Drei Buchstaben für ein ganzes Leben: RBG, Ruth Bader Ginsburg, Richterin am Supreme Court, dem Obersten Gerichtshof der USA, hat sich in zahlreichen Prozessen erfolgreich für die Gleichstellung der Geschlechter eingesetzt. Ein aufwändig gestalteter Film erzählt ihr Leben. Hauptdarstellerin ist RBG.
Ein Monster, ein Zombie, eine Hexe, eine Schande für Amerika“, sagen ihre Feinde. „Eine Königin, die unglaubliche, berühmt-berüchtigte RBG“, nennen sie ihre Fans, und das sind viele. „Notorious RBG“, das ist Ruth Bader Ginsburg. Die Filmemacherinnen Betsy West und Julie Cohen haben der aktiven 85jährigen und ihrem Lebenswerk mit einem lebendigen, fesselnden Film ein Denkmal gesetzt.
Ruth Bader Ginsburg, kurz und liebevoll RBG genannt, hat für die Frauen in Amerika gekämpft. Ohne Waffen und Aggression, nur mit ihrem Sinn für Gerechtigkeit und der genauen Kenntnis der Gesetze. Vor allem von der Jugend wird die kleine alte Dame als Heldin verehrt. Zur Kämpferin war die zierlich, recht scheue Ruth nicht geboren, doch als sie, bereits eine der ersten Jus-Professorinnen der USA, mit der Ungleichbehandlung der Frauen in der Arbeitswelt Bekanntschaft schloss, entwickelte sie sich zur unnachgiebigen Anwältin der Gleichheit von Frau und Mann vor dem Gesetz.
Ginsburg ist 1933 in eine jüdische Familie geboren. Die Eltern ihrer Mutter, geborene Amster, waren Einwanderer aus Österreich, der Vater, Adam Bader, war mit 13 Jahren aus Russland nach Amerika gekommen. Die Eltern waren nicht besonders gebildet, legten jedoch großen Wert auf die Ausbildung ihrer Tochter. Als Ruth ihre Ausbildung an der High School beendet hatte, starb die Mutter an einer Krebserkrankung. An der Cornell University lernte sie Martin Ginsburg kennen, den sie bald nach ihrem mit Auszeichnung abgeschlossenen Bachelor geheiratet hat. Schon als Ehefrau begann sie ihr Jusstudium. 1955 gebar sie ihre Tochter Jane, 1965 den Sohn James. Jane ist in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten und ebenfalls eine bekannte Anwältin geworden; James ist Musikproduzent und Gründer des Labels Cedille Records, womit er sich auf klassische Musik konzentriert. Der Tod ihres Ehemanns 2010 war für Ginsburg ein schmerzvoller Verlust, sie war ihrem Martin in unverbrüchlicher Liebe verbunden, er war ihr 56 Jahre lang Stütze, Ratgeber und Anbeter. Trost empfängt sie von ihrer Enkeltochter Clara.
Ruth Bader Ginsburg widmete einen beträchtlichen Teil ihrer juristischen Karriere der Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau in der Arbeitswelt. Als Vorsitzende des von ihr mitbegründeten Frauenrechtsprojekts ACLU gewann sie zwischen 1973 und 1976 fünf von sechs vors Oberste Gericht gebrachten Fällen von Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Immer argumentierte sie ruhig und höflich und machte den Richtern bewusst, dass alles, was sie verlange, im Gesetzestext stünde. Da konnten sich auch die verbohrtesten Machos nicht wehren.
Dabei verwendete sie nicht den englischen Ausdruck „sex“ für Geschlecht, sondern „gender“. „Wenn Sie ,sex’ sagen, werden die Richter ganz verwirrt sein“, riet ihre Sekretärin. Gegen guten Rat sperrte sich Ginsburg niemals.
1980 berief sie Präsident Jimmy Carter an das Berufungsgericht für den Bezirk von Columbia; 1993 wurde Ruth Bader Ginsburg von Bill Clinton zur Richterin am Obersten Gerichtshof ernannt. 96 Senatoren aus beiden Parteien haben die Ernennung bestätigt. Nur drei waren nicht einverstanden. Ginsburg war nach nahezu einem Vierteljahrhundert die erste jüdische Richterin am Supreme Court und damit das erste jüdische Mitglied überhaupt. Heute ist sie nach dem Ausscheiden von Richterin Sandra Day O’Connor die einzige Richterin am Gerichtshof.
