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„Shalom Moshe!”

Moshe Jahoda (1926-2016)

Dies war stets meine herzliche Begrüßung, wenn ich Moshe Jahoda, wo auch immer, sei es in Tel Aviv, in Wien oder bei irgendwelchen Kongressen sonst wo traf. Obzwar israelischer Funktionär und Diplomat blieb er stets aufs Engste mit Österreich verbunden – wenn auch sehr ambivalent. 

Einerseits verbrachte Moshe eine glückliche Kindheit in Wien, andererseits erfuhr er nach dem Einmarsch Hitlers den brutalen Antisemitismus dieser Stadt. Als 12-Jähriger wurde er Zeuge des Novemberpogroms und musste mit ansehen, wie seine Synagoge in der Herzklotzgasse im 15. Bezirk, in der sein Vater im Vorstand tätig war, gänzlich abbrannte. 

Es gelang ihm mit der Jugend-Alijah nach Palästina auszuwandern, seine Eltern sowie seine jüngere Schwester jedoch wurden 1942 nach Theresienstadt deportiert und in Auschwitz ermordet. Dies prägte sein ganzes Leben. Fünf Monate vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erreichte Moshe Jahoda Palästina und wurde dort von der Kinder- und ­Jugend-Alijah betreut, zuerst in Jerusalem, dann im Kibbuz En Gev im Nordosten Palästinas, südlich der Golanhöhen, wo er bis 1948 blieb. 

Ab 1946, noch vor der Staatswerdung Israels, diente er als Offizier der Untergrundarmee Haganah. 1948 nahm er am ersten Offizierslehrgang der Israelischen Armee teil, erlangte den Rang eines Majors und wurde im Unabhängigkeitskrieg verletzt. An späteren Kriegen nahm er als Reserveoffizier teil.

Ab 1953 folgte eine zivile Karriere, unter anderem als Vizegeneraldirektor im Landwirtschaftsministerium, als Botschaftsrat in den Botschaften Israels in Argentinien, Uruguay und Paraguay, als Vizevorsitzender von Kupat Cholim, der Gesundheitsdienste der Histadrut, sowie als Generaldirektor der Wohlfahrtsorganisation Mishan, die sieben Altersheime, fünf Kinderdörfer und 65 Pensionistenklubs betreibt.

1990 wurde Jahoda zum Ersten Direktor des American Jewish Joint Distribution Committee (A.J.D.C.) im vormals kommunistischen Ungarn bestellt. Während seiner Tätigkeit in Ungarn begründete er Sozialprojekte für ältere Menschen, Programme für Jugendliche sowie Projekte zur Wiederbelebung jüdischer Gemeinden. 1991 übernahm er zusätzlich die A.J.D.C.-Leitung in Bulgarien, 1995 für die Slowakei. 

Im Herbst 1997 wurde er zum Associate Executive Vice President der Claims ­Conference in New York bestellt, seit Februar 1999 leitete er das Büro der Claims Conference in Wien, welches einerseits die Interessen der österreichischen Überlebenden wahrnimmt, andererseits als Verbindungsstelle zwischen den jüdischen Gemeinden in Österreich und österreichischen Institutionen dient. 

Jahoda war federführend in den Verhandlungen mit der österreichischen Regierung betreffend Wiedergutmachungs- und Entschädigungsmaßnahmen, die am 17. Januar 2001 in Washington mit der Unterzeichnung eines weit reichenden Abkommens abgeschlossen werden konnten. 

2004 wurde er zum Repräsentanten der Claims Conference in Deutschland und Direktor der Nachfolgeorganisation ernannt, eine Aufgabe, die er bis 2006 wahrnahm. Jahoda war Kuratoriumsmitglied des Österreichischen Zukunftsfonds und Ehrenkurator beim Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus. In seinem Heimatbezirk Rudolfsheim-Fünfhaus war er maßgeblich an der Errichtung eines Mahnmals für den niedergebrannten Turnertempel beteiligt. Stets setze er sich für die Anliegen der Menschen ein, besonders für die Überlebenden des NS-Regimes. Es ist geplant, den Platz beim Gedenkort Turnertempel nach Moshe Jahoda zu benennen.

Während seiner Tätigkeit als Vertreter der jüdischen Opferorganisation Claims Conference hat er sich auch als Cousin des Komponisten Fritz Spielmann, mit ganzer Kraft für den Verein Orpheus Trust in Wien eingesetzt. Gemeinsam mit seinem anderen Cousin Walter Marc Gregory und dem damaligen Wiener Kulturstadtrat Dr. Peter Marboe hat Moshe Jahoda den Fritz Spielmann Fonds des Orpheus Trust begründet, der zahlreiche ForscherInnen und MusikerInnen bei ihren Projekten, Leben und Werk von NS-verfolgten Musikschaffenden zu erforschen und dem Vergessen zu entreissen, finanziell unterstützt hat.  

Die leider verstorbene Nationalratspräsidentin Prammer würdigte Jahoda bei der Überreichung des Großen Silbernen Ehrenzeichen der Republik Österreich 2008 im Parlament als „ganz besondere Persönlichkeit“ und wies auf die gesellschaftlich wichtige Bedeutung von Erinnerungskultur hin.

Die deutschsprachige Ausgabe seines Buches Hier, da und andere Welten erschien 2013 in einer wiener Edition und wurde ebenfalls von Nationalratspräsidentin Barbara ­Prammer im österreichischen Parlament vorgestellt. Die Illustrierte Neue Welt verdankt ihm auch sehr viel – dank seiner Initiative und seiner Hilfe entstand das Buch Flucht in die Freiheit, in dem für das historische Verständnis politische, soziale und psychische Elemente der Flucht sowie der Integration untersucht worden waren.

Shalom Moshe! Ruhe in Frieden, wir werden Dich nicht vergessen!

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