Inhalt

Kommt Zeit, kommt Rat

Der Beethovenfries – eine Nachkriegstragödie

Im Czernin Verlag ist die reich bebilderte und akribisch recherchierte Publikation Feindliche Gewalten. Das Ringen um Gustav Klimts Beethovenfries erschienen, das auf einem Gutachten basiert, das die Autorin Sophie Lillie im Auftrag der Erben nach Erich Lederer verfasste. 2015 entschied Kulturminister Josef Ostermayer, der sich auf die einstimmige Empfehlung des Kunstrestitutionsbeirats berief, dass der Beethovenfries in Österreich verbleibt. In diesen gesamten Diskurs nicht miteinbezogen waren die Erben nach Erich ­Lederer, die sicherlich einiges hätten einbringen können, da sich dieser unglaubliche Fall bis in die Zeit von Bruno Kreisky und Herta Firnberg – also bis in die 1970er Jahre – zog. Die Nachkommen hatten 2013 einen Antrag auf Restitution eingebracht und wurden medial als geldgierig dargestellt, deren Ansinnen von österreichischer Seite abgewendet wurde. Miteingebunden im medialen Diskurs war auch Elisabeth Leopold, die den damals an Erich ­Lederer bezahlten Preis von 15 Millionen Schilling als fair empfand. (Die Schiele-Sammlung ihres bereits verstorbenen Mann Rudolf Leopold hat sich bei weitem nicht als lupenrein erwiesen, so wurden zwei Bilder 1998, Tote Stadt III und das Bildnis Wally, im Rahmen einer Ausstellung in New York beschlagnahmt.)

Der 34 Meter lange Beethovenfries ist eines der zentralen Werke von Gustav Klimt. Er wurde anlässlich der Beethoven Ausstellung – das Raumprogramm wurde von Josef Hoffmann konzipiert – im Jahr 1902 in der Secession vom Künstler an die Wand gemalt. Des Weiteren war eine Beethoven-Statue auf Bronzethron – der Komponist wird als Zeus sitzend dargestellt – des deutschen Künstlers Max Klinger ausgestellt. Die Schau wurde kontroversiell diskutiert, Berta Zuckerkandl beispielsweise würdigte das Zusammenwirken dieser beiden Künstler als „Wunder nachfühlender Feinfühligkeit”. Es kamen aber auch antisemitische Stimmen zu Wort, die von „Der Judenzeit ihre Judenkunst” sprachen. Klinger hat es angeblich mit großer Heiterkeit aufgenommen, dass er als Jude bezeichnet wurde. Mit einem Besucherrekord von 60.000 war diese Ausstellung der größte Publikumserfolg in der Geschichte der Secession. Nach der Ausstellung sollte der Beethovenfries wieder abgetragen werden und war somit nur für die temporäre Ausstellung gedacht. Der Grazer Großindustrielle Carl Reininghaus verhinderte die Zerstörung des Kunstwerks, ordnete eine sorgfältige Abtragung an und kaufte den Fries. Über Vermittlung von Egon Schiele verkaufte er 1915 den Beethovenfries an August Lederer. 

Lederer stammte aus der westböhmischen Kleinstadt Rokitzan, seine Frau Szerena geb. ­Pulitzer aus Südungarn. Der Großindustrielle leitete diverse Fabriken. Der Ehe entstammen die Tochter Elisabeth sowie die zwei Söhne Erich und Friedrich (Fritz). Ihr Lebensmittelpunkt war ab 1892 Wien, wo sie zuerst in der Reichratsstraße und anschließend in der Bartensteinstraße wohnten. Ihnen gehörten ein Wohnsitz in Györ, ein Gebäude auf dem Gelände der Raaber Spiritusfabrik und eine Sommerresidenz auf Schloss Weidlingau. Vor allem Szerena Lederer war die Sammlerin von Kunst und so besaßen sie eine der umfangreichsten sowie bedeutendsten Privatsammlungen in Wien mit der größten privaten Klimtsammlung. 1936 wurde der Beethovenfries im Rahmen einer Ausstellung in der Secession gezeigt. In diesem Jahr starb August Lederer. Die Hälfte seines Nachlasses und die Kunstsammlung vermachte er seiner Frau, die andere Hälfte seinem Sohn Erich. Elisabeth hatte als Vorerbe bei ihrer Heirat einen Teil davon erhalten. Fritz ging leer aus, wegen seiner „anstößigen“ Lebensart – er war homosexuell – hatte ihn sein Vater verstoßen. 

