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Israelische Kunstgraphik

Sie führt uns zu einem Rundgang durch wichtige Stationen der Kunstentwicklung Israels, von den Anfängen in der Mandatszeit bis zu zeitgenössischen Arbeiten und vermittelt uns die Ausstellung ein who is who der israelischen Kunstszene – von der Gründung der Bezalel Kunstakademie 1906 bis heute.

Die Anfänge der Israelischen Graphik sind vor allem durch zwei Künstler gekennzeichnet: Hermann Struck (1876-1944) und des um 10 Jahre jüngeren Jakob Steinhardt (1887-1966). Beide waren Berliner und wichtige Repräsentanten der Künstler, die den Jugendstil und den deutschen Expressionismus in die Region brachten. Ardon und Jakob Steinhardt leiteten die Bezalel Kunstakademie und waren für die Förderung einer neuen Künstlergeneration zuständig. Diese Generation wandte sich gegen den anachronistischen, national-orientalischen Stil. Das Buch Die Kunst des Radierens von Hermann Struck erschien 1908, lange vor seiner Emigration 1922 und beeinflusste graphische Künstler in ganz Europa.

Wir blicken so auf eine lange Tradition der Druckkunst in Palästina zurück, von den Holzschnitzen Jakob Steinhardts und Jakob Pins bis Moshe Gat bis zu den Druckgraphiken, die von bildenden Künstlern mit Hilfe der Werkstätten von Kibbuz Cabri und des Jerusalem Print Workshop (Arik Kilemnik) hergestellt wurden. Da die ganze Skala der Malerei dem Künstler hier nicht zu Verfügung steht, adaptieren sie ihre Arbeitsweise und nützen die Möglichkeit, alternative Aspekte ihres Schaffens zu verwirklichen und zu kommunizieren.

So sind die Radierungen Lea Nikels weniger vom lyrischen Expressionismus geprägt als ihre Ölbilder und mehr konzeptuell. Für Bildhauer ist das Medium oft ein bewusst eingesetztes Mittel, zweidimensional zu arbeiten. Yechiel Shemi setzt seine Stiche als Kontrapunkt zu den, der Industrie verhaftenden, abstrakten Metall-Skulpturen, die jedoch wiederum als dreidimensionale konstruktivistische Kalligraphie gedeutet werden können. Yigal Ozeri nützt die Techniken der Graphik, um sich neben seinen Collagen wieder seinen zeichnerischen Ursprüngen zuzuwenden. Auch Zvika Kantor arbeitet im Druckmedium parallel zu seinen Computerarbeiten.

In der Ausstellung wird eine Graphik von Itzhak Danziger gezeigt. Er ist der vielleicht wichtigste Vertreter der Kanaaniter. Diese Gruppe nahm eine antireligiöse, anti-Diaspora Haltung an. Danziger kehrte 1938 nach seinen Studien in England in seine Heimat zurück.Die Kanaannitergruppe beeinflusste eine Gruppe von Künstlern, die als Neue Horizonte in die Geschichte der Moderne Israels eingegangen sind.

Die Geschichte dieser Gruppe ist auch die Geschichte der Künstler, die sich der europäischen Avantgarde verschrieben hatten und Tendenzen aus Europa und der USA reflektierten.

Die Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Kunst der Kunstmetropolen, im Gegenspiel zu der Ideologie einer eigenständigen landbezogenen Ausrichtung, wird seit den Anfängen des 20sten Jahrhunderts ständiges Thema der israelischer Kunst. Die Neue Horizonte Gruppe dagegen bekannte sich zur internationalen Moderne, im besonderen zur französischen, strebte aber, einen einzigartigen Stil an, der ihrer spezifischen Realität Ausdruck verlieh. Manche Kritiker sehen in dieser Gruppe Künstler, die sich zwar von der Ideologie befreien, aber die Auseinandersetzung mit dem Land beibehalten. Yosef Zaritsky gilt als Begründer der Gruppe, die viele bekannte Namen aufweist: Yeheskel Streichman, ­Mairovich, Feigin und besonders der hier vertretene Avigdor Stematsky, sowie Arieh Azane, Yechiel Shemi und Naomi Smilanski. Avigdor ­Stemazky, 1908 in Odessa geboren, ging 1929 nach Paris und studierte an der Akademie de la Grande Chaumiere und der Akademie Colarossi. Dann in den 1920er Jahren an der Bezalel Akademie. Die in der Ausstellung gezeigten Künstlerinnen Lea Nikel und Aviva Uri sind mit der Gruppe assoziiert. Beide gelten als die Grandes Dames der israelischen Kunst.

Lea Nikel lebte und arbeitete in Tel Aviv, Paris und New York, studierte in den Studios mit Streichmann und Stemazky und zeichnet sich durch einen unverkennbar lyrischen Expressionismus, starker Farbigkeit und kalligraphischen Elementen aus.

Die Neue Horizonte Gruppe repräsentiert vor allem abstrakte Kunst, andere Künstler wie der hier präsente Moshe Gat oder die Künstlerin Ruth Schloss zeigen soziale Spannungen auf und sind sozial-politisch geprägt.

