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Der Iran, die Hamas und die „Versöhnung” der Palästinenser

In einem historischen Wiedererwachen mischt sich der Iran einmal mehr in die internen Angelegenheiten der Palästinenser ein. Dies lässt nichts Gutes für die Zukunft der „Versöhnung“ zwischen der Hamas und der Fatah-Fraktion der Palästinensischen Autonomiebehörde unter Führung von Präsident Mahmoud Abbas erahnen. Das erneute Auftreten des Iran im Zuge seiner Bestrebungen, die eigene politische und militärische Präsenz in der Region auszubauen, ist kein gutes Zeichen für die Zukunft der Stabilität im Nahen Osten. Die Iraner drängen die Hamas, auch trotz der vor Kurzem unter der Schirmherrschaft Ägyptens zwischen Hamas und Fatah unterzeichneten „Versöhnungs“-Vereinbarung, an ihren Waffen festzuhalten.

Eine hochrangige Hamas-Delegation, angeführt von Saleh Arouri, dem stellvertretenden Vorsitzenden des „Politbüros“ der Hamas, reiste nach Teheran, um die iranische Führung über den „Versöhnungsdeal“ mit der Fatah zu unterrichten. Bei diesem Besuch lobte die iranische Führung die Hamas dafür, dass sie den Forderungen der Fatah, sich zu entwaffnen und die Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen aufzugeben, Widerstand geleistet hatte. „Wir beglückwünschen Sie zu Ihrer Weigerung, Ihre Waffen niederzulegen – ein Thema, das für Sie eine rote Linie darstellt“, lobte Ali Velayati, ein führender iranischer Politiker und Berater des Obersten Religionsführers der Islamischen Revolution, Ajatollah Khamenei, die angereisten Hamas-Vertreter. „Die Sache der Palästinenser ist die wichtigste Angelegenheit der islamischen Welt und nach all dieser Zeit halten Sie unverändert am Prinzip des Widerstands gegen die Zionisten fest, trotz all des Drucks, der auf Sie ausgeübt wird.“

Arouri und seine Kollegen waren nach Teheran geeilt, um Unterstützung vom iranischen Regime zu ersuchen, nachdem Abbas verlangt hatte, die Hamas solle der Palästinensischen Autonomiebehörde erlauben, die Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen zu übernehmen. Die „Versöhnungs“-Vereinbarung sieht für die Hamas nicht die Notwendigkeit vor, sich zu entwaffnen und Hamas-Offizielle haben in den vergangenen Wochen wiederholt betont, dass sie nicht beabsichtigen, ihre Waffen niederzulegen oder ihren Sicherheitsapparat im Gazastreifen aufzulösen. 

Die Hamas sieht den Besuch ihrer führenden Vertreter außerdem als eine Absage an die Forderung Israels zum Abbruch der Beziehungen der Hamas zum Iran. Hamas-Vertreter sagen, sie sehen ihre Beziehung zum Iran weiterhin als „strategisch und maßgeblich“ an, insbesondere nach Teherans finanzieller und militärischer Unterstützung. Indem sie sich mit dem Iran abstimmt, will sich die Hamas auch Forderungen entgegenstellen, sie solle ihre Ideologie und ihre Charta aufgeben, welche die Vernichtung Israels sowie die Verweigerung jedes Friedensprozesses zwischen Israelis und Palästinensern verlangt.

Die iranischen Regierungsvertreter hegen offensichtlich keine Sympathien für Mahmoud Abbas und die Palästinensische Autonomiebehörde und haben kein Interesse daran, diese in den Gazastreifen zurückkehren zu sehen. Der Iran hält Abbas für einen „Verräter“, weil seine Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland eine Sicherheitskoordination mit Israel betreibt und vorgibt, sich für einen „Friedensprozess“ mit Israel einzusetzen. Diese Haltung läuft dem Wunsch des Iran zur Vernichtung des „Zionistischen Gebildes“ zuwider.

Abbas seinerseits hat den Iran stets als eine Bedrohung für sein Regime und die Stabilität in der Region betrachtet. In der Vergangenheit kritisierte er den Iran, weil er sich in die internen Angelegenheiten der Palästinenser „einmische“, indem er die Hamas und den palästinensischen islamischen Dschihad im Gazastreifen unterstützte. Anfang des Jahres verurteilte die Palästinensische Autonomiebehörde dann den Iran aufs Schärfste, nachdem ein hochrangiger Regierungsvertreter des Iran Abbas beschuldigt hatte, im Namen Israels Krieg im Gazastreifen zu führen. Die Erklärung des Regierungsvertreters war eine Reaktion auf eine Reihe von Strafmaßnahmen, die Abbas über den Gazastreifen verhängt hatte. Abbas‘ Pressesprecher, Nabil Abu Rudaineh, beschuldigte den Iran, sich in die internen Angelegenheiten der Palästinenser und anderer arabischer Länder einzumischen. Er erklärte, dass die Aktionen des Iran die „Spaltungen (zwischen den Palästinensern) fördern“. „Der Iran muss aufhören, Bürgerkriege in der arabischen Welt zu schüren“, stellte er fest. 

