Das KUNST HAUS WIEN widmet die nächste Ausstellung Zwei Leben für die Fotografie (16. Oktober bis 8. Februar) Lillian Bassman und Paul Himmel. Die Retrospektive wurde bereits im Haus der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen und im Grassi Museum für Angewandte Kunst in Leipzig gezeigt. Nun kann auch in Wien das differente und vielseitige Werk des Paares wiederentdeckt werden, das lange Zeit in Vergessenheit geraten war.
Sowohl Bassman (1917-2012) als auch Himmel (1914-2009) hatten jüdische Wurzeln. Ihre Eltern stammten aus Russland und kamen 1905 nach New York, seine Eltern waren ukrainische Immigranten, die auf Coney Island das erste vegetarische Restaurant Amerikas eröffneten. Bassmans Mutter arbeitete in diesem Restaurant und so begegneten sich die 6jährige Lillian und der 9jährige Paul zum ersten Mal. Fast zehn Jahre später trafen sie sich wieder und verliebten sich ineinander. Mit dem Einverständnis ihrer unkonventionellen Eltern zogen sie in eine gemeinsame Wohnung und lebten von Himmels Lehrergehalt, das er nach dem Studium der Naturwissenschaften an der Benjamin Franklin High School in East Harlem verdiente. In seiner Freizeit begann er als Autodidakt zu fotografieren. Lillian studierte Grafikdesign, versuchte sich als Textildesignerin und wurde Assistentin von Alexey Brodovitch, dem künstlerischen Leiter von Harpers Bazaar. Himmel näherte sich von der gesellschaftlich-politischen Seite an die Fotografie an, er war Reportagefotograf, doch nach einem Sommerjob als Assistent bei Vogue wandte er sich der Modefotografie zu. Bassman war zwischen 1946 und 1949 Art-Direktorin bei Junior Bazaar, wo seine erste Modestrecke erschien. Er unterstützte sie, als sie nun auch selbst fotografieren wollte und schon bald arbeitete sie als Fotografin für Harper’s Bazaar und andere Magazine.
In den fünfziger Jahren entwickelten beide ihre für sie typischen Stile. Lillian Bassman verfremdete ihre Modeaufnahmen in der Dunkelkammer, bleichte ein paar Stellen aus, verwischte Konturen und ließ sie dadurch fast wie Aquarelle erscheinen. Sie schuf relativ unscharfe, an der Grenze des Erkennbaren liegende Arbeiten. Ihren Mann zog es dagegen in die Straßen New Yorks, wo seine berühmten dokumentarischen Großstadtimpressionen entstanden. Er begann auch, mit der Fotografie zu experimentieren. In seinen Momentaufnahmen machte er Bewegungen durch lange Belichtungszeiten sichtbar. Aufnahmen aus dem Zirkus oder dem Ballett zeigen, welches Gespür Himmel für Zeit und Lichtverhältnisse hatte – der Tanz ist nicht in Standbildern, sondern in fließenden Bewegungsstudien festgehalten. Bekannt wurde er durch die Teilnahme an der von Edward Steichen kuratierten legendären Wanderausstellung The Family of Man, die 1955 im Museum of Modern Art in New York gezeigt wurde. Nachdem seine Serie Nudes in der Medien-Welt nicht positiv aufgenommen wurde, verlor er zunehmend das Interesse an der Fotografie, studierte Anfang der 1970er Jahre Psychologie und arbeitete anschließend Psychotherapeut. Durch die zunehmende Kommerzialisierung der Modefotografie beendete auch Bassman vorerst ihre Karriere als Fotografin und begann zu unterrichten. Erst nach 20 Jahren, nach dem Auffinden ihrer verloren geglaubten Negative, begann sie, ihre alten Aufnahmen neu zu bearbeiten. Durch die Möglichkeit digitaler Techniken manipulierte sie ihre Bilder und interpretierte sie neu. In den 1990ern entdeckten Modedesigner und Artdirektoren ihre Arbeiten wieder und beauftragten die über 70jährige mit Modeaufnahmen. Dadurch fand auch Himmels Arbeit wieder Anerkennung und sie arbeiteten bis zuletzt an ihrem künstlerischen Werk weiter.
Über 77 Jahre waren Bassman und Himmel ein Paar voller produktiver Paradoxien und kreativer Spannungen, sie schufen parallel jeweils ein sehr eindrucksvolles fotografisches Œuvre.