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Proteste gegen Schulreform

Israelis warnen seit Jahren vor dem Hass, mit dem palästinensische Kinder indoktriniert werden. Jetzt untermauert der Versuch, Schulbücher zu reformieren, diesen Vorwurf: Lehrer, Schüler und Eltern protestieren gegen das Vorhaben, den Kampf gegen den Judenstaat aus dem Curriculum zu nehmen.

Eines kann ich Ihnen versichern“, betonte Mahmud Abbas, Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), bei seinem Gipfeltreffen mit US-Präsident Donald Trump: „Wir erziehen unsere Jugend, unsere Kinder und Enkel, in einer Kultur des Friedens.“ Palästinenser wollten „Sicherheit, Freiheit und Frieden für unsere Kinder, damit sie neben israelischen Kindern leben.“ 

Abbas wollte den Vorwurf des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu abwehren, die Indoktrination palästinensischer Jugendlicher sei eines der Haupthindernisse auf dem Weg zum Frieden: „Sie nennen sogar ihre Schulen nach Massenmördern von Israelis und zahlen Terroristen Gehälter“, kommentierte Netanjahu Abbas Aussage. 

Eine vorgeschlagene Reform palästinensischer Schulbücher und die Reaktionen darauf scheinen Israels Premier nun Recht zu geben. Ganz Palästina ist in Aufruhr über das Vorhaben des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge, UNRWA, Schulbücher zu verändern, um die vielerorts enthaltene Hetze gegen Israel zu mildern. Radikale Äußerungen sollen entfernt, die Gleichberechtigung der Geschlechter betont werden. Das Vorhaben erzeugte bei sonst tief gespaltenen Palästinensern seltene Eintracht. Sowohl im Westjordanland, das von der PA beherrscht wird als auch im Gazastreifen, den die radikal-islamische Hamas kontrolliert, demonstrierten Eltern gegen „den Versuch, unsere nationale Identität auszulöschen.“ 

Auf einer eigens einberufenen Konferenz in Ramallah wetterte der arabisch-israelische Knessetabgeordnete Ahmad Tibi: „Palästinenser, die unter Besatzung leben, haben das Recht, gegen sie Hetze zu betreiben!“ Das Bildungsministerium der PA lehnt die Vorschläge ab und drohte, die Kooperation mit UNRWA einzustellen. Die Hamas spricht von einem „politischen Verbrechen“.

UNRWA, die United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees, wurde im Dezember 1949 infolge der Massenflucht der Palästinenser bei der Staatsgründung Israels gegründet. Sie ist bis heute „eines der größten UN-Hilfsprogramme“ und unterstützt rund fünf Millionen Flüchtlinge und ihre Nachkommen mit 30.000 Angestellten in fünf Regionen. Dazu gehört auch Bildung für rund eine halbe Million Kinder. Im Gazastreifen unterhält UNRWA 252 Schulen mit 240.400 Schülern. Im Westjordanland sind es 97 Grundschulen mit 50.000 Schülern. Das UNRWA-Schulprogramm orientiert sich an den Lehrplänen des jeweiligen Gastlandes – hier also an denen der PA. Doch seit 2011 prüft UNRWA das eigene Lehrmaterial, um „den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden.“

Wie das Forschungsinstitut MEMRI berichtete, will UNRWA nun mindestens 50 Veränderungen in Schulbüchern der Grundschulen in Fächern wie Arabisch, Mathematik, Sozialwissenschaften und Englisch vornehmen. Zum Beispiel dabei, wie Kinder lernen, den Laut „Ti“ auszusprechen. Bislang diente im Arabischlehrbuch der ersten Klasse dazu eine Karte „Palästinas“ (auf Arabisch: „Falastin“). Das Problem dabei: Israel existiert auf dieser Karte nicht. Palästina reicht vom Mittelmeer bis zum Jordan. Jetzt sollen die Karte die Abbildung eines Vogels („Jatir“) und von Kürbissen („Jaktin“) ersetzen. 

Wenn dieselben Erstklässler in Erdkunde über Desertifikation lernen, soll diese künftig nicht mehr anhand eines Fotos eines israelischen Bulldozers erklärt werden, der einen Hain planiert, sondern mit einem Bild aus der Wüste. In einem Mathebuch der zweiten Klasse sollen die Kinder fortan nicht mehr anhand dargestellter Straßensperren rechnen lernen. In der vierten Klasse soll es im Arabisch-Unterricht nicht mehr heißen: „Jerusalem ist die Hauptstadt des palästinensischen Staates“, sondern „Jerusalem ist den drei abrahamitischen Religionen heilig“. 

