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Oase des Friedens

In Neve Shalom Wahat al-Salam wurde vor Kurzem die „Fred Segal Bücherei für Frieden und Freundschaft” sowie ein Computerraum eröffnet. Dies zeigt, dass dort das Hauptaugenmerk auf Bildung liegt, auf Friedensbildung.

Das Dorf befindet sich gleich weit entfernt zwischen Tel Aviv-Jaffa, Jerusalem und Ramallah und wurde 1972 von Bruno Hussar gegründet: „Ich bin katholischer Priester, ich bin Jude, ich bin israelischer Staatsbürger, bin in Ägypten geboren, wo ich die ersten 18 Jahre gelebt habe. Ich spüre in mir vier verschiedene Identitäten: Ich bin wirklich Christ und Priester, ich bin wirklich Jude, ich bin wirklich Israeli, und wenn ich mich auch nicht als Ägypter fühle, so stehe ich doch den Arabern, die ich kenne und liebe, sehr nahe.“

Hussar bekam vom nahe gelegenen Trappistenkloster Latroun ein durch die Kriege 1948 und 1967 verwüstetes Grundstück, und er lud junge jüdische und arabische Familien ein, das Dorf aufzubauen. 1977 zog die erste Familie auf den Hügel. Heute leben dort rund 300 Menschen, die eine Hälfte jüdisch, die andere arabisch, die eine Hälfte der PalästinenserInnen sind Moslems, die andere Christen. 

Im Gegensatz zu Orten wie Jaffa, Akko, Haifa oder Tel Aviv, wo sowohl JüdInnen als auch AraberInnen leben, haben sich in diesem Dorf Menschen bewusst entschieden, in einer gleichberechtigten Gesellschaft zu leben. Sie teilen sich die Macht, die Administration und die Erziehung. Es ist die einzige Gemeinschaft im Mittleren Osten und vielleicht sogar auf der ganzen Welt, in der JüdInnen und PalästinenserInnen zeigen, dass es möglich ist, sich das Land zu teilen und friedlich miteinander zu leben. Es geht in diesem Friedensprojekt um Gleichberechtigung, um Respekt unterschiedlicher Traditionen und um Überzeugungen sowie um pädagogische Grundsätze und Konzepte. 

Maßgeblich beteiligt an diesem Friedensprojekt ist die Psychotherapeutin Evi Guggenheim. Sie wuchs in einer orthodoxen Familie in der Schweiz auf und wanderte, 19jährig, nach Israel aus. Sie heiratete den Palästinenser Eyas Shbeta. Ihre drei Töchter wachsen mehrsprachig auf. Familiensprache ist Hebräisch, mit Gästen sprechen sie Deutsch oder Englisch, mit ihrem Vater Arabisch, mit ihrer Mutter Schweizerdeutsch. Das Ehepaar schrieb zusammen das Buch Oase des Friedens. Wie eine Jüdin und ein Palästinenser in Israel ihre Liebe leben.

In Neve Shalom Wahat al-Salam wird vor allem an der Bildung gearbeitet, denn die Friedenserziehung ist das beste Mittel, Kriege zu verhindern. Dieses Modell wird in fünf verschiedenen friedenspädagogischen Institutionen weitergegeben. Es gibt einen Kindergarten und eine Grundschule. Über 300 Kinder besuchen die Schule, 90% von ihnen kommen aus den angrenzenden Ortschaften. In dem multikulturellen und bilingualen Bildungssystem wird sowohl in Hebräisch als auch auf Arabisch unterrichtet – jüdische LehrerInnen unterrichten ihre Fächer auf Hebräisch, palästinensische LehrerInnen auf Arabisch. Die Friedensschule ist eine überregionale Bildungsstätte, wo Seminare und Kurse stattfinden, in denen gegen Rassimus und für Toleranz gearbeitet wird. 

Das Dorf und die Friedensschule haben bereits zahlreiche internationale Preise und Auszeichnungen erhalten, darunter den Niwano Friedenspreis (Japan); den Beyond War Award (USA); die Buber-Rosenzweig-Medaille (Deutschland); den Preis der Bruno Kreisky-Stiftung; den Paul Harris Preis, u.v.m. Des Weiteren wurden das Dorf und die Friedensschule bereits fünfmal für den Nobelpreis nominiert.

Doumia Sakinah heißt das spirituelle Zentrum, wo ein interreligiöser Dialog stattfindet, aber auch z. B. Yoga Kurse. An sich hätte dieses Gebäude eine Dreiecksform haben sollen, was für die drei Religionen steht. Da sich aber die AtheistInnen darin nicht wiederfanden, wurde der Bau kuppelartig gestaltet. Dort werden auch Veranstaltungen angeboten, bei denen über die Rolle spiritueller und ethischer Werte in Erziehung und Friedensarbeit nachgedacht wird.

Der Jugendclub Moadon Noar Nadi as-Shabibah bietet diverse außerschulische Aktivitäten an. Wer das Dorf besucht oder an Programmen teilnehmen will, kann im zentral gelegenen Gästehaus wohnen.

Aktuell wird das World Peace College entwickelt, welches in Zusammenarbeit mit der Universität von Massachusetts, Boston/USA ein Master Programm für Konfliktlösung anbieten wird. Des Weiteren soll ein Museum für den Frieden entstehen, das Raum für Workshops und Ausstellungen bietet. 

Neve Shalom Wahat al-Salam ist wirklich eine Reise wert.

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