Nach dem Anschluss flüchtete die Familie: ­Szerena nach Ungarn, Erich mit seiner Familie in die Schweiz, Elisabeth blieb in Wien und behauptete, dass sie, als Kind von Gustav Klimt, „Halbjüdin“ sei. 

Als kommissarischer Verwalter der Fabriken wurde Hermann Berchtold eingesetzt, ein nachweislich entlarvter Mörder aus Bayern, der eine grandiose Nazikarriere startete. Berchtold und seine Komplizen schanzten sich das Lederer-Vermögen gegenseitig zu. Am 26.11.1938 veranlasste das Magistrat aufgrund der Gefahr, dass die Kunstwerke außer Landes gebracht werden, die Sicherstellung der Sammlung. Das Eigentumsrecht blieb weiterhin bei Szerena Lederer, allerdings hatte sie keine Verfügungsgewalt. Im März 1939 beantragte die Eigentümerin eine Ausfuhrgenehmigung, woraufhin die Verwahrung an die Zentralstelle für Denkmalschutz übertragen wurde. Durch den Verzicht auf Hauptwerke hoffte Lederer, einen Teil der Sammlung erhalten zu können. Daraus wurde leider nichts. 

1943 fand in der – in Ausstellungshaus Friedrichstraße umbenannten – Secession eine große Klimt-Retrospektive mit der Mehrzahl der gesicherten Bilder aus der Sammlung Lederer statt. Ein Drittel der Exponate stammten aus enteigneten Wiener Privatsammlungen, so auch aus der Sammlung Jenny Steiner oder Bloch-Bauer. Der Erfolg der Ausstellung reizte natürlich die Museen, sich Lederer-Bilder zu sichern. Es wurde bei Tochter Elisabeth Bachofen-Echt angefragt, ob sie einer Schenkung an die Österreichische Galerie zustimme, dann könnte sie andere Kunstgegenstände zurück erhalten. Szerena Lederer starb am 27. März 1943. Ansprechperson war nun der gerichtlich bestellte Nachlassverwalter Richard Heiserer. Dieser verkaufte die Philosophie und die Jurisprudenz an die Österreichische Galerie. Um die Bilder vor Bombentreffern zu schützen, brachte man beispielsweise den Beethovenfries auf Schloss Thornthal und zehn der ausgestellten Bilder auf Schloss Immendorf unter. Nach der Kapitulation Deutschlands setzte die SS letzteres Schloss in Brand, somit wurden diese Kunstwerke zerstört. 

Die Restitutionsverhandlungen des elterlichen Vermögens führte Erich Lederer. Die von den Nationalsozialisten gemachten Konzernschulden führten zur Verhängung des Konkurses über die Verlassenschaft. Erich Lederer musste die Kleingläubiger, darüber hinaus die Verfahrenskosten und die Honorare der Massenverwalter bezahlen. Im Gegenzug sollte ein Teil der erhalten gebliebenen Kunstsammlung an ihn zurückgegeben werden. Es war üblich, Ausfuhrsperren aufzuheben, wenn der Staat besonders wertvolle Objekte gewidmet bekam – auf diese Weise verdoppelte die Österreichische Galerie ihren Klimt-Bestand. Von Lederer selbst erpresste man 1950 Gentile Bellinis Kardinal Bessarion, je drei Aquarelle von Moritz von Schwind und Franz Xaver Petter, sechs Blätter von Egon Schiele sowie ein Franz-Alt-Aquarell. Der Beethovenfries wurde gleichzeitig per Erlass für die Ausfuhr gesperrt. 

Zwischen 1950 und 1970 wurde nun hin und her verhandelt. Das Projekt wurde von einer Regierung zur anderen gereicht. Aufgrund unsachgemäßer Lagerung war der Fries stark restaurationsbedürftig. Lederer wollte von Österreich 8 Millionen Schilling. Die Zuständigen in Österreich spielten mit dem Gedanken, Lederer die Restaurierungskosten aufzuhalsen. Insgesamt 7 Expertisen wurden erstellt. Schließlich bekam Lederer Mitte Jänner 1973 15 Millionen Schilling, was heute einer Kaufkraft von 4,3 Millionen Euro entspricht. 

Der Beethovenfries wurde restauriert und befindet sich heute als Publikumsmagnet in der Secession.

Kontextspalte