Auch die Gleichstellung der Geschlechter soll in den neuen Büchern Ausdruck finden, zum Beispiel dadurch, dass auf Fotos in Zukunft auch Frauen und Mädchen zu sehen sind, manchmal direkt neben Männern und Jungen – eine klare Ansage gegen die von Islamisten geforderte Geschlechtertrennung.

In der Vergangenheit kam es wegen des Lehrplans von UNRWA bereits zu Konflikten mit der PA und besonders mit der Hamas. Schon vor drei Jahren drohten die Islamisten dem UN-Hilfswerk mit „Konsequenzen“, falls diese weiterhin Lehrmaterial über die universellen Menschenrechte verteile. Auch diesmal kamen die Reaktionen umgehend: Das Bildungsministerium der PA drohte, jeden zu bestrafen, der versuche, den Lehrplan zu „verändern oder zu sabotieren, weil dies als Aggression gegen Palästina und die nationale Identität gewertet wird.“ Das Vorhaben UNRWAs gehe „mit den Plänen der Besatzung Hand in Hand“. 

„Wir wollen Bildung, die befreit“, sagte Bildungsminister Sabri Saidam. Die arabische Knessetabgeordnete Hanin Soabi, die wie Tibi eigens zu einer Konferenz nach Ramallah gekommen war, sagte: „Gegen die Besatzung und ihre Verbrechen zu hetzen ist nicht nur ein Recht, sondern eine menschliche Pflicht!“ 

Widerstand kam auch aus Reihen der eigenen Angestellten des UN-Hilfswerks. Amal al-Battasch, stellvertretende Direktorin der Gewerkschaft der UNRWA-Mitarbeiter, erklärte die Teilnahme von Lehrern an einem Workshop zu den vorgeschlagenen Veränderungen für verboten: „Wir werden dieses Komplott gegen unser Volk nicht zulassen!“ Die Reform „schadet unseren Prinzipien, verfälscht unsere Geschichte, Geographie und Überzeugungen.“ UNRWA betreibe „Gehirnwäsche“. Ein anderer Mitarbeiter der Organisation erklärte gegenüber der Hamas-nahen, palästinensischen Nachrichtenseite Alray, das Problem mit den Neuerungen sei, dass sie „eine Kultur der Normalisierung und friedlichen Koexistenz als Lösung für das Problem darstellen, und den palästinensischen Schüler vom (bewaffneten) Widerstand distanziert.“ 

Aus UNRWA-Quellen hieß es, die PA habe ihre Drohung, die Kooperation mit dem Hilfswerk abzubrechen, nicht wahr gemacht. Die Reform gehe weiter wie geplant. Israelische Experten sind angesichts der universalen Opposition unter Palästinensern indes skeptisch, dass die angestrebte Reform im kommenden Schuljahr tatsächlich umgesetzt wird.

Hetze gegen Israel und Juden findet aber nicht nur in Schulen statt. Im arabischen Raum ist sie ubiquitär. So lief im April im jordanischen Prime TV-Kanal eine dreiteilige Serie zu den „Protokollen der Weisen Zions“. Obwohl bekannt ist, dass es sich hierbei um ein antisemitisches Machwerk aus Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts handelt, nahm der Moderator Ayed Alqam den Inhalt für bare Münze. Juden seien ein „verabscheutes Volk“, das für „seine Lügen und Betrug bekannt ist, und dafür, dass es Zwist sät.“ Juden seien die „Herren der Welt und korrumpieren sie“, stünden hinter allen Konflikten. Alqam machte eine jüdische Kabale hinter den Unruhen im arabischen Raum aus und hinter den hohen Lebenshaltungskosten. Wenigstens eine positive Konsequenz schloss er aus den gefälschten Protokollen: Ein dritter Weltkrieg sei unwahrscheinlich, weil der nur stattfinden würde, wenn alle Araber sich gegen die Juden zusammenschlössen. Dies sei aber unmöglich. Im Vergleich zu Alqam erscheint der Inhalt palästinensischer Schulbücher dann schon fast so mild wie Abbas ihn beschreibt. 

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