Versuchen wir ein Gedankenexperiment: Angenommen, Sie müssten sich jemandem vorstellen, der Sie vielleicht schon lange Jahre gut kennt, und sie hätten dafür nur relativ kurz Zeit. Welche Seite von Ihnen würden Sie vorzeigen, welche Aspekte in den Vordergrund rücken? Ende Juni dieses Jahres fand auf Einladung der israelischen Regierung in Jerusalem das „First Jewish Media Summit“ statt. Für die mit der Organisation betrauten Pressesprecher sicher keine leichte Aufgabe. Rund 150 Teilnehmer – Journalistinnen und Journalisten führender jüdischer Medien aus allen Teilen der Welt, darunter die Illustrierte Neue Welt - waren gekommen, und für die die meisten von ihnen war es natürlich nicht die erste Reise nach Israel. So mancher hat sogar Verwandte im Land. Jedenfalls kamen alle mit einem vorgefertigten „Israel-Bild“ zu dem Treffen.
Dieses stellte gleicht die Auftaktveranstaltung auf die Probe: In einem seiner letzten öffentlichen Auftritte als Staatspräsident wandte sich Schimon Peres mit nachdenklichen Worten an die internationale Gruppe: „Leadership, das bedeutet heute etwas ganz anderes als gestern. Am Beginn der Geschichte Israels musste man erst eine Armee bilden, um das Land zu verteidigen. Man musste stark sein, es war die Zeit der ,Machos’. Seit wir in ein Zeitalter eingetreten sind, das von den Erkenntnissen der Wissenschaft geprägt ist – ich glaube, dass ,macho’ jetzt nicht mehr viel mit ,leadership’ zu tun hat. Wissen, Erkenntnis, das sind die wichtigsten Eigenschaften für eine heutige politische Führung.“ Weise Worte, die doch durch die Ereignisse wenige Tage später auf die Probe gestellt wurden: Die von der Hamas zu verantwortende Entführung und Ermordung dreier junger Israelis, der Rachemord an einem jungen Palästinenser, massive Raketenangriffe der Hamas auf Israel und die folgende Militäraktion „Protective Edge“ zeigten, wie wünschenswert eine Entwicklung wie vom Peres dargestellt wäre, aber auch, dass Israel noch weit davon entfernt ist, ohne Einsatz militärischer Stärke existieren zu können. Nicht nur Nachdenkliches kam freilich von dem scheidenden Staatsmann. Als sich ein Journalist aus Argentinien zur Wort meldete, ließ Peres es sich nicht nehmen, einen humorvoll-launigen Kommentar zu Papst Franziskus abzugeben: „Ich glaube, er ist der beste Papst, den das jüdische Volk in 2000 Jahren jemals hatte“ – Lachen im Auditorium.
Ernste Warnungen kamen dann vom Ministerpräsidenten, der zunächst die Leistungen der israelischen Wirtschaft in den Vordergrund stellte. In der EDV-Sicherheitstechnik verfüge das Land über eine Marktposition, die dem Hundertfachen seiner Größe entspreche. Israel sei eine der Cyber-Hauptstädte der westlichen Welt, präsentierte Benjamin „Bibi“ Netanjahu sein Land als aufstrebendes Wirtschaftszentrum der Region – was Wirtschaftsminister und erfolgreicher Unternehmer Naftali Bennet wenig später auch tat. Umwelttechnologie, Wasseraufbereitung, Landwirtschaft – alles Sektoren, in denen israelische Forscher Spitzenleistungen vollbringen. Warum das so sei? „Das jüdische Volk stellt immer Fragen, es ist gewöhnt, zu verhandeln. Wir verhandeln sogar mit G´tt“ – wieder ein Lachen im Publikum. „…und wir versuchen, die Welt besser zu machen“. Doch trotz aller Erfolge müsse man mit den Füßen immer auf dem Boden der Realität bleiben und versuchen, Gefahren zu erkennen: „Wann immer wir hier versagt haben, musste wir dafür einen schrecklichen Preis bezahlen – den schrecklichsten, den je ein Volk in der Geschichte bezahlen musste“.
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