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George Soros im Visir

Auch nach den Wahlen am 8. April 2018 setzt Viktor Orbán seine Kampagne gegen den US-Milliardär ­George ­Soros mit unverminderter Vehemenz fort. Der russophile FPÖ-Politiker in Österreich, Johann Gudenus, begeisterte sich für Orbáns Kampagne, was zum ersten Zwist in der Koalition führte. Denn Bundeskanzler Sebastian Kurz teilte nicht die Ansicht von FPÖ-Klubobmann Gudenus (und von Orbán) wonach George Soros „Migrantenströme nach Europa“ unterstützt. Entsprechende Aussagen lehne er „klar ab“, erklärte Kurz bei einer Pressekonferenz am 24. April 2018.
Mitte Mai hat die Stiftung Open Society in New York bekanntgegeben, ihr Büro in Budapest mit rund 100 Mitarbeitern aufgrund eines „zunehmend repressiven politischen und juristischen“ Umfelds in Ungarn nach Berlin zu verlegen. Es ist das erste Mal, dass eine NGO ein EU-Land verlässt, weil dort die Grundbedingungen einer Demokratie nicht mehr vorhanden sind.
In einem Interview mit der Bild-Zeitung erklärte der Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC) Ronald S. Lauder: „Die Entwicklung in Ungarn erfüllt mich mit Sorge“. Er könne sich nicht erklären, so Lauder, „warum Viktor Orbán nicht gelassener reagieren konnte nach seinem deutlichen Wahlsieg vor ein paar Wochen“. Man müsse „nicht mit allem einverstanden sein, was das Open ­Society ­Institute und sein Gründer George Soros sagen oder tun“, so Lauder. „Aber jemanden, der so viel für die Förderung der Demokratie in Mittel- und Osteuropa nach dem Fall des Kommunismus getan hat (...), in seinem Heimatland so zu behandeln und seine Stiftung so vom Hof zu jagen, ist ein unwürdiger Vorgang.“
Das Open Society Institute ist seit 1984 in Ungarn tätig. Die Stiftung fördert Initiativen und Organisationen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen, sowie für wissenschaftliche Forschung. In Ungarn wandte sie dafür bisher 400 Millionen US-Dollar (324,8 Millionen Euro) auf. In ihren frühen Jahren erhielt auch Orbáns Fidesz-Partei erhebliche Unterstützung von der Stiftung. Auch Orbán erhielt ein Stipendium, das ihm ermöglichte, an der Universität Oxford zu studieren.
Es dauerte nicht lange, bis Orbán seine Antwort an den WJC-Präsidenten veröffentlichte und diesem vorwarf, mit seiner öffentlichen Erklärung „Ungarn und das ungarische Volk stark beleidigt“ zu haben.
Der ungarische Ministerpräsident behauptet auch: „Es ist in Budapest wohlbekannt und offenkundig“, dass der Grund für die Übersiedlung, die von Ungarn bestimmten Vorschriften sind, die Transparenz für aus dem Ausland finanzierte Organisationen verlangen.
Schon bislang war die Tätigkeit dieser NGO transparent und die Übersiedlung hat eher damit zu tun, dass die ungarische Regierung Millionen Euro für eine, gegen die Zivilgesellschaft und persönlich gegen Soros, gerichtete Kampagne mit antisemitischen Untertönen ausgab und weil aus Regierungskreisen den regierungskritischen NGOs gedroht wurde, sie aus Ungarn zu verjagen.
Orbán scheut sich auch nicht, Lauder „respektvoll“ zu belehren: „Die Stiftung und der Stifter (Soros) tragen persönliche Verantwortung für das Wachsen des Antisemitismus in Europa. Sie haben Leute nach Europa gebracht – unter den Migranten – deren politischen und religiösen Anschauungen die Verletzlichkeit unserer jüdischen Gemeinden vergrößern.“
Die Lügen, dass Soros für mehr Antisemitismus verantwortlich ist, und dass er Millionen Menschen nach Europa bringt, waren hilfreich, um die Wahlen in Ungarn zu gewinnen, vielleicht auch, weil die Mehrheit der Ungarn nur die Regierungsmedien konsumieren kann. Rechtsextremisten und völkische Politiker, wie die ungarischen, propagieren diese Theorie von der jüdischen Weltverschwörung. Weder hat Soros Millionen Flüchtlinge nach Europa gebracht, noch ist er für wachsenden Antisemitismus verantwortlich.
Die europäischen Volksparteien sollten sich überlegen, ob die weitere Unterstützung und Duldung von Victor Orbán und seiner Partei nicht ihren guten Ruf beschädigen.

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