Tel Aviv ist vor allem bekannt für die im Bauhaus- und Internationalem Stil errichteten Häuser und wird deswegen auch Weiße Stadt genannt. Diese Gebäude befinden sich vor allem in der Gegend um den Rothschild Boulevard, der Dizengoff, Frishman und Allenby Straße. Sie stehen in starkem Kontrast zu den modernen Bürotürmen mit Hightechfassaden, die heute gebaut werden. Außerhalb dieser Gegend verändert sich sofort der architektonische Eindruck.
Im Viertel Sarona gibt es zwar auch Hochhäuser, der Stadtteil kann aber als eine Art Dorf in der Metropole gesehen werden. Seine Wohnhäuser waren Ende des 19. Jahrhunderts erbaut worden. Charakteristisch für diese ein- bis zweistöckigen Familienhäuser mit den hölzernen Fensterläden sind die roten Giebeldächer, die damals einen starken Gegensatz zu den dort verbreiteten Flachdächern bildeten. Bauweise als auch die Materialien, die eingesetzt wurden, waren für diese Gegend neu. Carl Wieland gründete die erste Zementfabrik des Orients und lieferte erstmals Fertigbauteile aus Beton. Am ehesten vergleichbar sind die Häuser mit jenen in Neve Zedek, dem ersten jüdischen Viertel in Tel Aviv. Es war 1887 von Siedlern aus dem von Menschen überbordeten Jaffa gegründet worden.
1871 hatten Templer, die aus der Gegend des heutigen Baden-Württemberg kamen, Grundstücke erworben und 1872 mit dem Bau der Kolonie Sarona begonnen. Sie legten mit Eukalyptusbäumen, die teilweise noch heute stehen, Sümpfe trocken und kämpften gegen die weit verbreitete Malaria. Sarona war drei Generationen lang eine blühende Siedlung, die einen Modernisierungsschub ins damalige Palästina brachte: aufgrund der Architektur, der Landwirtschaft als auch des Verkehrswesens. Die Templer bauten z. B. eine Straße von Haifa nach Nazareth und schufen einen Kutschendienst für Pilger oder eine Eisenbahn von Haifa nach Dar’a. Sie bauten Wein an, es gab Brennereien, eine Sektfabrik, etc.
Die zweite Generation jener Templer orientierte sich wiederum eher an Werten der protestantischen Kirche und sahen sich als stramme Deutsche. In den 1930er Jahren wandten sich viele dem Nationalsozialismus zu und waren Anhänger Adolf Hitlers. Das zeigte sich auch an Wandbemalungen, die neben Rosen, Löwen oder Spiralen auch Hakenkreuze abbildeten. Diese, zum Teil der NSDAP angehörigen Templer, wurden von den Briten aus dem Mandatsgebiet Palästina ausgewiesen und 1941 nach Australien, in das Lager Tatura in Victoria, gebracht. 1948 verließen die letzten Templer Palästina an Bord des Dampfschiffs Empire Comfort in Richtung Zypern. Israel hat ihnen später Entschädigungen gezahlt.
Zunächst wurde Sarona zu einer britischen Armeebasis umfunktioniert, anschließend waren Ministerien dort untergebracht, sowie von 1948 bis 1955 das israelische Parlament – bis zum Umzug nach Jerusalem. Um die Vergangenheit mit negativen Erinnerungen möglichst auszulöschen, wurde das Viertel von Sarona in HaKirya umbenannt. Es gab einen jahrelangen Kampf mit der Stadtregierung, den alten Namen wieder zurück zu erlangen. Der größte Teil der ehemaligen Templersiedlung lag über Jahrzehnte im eingezäunten Sperrgebiet des Verteidigungsministeriums bzw. des Militärs.
Nach Plänen des Abrisses der Gebäude wurden in den 2000er Jahren – auf Initiative des Restaurators Schai Farkasch – von der Gesellschaft zur Erhaltung des israelischen Kulturerbes, ein Teil der Siedlung unter Denkmalschutz gestellt. Die Stadtverwaltung von Tel Aviv hat Millionen investiert, um den Häusern ihren ursprünglichen Charme zurückzugeben. Die Restauratoren hielten sich an genau festgelegte Auflagen, welche die Wiederherstellung des Originalcharakters forderten. Nach dem Vorbild von HaTachana, dem historischen Bahnhof Tel Avivs, entstanden in den Gebäuden Gewerbeflächen für exklusive Läden und Gastronomie...
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