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Mehr Blutvergießen, mehr Chaos

Hama / Syrien als Beispiel

Zwei Ereignisse waren bisher tief im kollektiven Gedächtnis eingebrannt.

Im Oktober 1925 erhob sich die Stadt gegen die Kolonialherrschaft der Franzosen. In Hama statuierte Frankreich ein Exempel: Die Luftwaffe legte ganze Wohnviertel in Asche und tötete mindestens 400 Menschen in drei Tagen. Es war der Auftakt einer brutalen Unterdrückungskampagne, in der die Franzosen Dörfer auslöschten, und ganze Wohnviertel der Hauptstadt mit Artillerie zerrieben. In Damaskus starben damals mindestens1500 Menschen in drei Tagen.

Der Schrecken von Hama und Damaskus fachte die Gemüter nur an. Doch die Taktik machte sich bezahlt: Ein Jahr und Ttausende Todesopfer später blutete die Rebellion aus – Syrien war befriedet.

Knapp 60 Jahre später wurde Hama erneut zum Brennpunkt:

Diesmal erhoben sich die Muslimbrüder gegen die Gewaltherrschaft von Hafez Assad, Vater des heutigen Präsidenten.

Drei Wochenlang wurde die Stadt bombardiert, 10.000 – 40.000 Menschen fanden in den Trümmern den Tod. Teile der Stadt wurden danach von Assads Planierraupen buchstäblich dem Erdboden gleich gemacht. Reporter, die die Stadt besuchten, fanden staubige Großparkplätze an den Orten vor, an denen vorher Stadtviertel gestanden hatten.

Assads Wagnis lohnte sich: Der Schrecken von Hama schüchterte die Bevölkerung Jahrzehnte lang ein und machte sie regierbar.

Bis im März 2011 eine neue Rebellion ausbrach. Assads Sohn Baschar will diese Rebellion mit einem „kleinen Hamas“ in den Griff bekommen. Er weiß., dass er seine letzten Verbündeten vergraulen, seine Position unhaltbar machen würde, wenn er in kurzer Zeit zu viel Blut vergießt. Es mutet kühl berechnet an, dass Assad „nur“ rund 100 Menschen pro Woche töten lässt: So bleibt er im Windschatten anderer Katastrophen, denen sich internationale Medien widmen.

Im Vergleich zu den Akten der Franzosen und seines Vaters ist das Massaker von Hula, in dem am Wochenende mehr als 90 Zivilisten ermordet wurden, eine Petitesse. Angesichts der Geschichte bleibt nur wenig Hoffnung, dass Assad sich verkalkuliert und seine Provokation einen Schritt zu weit getrieben hat:

Die Präsenz von UNO-Beobachtern, die zeitnah die Ereignisse untersuchten und dem Regime die Verantwortung gaben, könnte Assads Verbündete zwingen zu reagieren. Russland beginnt sich zu distanzieren. Selbst Iran musste das Massaker heuchlerisch verurteilen.

Dennoch ist wahrscheinlich, dass Pessimisten weiterhin Recht behalten: Die Verurteilung des Massenmords in Hula ist so bedeutungslos, dass Assad auf sie lediglich mit einem neuen Angriff auf Hama reagierte. Das ist ein Wegweiser für das, was Syrien bevorsteht:

Mehr Blutvergießen, mehr Chaos, ethnischer Krieg und internationale Unfähigkeit, weitere Massaker zu verhindern.

Solange die Armee und Syriens Minderheiten zu ihm halten, wird Assad weiter mit Gewalt agieren und beweisen: Wer Hama bezwingt, kann auch den Rest Syriens beherrschen.

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