Die Filmemacherinnen Betsy West und Julie Cohen verbrachten drei Jahre mit RBG, begleiteten sie auf ihren Reisen, gingen mit ihr in die Oper, die die Richterin glücklich macht, führten Interviews. Small Talk verweigert RBG, doch als ihr die Regisseurinnen den Ausschnitt aus einer Fernsehshow vorführten, in der sie von Kate McKinnon parodiert wird, bricht sie unvermittelt in das fröhliche Kichern eines Teenagers aus.
Mit der Kandidatur Donald Trumps für die Präsidentschaft, war Ginsburg gar nicht einverstanden. Doch als man ihr nahelegte, wegen ihres hohen Alters den Platz zu räumen und sich zur Ruhe zu setzen, biss man auf Granit. Ihre ungezählten Anhänger*innen sehen in Ruth Bader Ginsburg ein Bollwerk gegen die willkürliche Veränderung der Gesellschaft zum Schlechteren. Würde sie ihren Sitz im Supreme Court räumen, gäbe sie Trump die Gelegenheit, eine konservative Mehrheit zu zementieren. Die Ernennung zu einem Richter/einer Richterin am Obersten Gerichtshof gilt praktisch auf Lebenszeit. Nur nach einer Anklage für ein Amtsenthebungensverfahren (Impeachment) des Repräsentantenhauses kann eine Richterin/ein Richter nach Senatsbeschluss abgesetzt werden. Ruth Bader Ginsburg kann ihren zielbewussten Widerstand gegen Ungerechtigkeit und Diskriminierung mit unverbrüchlicher Energie fortsetzen. Und sie wird weiterhin ihr Einverständnis für die Mehrheitsmeinung der männlichen Kollegen verweigern.
Da im Film alle auftretenden Personen sich selbst darstellen, werden von Martin Ginsburg, wie auch von Ruth, vor allem Bilder aus der Jugendzeit des Ehepaares eingeblendet. Doch Fotos und alte Filmaufnahmen sind selten, im Mittelpunkt steht, winzig, aber aufrecht und stark, Ruth Bader Ginsburg selbst und ihr Verteidigung des Rechts auf Gleichbehandlung.
Ein Film, der vom Leben und Wirken einer höchst bemerkenswerten Frau erzählt und seine Wirkung ohne Schmeicheleien und Übertreibung, allein durch den Bericht von Fakten und die Persönlichkeit von RBG erzielt. Langeweile kann gar nicht aufkommen: Denn so kurz die einzelnen Szenen sind, so schnell verschwinden die eingeblendeten Bilder wieder. Um Ruths Liebe zur Oper zu zeigen, werden Gespräche und Interviews mit Arien und Intermezzi bekannter Opern unterlegt.
Frauen werden diesen Film lieben, er gibt ihnen Mut und Kraft. Männer werden nicht so glücklich sein, weil ihnen die Mängel ihrer Herrschaft, die nicht nur in den USA zutage treten, sondern generell in der westlichen Gesellschaft vor Augen geführt werden. Ruth Bader Ginsburg hat sie während des Studiums am eigenen Leib erfahren und musste zeitlebens besser sein als ihre Kollegen, um den nötigen Respekt zu erhalten.
Eine Schwester im Geiste hat sie auch in Österreich. Unsere „Notorious Johanna“. Johanna Dohnal (1939-2010) hat für Gleichberechtigung und gegen die Unterdrückung und Entmündigung der Frauen nicht auf juristischer, sondern auf politischer Ebene gekämpft. Sie war ab 1990 die erste Frauenministerin und hat Gesetzeskraft für elementare Frauenrechte und Verbesserungen im Privaten wie im Berufsleben erreicht. Viele der Rechte, die Frauen heute als selbstverständlich ansehen, haben sie Johanna Dohnal zu verdanken. Für Männer in der Politik und in den Medien war sie oft, wie RBG „ein Monster, eine Hexe“. Alle Frauen sollten sie in anhaltender Dankbarkeit als Heilige verehren, auch wenn es keinen Kinofilm mit ihr und über sie gibt.