kleinen Ort Ibillin als Campus der amerikanischen „University of Indianapolis“. Dort haben 223 Studenten ihren Abschluss gemacht.
Mit 1. November 2010 wurde das College in Nazareth unter dem neuen Namen NAI, als einzige arabische universitäre nichtstaatliche Einrichtung in Israel, vom staatlichen Rat für Höhere Studien (vorerst) zur Verleihung von B.A.-Diplomen autorisiert. Zurzeit bestehen zwei Departments – eine Abteilung für Chemie und eine für Kommunikationswissenschaft. Für das Studienjahr 2012/13 wurde beim israelischen Erziehungsministerium die Öffnung zweier weiterer Departments beantragt. Damit werden Computer-Science und Medizinische Hilfswissenschaften belegt werden können. Weiters ist die Eröffnung einer Fremdenverkehrsschule inkl. Fremdenführerausbildung geplant.
Der Bevölkerungsstruktur Galiläas entsprechend sind überwiegend mohammedanische Studentinnen und einige Christen inskribiert. Der Trägerverein von NAI setzt sich aus christlichen Arabern aus Nazareth und Umgebung zusammen, dem ein internationales Board of Trustees mit Vertretern aus USA, Österreich, BRD, Belgien) zur Seite steht
.
Ein weiterer Campus für Agrarstudien könnte zukünftig auch in Miilya, einem christlichen Dorf, umgeben von Orten mit moslemischer, jüdischer und drusischer Bevölkerung, östlich von Nahariya, entstehen.
Eine große Herausforderung für das Universitäts-College stellt die Finanzierung dar, da die Studiengebühren der meist aus bescheidenen Verhältnissen stammenden HörerInnen bei weitem nicht die Kosten decken, die Institution jedoch derzeit noch keine – wie im Gesetz generell vorgesehene – staatliche Subvention erhält.
Politische Unterstützung erhielt und erhält das universitäre Projekt aus den verschiedensten Lagern: Der israelische Staatspräsident und Nobelpreisträger Shimon Peres, vormals u.a. Minister für die wirtschaftliche Entwicklung Galiläas, der das College am 20. Februar 2012 besuchte, verspricht sich von seiner Realisierung einen wesentlichen Beitrag zur friedlichen und gleichberechtigten Koexistenz von Juden und Arabern in Israel; die Europäische Union (dazu Ex-Kommissar Jan Figel) betrachtet das Projekt – auch in Hinblick auf den laufenden EU-Israel Action Plan – als bedeutsam für vereinbarte Ziele der bilateralen Zusammenarbeit: Regional- und Minderheitenförderung sowie Förderung der Situation der Frau. Seitens der USA erklärten schon Präsident Bush und Außenministerin Condolezza Rice anlässlich ihres Besuchs in Galiläa im Jänner 2008 großes Interesse an einer staatlichen Anerkennung und Förderung der Universität. Auch kirchliche und private Gönner in den USA und Europa helfen nach Kräften; der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn sowie Weihbischof Scharl zählen zu den Freunden Chacours und der erzieherischen und akademischen Institutionen in der Region Galiläa.
Doch sind noch gewaltige Anstrengungen notwendig, um die Vision von Abuna Chacour von einer christlich inspirierten Universität für die Jugend Galiläas – moslemische und christliche, jüdische und drusische Bürgerinnen und Bürger Israels zu verwirklichen und zu sichern.
Jegliche Hilfe, politische und finanzielle Unterstützung, Voluntariat in Israel und Gebet, sind willkommen!
Peter Diem und Kurt Hengl
Mit der Ausstellung „Die drei Wien des Hermann Leopoldi" bis 4. Oktober 2012 im Bibliotheksfoyer im Rathaus, mit der aktuellen Würdigung „Hermann Leopoldi Hersch Kohn. Eine Biografie" aus dem Mandelbaum Verlag und einem Veranstaltungszyklus vom Stadtheater in der Walfischgasse und auch im Jüdischen Museum wird des bekannten Komponisten und Klavierhumoristen gedacht.
