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Fotografie im Brennpunkt

Fotografien von ­Christine de Grancy im Jüdischen Museum in der Dorotheergasse

Das Jüdische Museum Wien zeigt bis 20. September die von Dan Fischman kuratierte Ausstellung Transit. Die Iraner in Wien. Fotografien von ­Christine de Grancy. Seit der Antike befanden sich im heutigen Gebiet des Iran bedeutende jüdische Gemeinden der frühen Diaspora. Das jüdische Leben im Iran erlebte unter der persischen Herrschaft ab Mitte der 1920er Jahre einen Aufschwung mit bis dahin kaum da gewesenen religiösen und sozialen Freiheiten. Nach der Islamischen Revolution im Iran 1979 und dem Sturz von Schah Mohammad Reza Pahlavi übernahmen schiitische Geistliche die Macht. Die im Iran lebenden JüdInnen wurden von den religiösen Fundamentalisten verfolgt und vertrieben. Während dort 1979 etwa 85.000 bis 100.000 Jüdinnen und Juden lebten, belaufen sich heutige Schätzungen auf nur mehr etwa 10.000 bis 20.000. Über geheime Wege gelangten viele jüdische IranerInnen mit Hilfe von jüdischen Hilfsorganisation, wie dem Joint (American Jewish Joint Distribution Committee) oder HIAS (Hebrew Immigrant Aid Society) aus dem Land. Wien bildete für sie eine Transitstation auf dem Weg in die USA oder nach Israel.

Anlaufstelle waren die Räumlichkeiten der von den Nationalsozialisten weitgehend zerstörten Synagoge in der Großen Schiffgasse 8 in der Leopoldstadt, bekannt als „Schiffschul“. Dort war Platz für 500 Männer und 250 Frauen. Rabbiner Schmuel Ernst Pressburger und sein Sohn Michoel nahmen sich im Sinne der Zedaka dem Schicksal der Verfolgten und Vertriebenen an.

Die 1942 in Brünn geborene und seit 1963 in Wien lebende Fotografin Christine de Grancy bekam zwischen 1991 und 1993 Zugang zu dieser verborgenen Welt, die sie fotografisch dokumentierte. „Hier war ich schon einmal... Ein Zufall führte mich 1991 wieder in die Große Schiffgasse 8, nun in das Bethaus von Rabbiner Schmuel Aharon Pressburger und dessen Sohn Michoel. Die Bilder, die ich in der ,Schiffschul‘ von den iranischen Juden machte, blieben bisher unveröffentlicht.”

Nun sind diese Schwarz-Weiß-Fotografien im Jüdischen Museum in der Dorotheergasse zu sehen. In einer Vitrine befinden sich historische Bilder der „Schiffschul” sowie eine Spendenschale für arme Bräute. An Drahtseilen schweben in der Mitte des Raumes zusammengeklippte Fotografien zum Blättern von der Decke, als ob sie zum Trocknen aufgehängt wurden. Fotografien zum an- und begreifen. Manche sind mit Texten versehen, z. B. mit einem Zitat von Jean Améry: „Wie viel Heimat braucht der Mensch?... Er braucht viel Heimat.” Auch an den Wänden hängen Fotografien. Grancy hielt vorrangig Augenblicke des Gemeinschaftslebens bzw. traditioneller Feierlichkeiten fest. Trotz tragischem Hintergrund zeigen die Flüchtlinge Ausgelassenheit und Lebensfreude während des Purim- oder des Pessachfestes. Ein Mann im weißen Anzug tanzt durch den Raum, Kinder spielen Tischfußball, Männer musizieren, Frauen klatschen. Immer wieder taucht der hoch betagte Rabbiner in der Gesellschaft seiner Schützlinge auf. Fotos zeigen André Heller, andere den Anwalt ­Hannes Pflaum oder den Journalisten Christoph Hirschmann als Gäste in der „Schiffschul”.

Eine sehr interessante und sehenswerte Ausstellung zu der auch ein Katalog im Metro Verlag erschienen ist.   

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