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Historische Wende

Das Dilemma der Großmachtpolitik im 20. Jahrhundert und die bis in die Gegenwart reichenden Folgen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft

 

Der Beginn des 30-jährigen (genauer gesagt „31-jährigen Krieges“ – von August 1914 bis August 1945, Kapitulation Japans) läutete mit Donnerschlägen die neue Zeit der modernen, totalen Kriege ein. Bisher hatte es, einschliesslich des Krieges 1870/71, nur Feldzüge gegeben, die sich im Wesentlichen auf einige Schlachten reduzierten und das Hinterland mit Ausnahme der Assentierungen praktisch ausschloss. Die furchtbaren Waffensysteme, wie Giftgas und die Tanks wurden erst durch die Eigendynamik des Krieges entwickelt. Daher gab es auch 1914 bei den Politikern und Militärs aller Seiten ja selbst bei der Bevölkerung keine nennenswerten Hemmungen, einen Krieg zu führen. Nunmehr aber wurde das Hinterland und alle Schichten der Gesellschaft aufgewühlt, Frauen mussten in Fabriken arbeiten, die Industrieproduktionen auf die Erzeugung von Munition und Kanonen umgestellt werden, Bauern konnten zum Teil ihre Ernten nicht einbringen, weil die Arbeitskräfte fehlten.

Um die unvorhergesehenen und wahrscheinlich unvorhersehbaren Kosten zu bestreiten, führte die Abkehr von der Goldwährung und Hinwendung zu Anleihen, die alle Kriegsführenden mit an sich wertlosen Papiergeld deckten, zu einer weltweiten inflationären Sorglosigkeit, unter der wahrscheinlich noch unsere Urenkel leiden werden. Auch trat eine bisher ungeahnte Globalisierung ein. Vor allem die Westmächte waren angewiesen auf die Potentiale ihre Übersee Besitzungen: Rohstoffe, Lebensmittel und Menschenmaterial. Der Transport dieser Güter, früher ein Handel förderndes Element, wurde schiere Überlebensnotwendigkeit und ließ den Verkehr geradezu explosiv anwachsen. Damit wurde auch die Anwendung neuer Energien nötig. Anstelle der Kohle, die schwer und sperrig war und damit die Schifffahrt verteuerte, trat Erdöl als entscheidende Komponente für die neue Beweglichkeit des Krieges. Vieles davon war schon vorbereitet gewesen: So hatte die englische Marine bereits vor dem Krieg ihre Schiffe vom Dampfbetrieb auf Erdöl umgestellt, doch wurden diese Entwicklungen durch den Krieg exponentiell beschleunigt und potenziert.

Nicht weniger weitreichend waren die Folgen im politischen Umfeld.

Das Gottesgnadentum der Monarchen, das schon lange dem hell lodernden Nationalismus als Anachronismus verhasst war, landete endgültig am Müllhaufen der Geschichte, jedenfalls auf der Verliererseite. Von vier Grossreichen – Österreich-Ungarn, dem osmanischen Reich, Deutschland, dem zaristischen Russland – verschwanden zwei für immer von der Landkarte, zwei schieden als Player für geraume Zeit aus.

In der heutigen Wahrnehmung wurde der Krieg überwiegend mit dem Ziel geführt, in Europa reinen Tisch zu machen. Sie konzentriert sich auf die Ereignisse sowohl militärischer und politischer Art in sofern sie diesen Kontinent betrafen, in Österreich verständlicherweise auf die Auflösung der Donaumonarchie.

Dabei wird außer Acht gelassen, dass dieser Weltkrieg alle Kontinente heimsuchte.

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