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Bethlehem

Für ihr gemeinsames Werk, „Bethlehem”, haben Yuval Adler und Ali Waked bei der diesjährigen Verleihung der sogenannten „israelischen Oscars“ in Tel Aviv, der Ophir-Awards, insgesamt sechs der begehrten Trophäen gewonnen, darunter den Preis für den besten Film. „Bethlehem” soll außerdem bei der Oscar-Verleihung im März 2014 in Hollywood das Filmland Israel repräsentieren.

Sie sitzen nebeneinander in einem Dachgarten am Lido von Venedig. Zwei Freunde, vertieft in ein offensichtlich anregendes Gespräch. Angesichts dieser friedlichen Szene würde man nicht vermuten, dass die beiden gerade bei den Filmfestspielen von Venedig einen hochexplosiven Film vorgestellt haben: der israelische Regisseur Yuval Adler und der palästinensische Drehbuchautor Ali Waked. Ihr gemeinsamer Film trägt den Titel Bethlehem und erzählt die Geschichte einer höchst komplexen Beziehung zwischen einem israelischen Shin Bet Sicherheitsagenten und seinem palästinensischen Informanten, der noch dazu der jüngere Bruder des Anführers der „Al-Aqsa-Märtyrer-Brigaden“ in Bethlehem ist. Der Film beobachtet die Protagonisten, den israelischen Geheimdienstler Razi und seinen palästinensischen Informanten Sanfur, mit scheinbarer Distanz, ohne eine der beiden Seiten zu verurteilen. Sanfur war erst 15 als Razi ihn rekrutierte und über Jahre haben die beiden eine enge, fast eine Vater-Sohn-Beziehung aufgebaut. Mittlerweile ist Sanfur 17 Jahre alt. In einer schmalen Gradwanderung versucht er, gleichzeitig Razis Forderungen gerecht zu werden und seinem Bruder gegenüber loyal zu bleiben. Er führt ein Doppelleben und lügt beide an. Ein tödliches Dilemma scheint unausweichlich...

INW: Was bedeuten diese Auszeichnungen für Sie beide?

Ali Waked: Mehr noch als jeder Oscar bedeutet mir die Reaktion des Publikums. Ich möchte, dass möglichst viele Menschen den Film sehen und erkennen, dass es mit den Spannungen und gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern nicht so weitergehen kann. Wir haben einen Punkt erreicht, an dem beide Seiten nur noch verlieren können.

Yuval Adler: Es war uns wichtig, dass an diesem Film möglichst viele unterschiedliche Menschen mitarbeiten – Palästinenser und ­Israelis. Wir wollten beweisen, dass so eine Zusammenarbeit möglich ist.

INW: War Ihr Film vom sogenannten „arabischen Frühling“ und all den nachfolgenden Ereignissen beeinflusst?

Yuval Adler: Nein. Wir haben in den Jahren von 2007 bis 2010 an diesem Film gearbeitet. Wir mussten immer die Dreharbeiten unterbrechen, weil es sehr schwierig war, für dieses Projekt genügend Geld zu bekommen. Wir haben die Handlung des Films in der Zeit nach der zweiten Intifada angesiedelt – in den Jahren 2004 und 2005.

Ali Waked: Es war mir wichtig, dass wir auch das Dilemma auf der palästinensischen Seite zeigen – zwischen Menschen, die bei der Intifada nur auf Waffengewalt setzen und jenen, die sagen: wir wollen einen Waffenstillstand und die Konflikte gemeinsam an einem Tisch lösen.

Im Interview beteuern Yuval Adler und Ali Waked, dass sie beide optimistisch in die Zukunft blicken. In Bethlehem ist von diesem Optimismus nur wenig zu spüren. Der Film schwenkt hin und her zwischen den kontrastierenden Blickpunkten der Protagonisten, denen falsche Loyalitäten und moralische Konflikte zum tödlichen Verhängnis werden. 

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