Uri Lifschiz, 1936 geboren, war einer der Begründer der 10 plus Gruppe, die auch eine Alternative zu den Neuen Horizonten bildete. Künstler dieser Gruppe, um den schon erwähnten Raffi Lavie sind Buki Schwarz, Ziona Shimshi, Tuvia Beeri und andere. Sie sind durch die Verwendung und das Verschmelzen verschiedener Medien, sowie die Einführung von Videoart gekennzeichnet. Die Bezeichnung „Verlust der Materie“ oder „Want of Matter“ geht auf den Titel, der von Sara Breitberg-Semel kuratierten Ausstellung von 1986 im Tel Aviv Museum zurück. Sie postulierte unästhetische Tendenzen, deren Wurzeln sie in der jüdischen talmudischen Tradition findet, die den Text in das Zentrum des Kulturschaffens stellt. Der hier als der einzige der Gruppe vertretene Uri Lifschitz integrierte Popart und politische Provokation in seine dezidiert antiestablishment Bilder.

Im Zuge der einschneidenden Erfahrung des Krieges von 1967 und der territorialen Veränderungen begannen sich Künstler mit der politischen Situation auseinanderzusetzen und sie zu problematisieren. Diese Gruppe um Micha Ullmann, Avital Geva, Moshe Gershuni und Yair Garbuz, von den Neuen Horizonten ausgehend, setzte sich mit dem Land und der Erde, die von zwei Seiten beansprucht wurden, über künstlerische Aktionen auseinander.Diese Diskussion wurde durch die erste Intifada zunehmend schärfer. Ein Beispiel hierfür sind Gemälde wie Greenline von David Reeb. Der hier vertretene Tsibi Geva, in seiner Keffieh Serie, oder der hier in der Ausstellung gezeigten Sheshbesh Serie, wertet arabische Symbole auf, indem er ihnen über ihren Symbolwert hinaus, neue Bedeutung schafft. Er situiert sie innerhalb der Modernen Kunst und platziert sie gleichzeitig innerhalb der israelischen Kunst.

Es ist hier noch auf andere Künstler, die hier vertreten sind zu verweisen, die sich nicht leicht einreihen lassen: Moshe Kupferman (1926-2003) beschäftigte sich mit lyrischer Abstraktion und setzt sich kritisch mit ihr auseinander. Daraus kristallisiert sich der Wunsch, das Bild auszukratzen, auszulöschen. Diese Spannung in seinem Werk und deren Verarbeitung macht Moshe Kupferman zu einem der bedeutendsten Künstler seines Landes. Seit 1974 arbeitet er mit monochromem Hintergrund für seine linearen Netzstrukturen. Er ist ein Rezipient des Israel Preises, wie Zaritzky und Steimatsky.

Pinchas Cohen Gan, 1943 in Meknes, Marokko geboren, studierte 1962 an der Bezalel Akademie und mit Marcel Janco in Haifa. Er war Performancekünstler in den 1970er Jahren und zeigte 1972 Arbeiten in einer Mischtechnik, die ihn berühmt machten. Seine Arbeiten wurden zunehmend politischer, wie die Arbeiten Dead Sea Projekt (1972-73) und Touching the Border (1974) zeigen. Er behandelte Themen wie Entfremdung, Displacement und Immigration.

Besondere Aufmerksamkeit verdient der 2015 verstorbene Menasche Kadishman, vielleicht der israelische Künstler mit dem größten internationalen Bekanntheitsgrad. Seine archetypischen Schafe gehen sowohl auf seine Beschäftigung als Schafhirte im Kibbutz Ma‘ayan Baruch als auch auf seine Performance in einem Hirtenstall zurück. 1978 repräsentierte er Israel auf der Biennale in Venedig, wo er im israelischen Pavillion als Schafhirte fungierte und die Rücken der Schafe mit blauer Farbe bemalte. So gelang es ihm, konzeptuelle Kunst mit biblischer Bilderkraft zu integrieren. 1997-1999 kreierte er das ironisch bezeichnete Werk Shaleket (Fallende Blätter), wo hunderte schreiende Köpfe aus Metall gefertigt an unser Gewissen plädieren.   

Die INW lädt vom 11. Oktober bis 15. Oktober zu einer Ausstellung ein, welche im Theater Nestroyhof Hamakom, Nestroyplatz 1, 1020 Wien im Rahmen der israelischen Theaterwoche  stattfindet und die einen Querschnitt israelischer Grafik bietet. Der Kurator dieser Präsentation ist der in Israel sehr bekannten Kunst- und Kulturmanager Doron Polak. Die Werke sind auch käuflich zu erwerben. Unter dem Titel „Rishumon” gibt es zusätzlich eine bemerkenswerte und berührende Darbietung zweier Künstler, die zeitlose Themen wortlos, begleitet mit Musik von Shaul Ben Amitai, auf die Bühne bringen – schauspielerisch Svetlana Ben und malerische Interpretation Ophira Avisar. Ein Ereignis das man nicht versäumen möge. In der Beilage finden Sie einige Künstler dieser sehenswerten Ausstellung.

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