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Diplomatischer Sieg

Israel kooperiert nach anderthalb Jahren wieder mit dem UNO-Menschenrechtsrat in Genf. Es hatte das Gremium boykottiert, weil es ihm „eine seit Jahrzehnten andauernde Diskriminierung“ vorwarf. Jerusalem macht eine Kehrtwende, nachdem es mehrere seiner Forderungen durchgesetzt hat.

Wenn Israelis erklären wollen, weshalb sie den Vereinten Nationen so skeptisch gegenüberstehen, geben sie meistens den UNO-Menschenrechtsrat (UNHRC) als Beispiel. Nichts mache Israels Diskriminierung deutlicher als die Resolutionen des Rats in Genf, heißt es hier. Der Vorgänger des ­UNHRC war 2006 reformiert worden, weil er sich überdurchschnittlich oft mit Israel befasste, während er Probleme andernorts ignorierte. Doch auch nach der Reform richteten sich 35% der länderspezifischen Resolutionen des Rats gegen Israel, keine einzige nahm sich der Zustände in Saudi Arabien, Russland oder China an. Doch als der Rat im März 2012 das „Leid der Syrer in den von Israel besetzten Golanhöhen“ verurteilte, den Massenmord in Syrien selbst jedoch ignorierte, platzte Israels launenhaftem damaligen Außenminister Avigdor Liberman der Kragen. Er beschloss einseitig den Rat zu boykottieren.

Seit Januar entzog sich Israel deswegen der „universellen periodischen Bewertung“ (UPR), der sich jeder UNO-Mitgliedstaat alle vier Jahre unterziehen muss. Zwar können diese Sitzungen mitunter recht absurd wirken, wie die Bewertung Saudi Arabiens am 21. Oktober dieses Jahres: Riad ließ sich von zwei Damen in schwarzen Burkas vertreten, die erklärten, ihr Staat mache zwischen Männern und Frauen keinen Unterschied. Dem Vorwurf, bereits zehnjährige Mädchen würden zu Ehen gezwungen, begegneten sie mit der Aussage, Saudi Arabien habe die „Heirat vor dem Erreichen der Pubertät verboten“. Dennoch drohte Israels Weigerung zum bedrohlichen Präzedenzfall zu werden. Regime in aller Welt könnten ihn nutzen, um fortan den UPRs fernzubleiben. Vor allem westliche Staaten fürchteten den Zusammenbruch des UNHRC und übten Druck auf Jerusalem aus, sich trotz aller Missgunst der Bewertung zu unterziehen.

Jetzt stimmte Israel zu, doch nur nachdem zwei zentrale Forderungen erfüllt werden. Zum einen soll Artikel 7 der Satzung des UNHRC verändert werden. Der sah bisher vor, dass Israel in jeder Sitzung auf der Agenda des Rats stehen müsse. Israel ist das einzige Land auf der Welt, dem solch ein Paragraph gewidmet ist. Zudem stellte der Westen in Aussicht, Israel in die Gruppe westlicher Staaten aufzunehmen. Der Judenstaat war bislang der einzige, der im UNHRC keiner Gruppe angehören durfte und somit weder Ämter übernehmen noch die Diskussionen mitbestimmen konnte. Jetzt könnte Israel bereits im November in die Gruppe westlicher Staaten aufgenommen werden.

Mit der Anreise der israelischen Diplomaten, wurde der gefährliche Präzedenzfall auch dank deutscher Einmischung verhindert. Bundesaußenminister Guido Westerwelle soll Premier Benjamin ­Netanjahu in einem dringlichen Appell auf die möglichen Konsequenzen eines andauernden Boykotts hingewiesen haben.
Israels Freunde könnten Jerusalem dann nicht mehr schützen, warnte Westerwelle angeblich. Trotzdem wird Netanjahus Beschluss daheim nicht als Kapitulation gewertet: Sollten die beiden geforderten Änderungen tatsächlich erfolgen, hätte Israel ein wichtiges Ziel in der UNO erreicht: „Wir wollen endlich so behandelt werden wie alle anderen Länder auf der Welt“, sagte ein hochrangiger israelischer Diplomat der Nachrichtenagentur AFP.

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