Zu verdanken ist das speziell folgenden Momenten. Der 1955 geborene Sohn Ronald aus Hermann Leopoldis Partnerschaft mit der Sängerin Helly Möslein hatte den Nachlass der Wienbibliothek im Rathaus geschenkt. Bearbeitet wurde er durch die Historiker Georg Traska und Christoph Lind. Das Gespann Leopoldi-Traska-Lind hatte 2011 in der Schriftenreihe des Wiener Volksliedwerks schon die „Leopoldiana. Gesammelte Werke von Hermann Leopoldi und 11 Lieder von Ferdinand Leopldi" herausgegeben. Nun also folgen Ausstellung und Biografie, die Hermann Leopoldis Leben „entlang seiner Lieder" darstellen. Als wichtigstes Einzeldokument gelten im Sommer 1949 von Hermann Leopoldi selbst verfasste „Memoiren".
Noch jüdischer hätte sein Geburtsname nicht sein können: 1888 in Wien geboren als Hersch (Hermann) Kohn, setzte er 1911 – in Anlehnung an den Vornamen des Vaters – die offizielle Änderung in Leopoldi durch. Musik war und blieb die Familienprofession. Hermann Leopoldi war im Ersten Weltkrieg als Kapellmeister beim Frontvarieté tätig, gründete 1922 zusammen mit den Conférencier Fritz Wiesenthal ein Kabarett im ersten Wiener Bezierk, in dem alle auftraten, die was zu sagen und zu singen hatten: unter anderem Max Hansen und Hans Moser, Armin Berg und Karl Valentin.
Die Flucht im März 1938 unmittelbar vor dem Anschluss Österreichs misslang. Einen Monat später trat der Gastreisen erprobte Künstler – der in Berlin und Budapest, Paris und Prag mit seinen Wiener Liedern und Chansons bestens bekannt war – eine Schreckensreise nach Dachau und Buchenwald an, die seine Künstler-Kollegen Fritz Grünbaum und Fritz Löhner-Beda nicht überlebten. Als „unverbesserlicher Optimist" ist es ihm gelungen, bestätigt der Biograph Georg Traska, „seine Kameraden zu unterhalten und aufzuheitern". In Buchenwald komponierte Leopoldi aber auch die Musik zum „Buchenwald-Marsch" auf den Text von Löhner-Beda.
Leopoldi hatte das Glück, dass seine damalige Frau Eugenie, die schon in den USA war, ihn „freikaufen" und ein Affidavit zur Ausreise für ihn organisieren konnte. Aus seinen Evergreens „In einem kleinen Café in Hernals" und „I’ bin a stiller Zecher" wurde nun „A Little Café Down The Street" und „I Am A Quiet Drinker". 1947 kehrte Leopoldi nach Wien zurück, knüpfte mit Tourneen durch Österreich, Deutschland und die Schweiz da an, wo er 1938 abrupt herausgerissen worden war.
„Wir wollen trotzdem Ja zum Leben sagen, denn einmal kommt der Tag, da sind wir frei". (aus dem Buchenwald-Lied)
Der heimgekehrte Exilant arrangierte sich mit dem Klima der österreichischen Restauration und schwieg. Das mag irritieren und abstoßen. Doch Leopoldis Sache war weder die politische Reflexion noch der offene Widerstand, er wollte bis an sein Lebensende 1959 nur unterhalten, seinen Zuhörern Freude bereiten. Das ist eine seltene Gabe. Darum passt das Motiv auf dem Mandelbaum-Buch so gut: der Pianist spaziert auf den Fingerspitzen lachend und im Handstand über Klaviertasten.Nora Niemann
Ausstellung: "Die Drei Wien des Hermann Leopoldi", Wienbibliothek im Rathaus,
Eingang Lichtenfelsgasse 2, Stg. 6 (Lift), 1010 Wien,
Montag bis Donnerstag 9 - 18.30 Uhr, Freitag 9 - 16.30 Uhr, bis 4. Oktober
Georg Traska, Christoph Lind: "Hermann Leopoldi, Hersch Kohn. Eine Biografie", Mandelbaum Verlag 2012, € 24,90.
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Letzte Änderung: 21.09.2012
Webmeisterin+Redaktion: Mag. Ditta Rudle
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