Abbas und die Palästinensische Autonomiebehörde sind nun überzeugt, dass der Iran sich bemüht, die „Versöhnungs“-Vereinbarung mit der Hamas zu vereiteln. Abbas und die Ägypter waren vermutlich naiv, als sie geglaubt hatten, die Hamas würde sich entwaffnen und loyalen Abbas-Anhängern erlauben, sich nach der Unterzeichnung der „Versöhnungs“-Vereinbarung im Gazastreifen niederzulassen. 

Es ist davon auszugehen, dass auch die Ägypter, die eine zentrale Rolle als Vermittler in dem Abkommen zwischen Hamas und Fatah spielten, besorgt sind wegen der erneuten Einmischung des Iran in die internen Angelegenheiten der Palästinenser. Sowohl die Palästinensische Autonomiebehörde als auch Ägypten betrachten den Besuch der Hamas-Delegation im Iran als einen gravierenden Rückschlag für die „Versöhnungs“-Vereinbarung und als ein Zeichen dafür, dass es der Hamas nicht ernst mit der Umsetzung des Abkommens ist.

Einige offizielle Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas behaupteten vor Kurzem, Israel sei nicht glücklich über ihre „Versöhnungs“-Vereinbarung und tue alles in seiner Macht Stehende, um sie zu torpedieren. Die Wahrheit ist jedoch, dass es der Iran und die Hamas sind, die alles dafür tun, um die Vereinbarung zu vereiteln, indem sie auf der Wahrung des Status Quo im Gazastreifen bestehen. Die Botschaft des Iran an die Hamas lautet: Wenn Ihr wollt, dass wir Euch weiterhin finanziell und militärisch unterstützen, müsst ihr an Euren Waffen festhalten und alle Forderungen, Euch zu entwaffnen, zurückweisen. Der Iran will, dass die Hamas die Sicherheitskontrolle über den Gazastreifen behält, damit die Iraner über eine weitere Machtbasis im Nahen Osten verfügen. Der Iran will, dass die Hamas weiterhin die Rolle des Erfüllungsgehilfen übernimmt, genau wie die Hisbollah im Libanon. Das Letzte, was der Iran will, ist, dass die Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde in den Gazastreifen zurückkehren: Dies würde die Pläne Teherans, sein Ziel der Zerstörung Israels voranzutreiben, untergraben. Die fortgesetzte Unterstützung des Iran für die Hamas ist weder in der Liebe zur Hamas, noch zu den Palästinensern begründet, sondern einzig in seinem eigenen Interesse zur Verstärkung seiner Präsenz im Nahen Osten.

Viele Palästinenser betrachten den „erfolgreichen“ Besuch der Hamas-Vertreter in Teheran als einen schweren Rückschlag für die Bestrebungen, den seit zehn Jahren andauernden Konflikt zwischen Hamas und Fatah zu beenden. Eine israelische Delegation, die im Vorfeld der Unterzeichnung des Abkommens zwischen Hamas und Fatah Kairo besuchte, soll die Ägypter angeblich gewarnt haben, dass die „Versöhnung“ nicht funktionieren werde, sofern die Hamas nicht ihre Waffen niederlegen und die Beziehungen zum Iran abbrechen würde. Wie bekannt, haben die Ägypter jedoch nicht auf die israelische Warnung gehört.

Was Israel, die USA und andere westliche Parteien betrifft, so muss die Lektion aus der Wiederbelebung der Beziehungen zwischen der Hamas und dem Iran lauten, dass die Hamas sich nicht im Geringsten geändert hat. Ganz im Gegensatz zu den irrigen Hoffnungen, die im Nachgang der „Versöhnungs“-Vereinbarung in Kairo laut wurden und die auf nichts als Lügen und heißer Luft basierten, bewegt sich die Hamas keineswegs in Richtung Mäßigung und Pragmatismus. Indem er die Hamas öffentlich unterstützt, demonstriert der Iran einmal mehr sein Ziel, das Feuer im Nahen Osten anzufachen und auch weiterhin jegliche Aussicht auf Frieden zu sabotieren.

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