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Internationale der Nationalen

Neuformierung der europäischen Rechtsradikalen

Nach mehreren gescheiterten Anläufen schaut es ganz so aus, als würden die Nationalen nun doch noch eine Internationale in Europa hinbekommen. Das liegt unter anderem daran, dass sich Parteien wie der FPÖ und dem französischen Front National mit dem Niederländer Geert Wilders nun ein Bündnispartner andient, der lange Zeit Abstand zu ihnen gehalten hatte. Anfänglich hatte Wilders penibel darauf geachtet, sich auf Agitation gegen den Islam zu konzentrieren und sich von den klassischen rechtsradikalen Parteien in den europäischen Nachbarländern zu distanzieren. In den Niederlanden gibt es wenig Verständnis für Kontakte zu einer Partei wie der FPÖ, über deren antisemitische Traditionen man in Holland Bescheid weiß, und auch der FN gilt vielen potentiellen Wilders-Wählern als anrüchig. Doch schon bald ergänzte ­Wilders seine „Islamkritik“ durch offene Fremdenfeindlichkeit, die sich beispielsweise in wüsten Attacken gegen Rumänen und Bulgaren äußerte. Seine zeitweilig dezidiert prowestliche und proisraelische Haltung hätte ihm immer noch genügend Gründe gegeben, sich von FPÖ und FN zu distanzieren. Doch damit ist es nun vorbei: Mitte November traf sich der Chef der Partij voor de Vrijheid demonstrativ mit der FN-Vorsitzenden Marine Le Pen. Und Wilders hat, was er in den vergangenen Jahren stets explizit abgelehnt hatte, in Wien Gespräche mit der FPÖ geführt und auch zum belgischen Vlaams Belang die Fühler ausgestreckt.

Mittlerweile hat sich auf europäischer Ebene neben der Alliance of European National Movements, in dem offen antisemitische und rassistische Parteien wie die ungarische ­Jobbik und die British National Party das Sagen haben, die European Alliance for Freedom gegründet, mit der FPÖ, FN, Vlaams Belang und die Schwedendemokraten versuchen, gemeinsam mit der Lega Nord, der Slowakischen Nationalpartei und Wilders PVV zur Europawahl anzutreten. Man will weg vom äußerten rechten Rand und versucht zumindest offen antisemitische und, deutlich weniger erfolgreich, offen rassistische Äußerungen zu vermeiden, um ein größeres Wählerreservoir abzuschöpfen als es in Westeuropa mit NPD- oder Jobbik-Positionen möglich ist. Doch über die inhaltliche Ausrichtung der neuen Allianz ist bei weitem noch nicht das letzte Wort gesprochen. Die europäischen Rechtsradikalen ringen im Zeitalter der Konkurrenz zwischen abendländischem Antisemitismus und islamischen Djihadismus um ihre Positionsbestimmung. Die einen, wie Jobbik, die NPD, die Anhänger des früheren Front National-Vorsitzenden Jean-Marie Le Pen und der harte ideologische Kern der FPÖ wollen das offene Bündnis mit islamistischen Regimes wie jenem im Iran; die anderen, wie die Modernisierer im Front National, die Unterstützer von ­Filip ­Dewinter im Vlaams Belang und jene Teile der FPÖ, die in Teilopposition zu den deutsch-völkischen Burschenschaften in der Partei stehen, forcieren in erster Linie die Agitation gegen die „islamische Landnahme“ in Europa und beschränken sich hinsichtlich der iranischen Ajatollahs und anderer islamischer Antisemiten weitgehend auf eine klammheimliche Bewunderung für den antiwestlichen und antiliberalen Furor der Djihadisten, den sie gleichzeitig jedoch als bedrohliche Konkurrenz erleben.

Kein noch so verschwörungstheoretisch versierter Rechtsradikaler käme auf die Idee, „der Moslem“ wäre in der Lage, die internationale Finanzwelt zu kontrollieren und die europäischen Nationen in die Krise zu stürzen. Die gegenüber in Europa lebenden Moslems ausagierten fremdenfeindlichen Ressentiments erinnern in aller Regel an Aspekte von klassisch rassistischen Vorstellungen von zwar gewalttätigen, aber letztlich unterlegenen und minderwertigen Einwanderern, nicht an antisemitische Vorstellungen vom überlegenen, durch die geschickte Handhabung von Geld und Geist die Welt ins Unglück stürzenden und daher bis zur letzten Konsequenz zu bekämpfenden Juden.  

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