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Schillerpreis

Am 11. Mai wird dem begnadeten Filmemacher, Journalisten und Schriftsteller Georg Stefan Troller der mit 10.000 Euro dotierte Schillerpreis der Stadt Mannheim verliehen.

Das Preisgericht begründete seine Entscheidung folgendermaßen: „Troller verkörpere mit seiner Biografie ein Stück europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts. […] Seine Veröffentlichungen, Drehbücher, Bücher und Hörbücher zeichnen sich durch eine präzise Sprache aus und haben bis heute stilprägend gewirkt. […] Mit seiner Sendereihe Personenbeschreibung habe er eine bis heute kaum erreichte Form der Porträtkunst im Fernsehen entwickelt. Seine ebenso einfühlsame wie kritische, in über 2.000 Interviews erprobte Methode der Personenbefragung inspirierte Generationen von Filmautoren und Journalisten.”

Berühmt wurde er mit dem Pariser Journal, das er über 50 Folgen hinweg moderierte und produzierte. Neben zahlreichen Dokumentarfilmen verfasste er auch Drehbücher, u.a. für Axel Cortis Trilogie Wohin und zurück und Robert Schindels Romanverfilmung Gebürtig.

Troller, 1921 in Wien als Sohn eines Pelzhändlers geboren, erlernte die Buchbinderei. Nach dem „Anschluss“ musste er emigrieren und gelangte über die Tschechoslowakei und Frankreich in die USA, wo er Anglistik und Theaterwissenschaft studierte. Seit 1949 lebt der heute 92jährige in Paris, da er sich nach Kriegsende in Österreich fremd fühlte, worauf er in seinem Buch Selbstbeschreibung folgendermaßen eingeht: „Man emigriert auf Lebenszeit“.

Vor kurzem ist in der Edition Memoria die Aufsatzsammlung Mit meiner Schreibmaschine. Geschichten und Begegnungen erschienen. Mit meiner Schreibmaschine deshalb, da Troller bis heute seine Texte auf seiner Hermes Baby tippt. Auch dort ein Verweis auf das Nachkriegsösterreich: „Als ich zurückkehrte, musste ich feststellen, dass niemand auf mich gewartet hatte, im Gegenteil. Die Stadt, die ich aus der Ferne geliebt hatte, liebte mich nicht zurück. Ich war ein Fremder, überall. Ich hatte durch die Vertreibung meine Identität verloren.” Troller zeigt sich in diesem Band als geistreicher und sehr belesener Essayist, verleiht jedoch den Texten auch eine große Portion Humor.

Gleich zu Beginn gesteht der Autor: „Nie habe ich Erlebtes und Erfundenes präzise auseinander halten können, je älter ich wurde desto weniger.” Anekdotenreich, mit eingestreuten Witzen, beschreibt er seine Kindheit in Wien, wo er mit vielen Sprachen aufwuchs: Hochdeutsch mit mährischem Einschlag, das sein Vater sprach, Wienerisch der Jungen, mit denen er spielte, Jiddisch und um das Sprachwirrwarr zu komplettieren, Böhmisch der Köchin Kathi. Er beschreibt sein Leben als Buchbinder (seine Leidenschaft für Bücher blieb ihm bis heute erhalten) und als Jungautor zwischen allen Sprachen: „Ortlosigkeit und Wortlosigkeit – das also die Sprache der Emigration.” In sieben Schnappschüssen zeichnet er prägnante Porträts u.a. von Man Ray, Henri Cartier-Bresson oder Brassaï, der eine Kunstzeitschrift herausgab, in der er auch Picasso-Zeichnungen veröffentlichte. Als das Blatt in Finanznot geriet, bat er Picasso um weitere Zeichnungen zum „Verscherbeln”. Picasso meinte, dass er ihm damals Zeichnungen gegeben hat, die er verkaufen könnte. Darauf Brassaï: „Die habe ich natürlich weggeworfen, nachdem sie gedruckt waren.” In Sieben wilde Weiber beschreibt Troller Persönlichkeiten, wie die Kosmetikunternehmerin Helene Rubinstein, die Schriftstellerin Lillian Hellmann oder Natalie Clifford Barney, Begründerin einer der großen literarischen Salons in Paris. Spannend zu lesen auch seine Begegnungen mit Simone de Beauvoir und Jean Paul Sartre.

Seine spezielle Arbeitsweise gibt er in den Kapiteln Die Kunst des Interviews und Die Lust am Dokumentarischen preis. Ein sehr tiefgründiges als auch humorvolles Buch. 

 

 

 

 

 

 

Georg Stefan Troller: Mit meiner Schreibmaschine. Geschichten und Begegnungen, Edition Memoria, Hürth bei Köln 2014, 256 Seiten, 26 Euro (Nummerierte und vom Autor signierte Vorzugsausgabe,
100 Exemplare, 52 Euro).

 

Edition Memoria

 

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