Mit diesen Worten kommentierte Eric Pleskow, einst mächtiger Präsident großer Hollywood-Studios wie UNITED ARTISTS und ORION, die Medienkommentare rund um seinen 80. Geburtstag, den er vor zehn Jahren in Wien gefeiert hatte. Auch seinen 90-er will Pleskow in seiner Geburtsstadt feiern – und dies, wenn möglich, punktgenau am 24. April 2014.
Die Vorfreude der zahlreichen Freunde, die Eric Pleskow in den nun schon sechzehn Jahren seiner Tätigkeit als Präsident des österreichischen Filmfestivals VIENNALE in Wien gewonnen hat, ist entsprechend groß. Umso mehr als Pleskow bei zwei Wiener Ereignissen nicht dabei sein konnte: bei der Eröffnung der VIENNALE am 24. Oktober 2013 und zur Geburtstagsfeier der Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, die ihren 60-er mit einem Festakt im historischen Sitzungssaal des Parlaments beging. Zu beiden Anlässen hatte sich Eric Pleskow schriftlich zu Wort gemeldet. Seine Abwesenheiten, so Pleskow in seinem Schreiben, hätten mit der „im buchstäblichen Sinne schmerzlichen Erkenntnis“ zu tun, dass das Alter nicht, oder nicht nur, mit einer Zunahme an Erfahrung und hoffentlich auch Weisheit einhergehe, sondern auch mit diversen körperlichen Beschwerden, die in den vergangenen Monaten seinen Bewegungsradius und damit auch seine Reisetätigkeit – hoffentlich nur vorübergehend – eingeschränkt hatten. Aus diesen Wortmeldungen blitzte auf jeden Fall das hervor, was Eric Pleskow immer auszeichnete: sein Humor.
Da ich annehme, dass jede Leserin und jeder Leser mit der Bedeutung von Eric Pleskow vertraut ist, möchte ich hier nicht aus seiner Biographie zitieren und auch nicht die von ihm gewonnenen, insgesamt vierzehn (!) Oscars näher erläutern, sondern ein wenig davon erzählen, was die langjährige tiefe Freundschaft mit ihm für mich persönlich bedeutet. Es ist 37 Jahre her, seit ich Eric Pleskow in London zum ersten Mal getroffen habe – und zwar im Februar 1977 bei einer Convention des Hollywood-Studios UNITED ARTISTS: „We are Nr.1“ stand auf den T-Shirts der Mitarbeiter der UNITED ARTISTS, die sich damals im luxuriösen Ambiente eines Londoner Nobelhotels mit internationalen Journalisten trafen, um die neuesten Hits des Film-Programms vorzustellen und die neuesten Marketing-Strategien zu besprechen. „We are Nr.1“ – eine dezentere Formulierung wäre falsche Bescheidenheit gewesen, denn die UNITED ARTISTS hatten es damals, unter der Präsidentschaft Eric Pleskows, tatsächlich geschafft, zum Marktführer der US-Filmindustrie zu werden. Mit eingeladen waren die Stars der Filme, darunter Sylvester Stallone und Roger Moore – damals ganz frisch als neuer James Bond.
Am ersten Abend gab es ein Gala-Diner im Ballsaal. Ich kam zu spät, alle Tische waren bereits voll. Bis auf einen – ein Tisch für 12 Personen war nahezu leer. Nur drei Herren mittleren Alters saßen da und erhoben keinerlei Einwände, als ich mich dazu setzte.
Zwei der Herren sprachen freundlich mit mir, der dritte hielt sich zurück. Auf Englisch fragte ich sie, ob sie den Präsidenten der UNITED ARTISTS kennen würden, der ja angeblich Österreicher sei. Diese Frage erregte gleichermaßen Verwunderung wie Erheiterung – Reaktionen, mit denen ich damals nichts anfangen konnte. Sie versprachen, ein Interview mit Mr. Pleskow zu vermitteln – eine schwierige Aufgabe, wie sie meinten, weil Mr. Pleskow alles andere als ein einfacher oder gar angenehmer Mensch sei. Am nächsten Tag fand das Interview statt. Der „schwierige Mr. Pleskow“ war, wie sich herausstellte, der wortkarge dritte Mann am Tisch des Gala-Diners. Er sprach ein fließendes, akzentfreies und leicht wienerisch angehauchtes Deutsch und betonte mehrmals, dass er normalerweise keine solchen Interviews gebe, aber die beiden anderen Herren vom gemeinsamen Tisch am Vorabend hätten ihn dazu überredet...
Kurze Zeit später traf ich ihn wieder – und zwar im Mai 1977 – bei den Filmfestspielen in Cannes. Für gewöhnlich mietete er jedes Jahr das gleiche Zimmer des Carlton-Hotels. Tagsüber verbarrikadierte er sich darin, um sich dem Starrummel auf der Croisette zu entziehen. Bis auf einen Tag - da saß er unten auf der Terrasse. Ich war damals zum ersten Mal bei einem Festival und wollte noch einmal ein Interview mit dem großen Hollywood-Mogul – zum Thema „Starlets, die sich ausziehen um von Produzenten für den Film entdeckt zu werden“. In Eric Pleskows Miene zeigte sich – nach anfänglich überraschter Höflichkeit – eiskalte Ablehnung. Nicht wegen der nackten Starlets, über die hätte er wahrscheinlich ohne Probleme geredet, sondern wegen der Worte „österreichisches Fernsehen“. Er würde für österreichische Institutionen nicht zur Verfügung stehen!
Erst Jahre später konnte ich die genaueren Ursachen und die Tragweite von Erics Vorbehalten gegenüber Österreich ermessen. Und je mehr ich in den vielen Gesprächen mit Eric über seine persönlichen Erfahrungen mit der österreichischen Geschichte erfuhr – desto größer wurde mein Wunsch, ihn mit Österreich zu versöhnen und ihm zu beweisen, dass es hier auch andere Menschen gibt, als jene unter denen er bis zu seiner Flucht im Jahr 1939 gelitten hatte.
In den 37 Jahren, die wir uns nun kennen, ist die Freundschaft immer tiefer geworden. Eric hat mit mir viele seiner Gefühle geteilt. Er hat mir erzählt, wie er buchstäblich in letzter Minute im Jahr 1939 als knapp 15-Jähriger sich und seine Eltern retten konnte. Er hat mir von seinem Bruder Herbert erzählt, der nach langer, schwerer Krankheit 1939 gestorben war und – wäre er nicht gestorben – wären Eric und seine Eltern sicher in einem KZ umgekommen, denn sie hätten ohne den kranken Herbert Wien nie verlassen, weil man ihm die anstrengende Flucht nicht hätte zumuten können. Er hat mir auch erzählt, was es für ihn bedeutet, dass es in Wien nur noch die Gräber seiner Familie gibt. Im Februar 2007 wurde Eric Pleskow zum Ehrenbürger von Wien ernannt und gab in seiner Dankesrede einmal mehr eine Kostprobe seines hintergründigen Humors: Er hätte gehört, so meinte er, dass ihm als Ehrenbürger ein Ehrengrab zustünde, aber auf dieses Geschenk der Stadt Wien wolle er gerne verzichten. Er hätte stattdessen einen anderen Vorschlag. Statt eines Grabes hätte er lieber ein Zimmer mit Aussicht auf Wien – und dies schon zu Lebzeiten. Der 90. Geburtstag wäre für dieses Geschenk doch ein schöner Anlass.