Inhalt

Theodor Herzl und Bertha von Suttner

Angeregt durch eine Dauerausstellung auf Schloss Harmannsdorf in Niederösterreich, die an die Freundschaft zweier unvergleichlicher VisionärInnen, nämlich Theodor Herzl und Bertha von Suttner erinnert, entstand die Idee zu diesem Artikel.

Im wunderschönen Gartensaal des frühbarocken Schüttkastens (Getreidespeicher) des Schlosses, errichtet im Jahre 1690 von Augustin Freiherr von Mayerberg, finden alljährlich erlesene Konzerte im Rahmen des Allegro Vivo Kammermusikfestivals unter Leitung von Bijan Khadem-Missagh statt. 

In Begleitung meiner Freundinnen Elga Ponzer (ehem. Organisatorin des internationalen Beethoven-Klavierwettbewerbes) und Izabela Hahn-Nemling (ehem. Ballettänzerin) fuhren wir am verregneten 10. August 2016 nach Schloss Harmannsorf, dem jahrelangen Wohnort der bedeutenden Friedensforscherin und Nobelpreisträgerin Bertha v. Suttner. Bereits als Kind, als in meiner Schule ein Vortrag über Suttner stattfand, beeindruckte mich das Leben dieser mutigen und tapferen Frau zutiefst. 

Die Ausstellung dokumentiert eindrucksvoll auch die Verbundenheit Bertha v. ­Suttners mit Theodor Herzl. 1899 reiste sie als Berichterstatterin für Die Welt in seinem Auftrag zur ersten Friedenskonferenz nach Den Haag, nachdem sie von der Neuen Freien Presse abgewiesen worden war. Als leidenschaftliche Gegnerin des Antisemitismus setzte sie sich dort auch für den Zionismus ein, indem sie mehrere TeilnehmerInnen dazu interviewte. Durch Herzl wurde die Pazifistin zu einer warmen Befürworterin der zionistischen Bewegung. So wurden ihre Gespräche mit dem einflussreichen französischen Staatsmann Leon Bourgeois (1851-1925), sowie mit dem amerikanischen Botschafter in Berlin, Andrew White (1832-1918), in der Welt veröffentlicht. 

Bereits im Mai 1891 hatte sich in Wien ein Verein zur Abwehr des Antisemitismus durch die Initiative von Gundaccar von Suttner (1850-1902), dem Gatten der berühmten Friedensaktivistin, gebildet. Bedeutende Persönlichkeiten, wie der bekannte Arzt Hermann Nothnagel (1841-1905) und Graf Rudolf Hoyos (1821-1896) schlossen sich dem Verein an und gründeten am 10. April 1892 das Vereinsorgan Das freie Blatt.

In einer programmatischen Erklärung fügten Nothnagel und Hoyos unter anderem den Satz „Eine Judenfrage gibt es für uns nicht“ ein und bezeichneten den Antisemitismus als eine gegen Humanität und Gerechtigkeit sprechende Geisteshaltung, die nicht nur für die Juden, sondern für die ganze Gesellschaft gefährlich sei. Sie wollten Herzl zur Mitarbeit gewinnen, der jedoch zu dieser Zeit dem Unterfangen skeptisch und zögerlich gegenüber stand – er war damals, 1892, noch kein Zionist – der große Wandel zum Gründer des Staates Israel vollzog sich erst im Zuge der Dreyfus-Affäre ab 1894/95.

Im Alter von 46 Jahren, im Jahr 1889, veröffentliche Bertha v. Suttner ihr bedeutendstes Werk Die Waffen nieder. Es wurde ihr größter literarischer Erfolg und sie erlangte Weltruf als Repräsentantin der Friedensbewegung. Ebenso engagierte sie sich in der Frauenbewegung und interessanterweise 1898 in Schach der Qual schon damals gegen Tierversuche. Herzl hingegen veröffentlichte erstmals seine Visionen das Judentum betreffend in seinem Buch Der Judenstaat 1896 mit 36 Jahren. 

Suttner war eine gebürtige Gräfin Kinsky, ihr Vater, Franz Michael Graf Kinsky, ein General, starb im Alter von 75 Jahren bereits vor ihrer Geburt. Geprägt wurde ihre Kindheit von einem militärischem Hintergrund einer böhmischen Adelsfamilie, Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts im Umfeld der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. In Bertha vollzog sich eine bemerkenswerte Entwicklung: vom jungen aristokratischen Mädchen, in Luxus lebend und die Vorzüge des Adels genießend, zur glühenden Pazifistin und Menschenrechtsaktivistin, die ihr Leben selbst in die Hand nahm. Oft von finanziellen Sorgen schwer belastet, wirkte sie mit ihren Schriften und Aktivitäten Beispiel gebend.

Theodor Herzl hingegen entstammte einer bürgerlichen, wohlhabenden jüdischen Familie aus Budapest und wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geboren. In jungen Jahren meinte er, die Ghettomauern längst hinter sich gelassen zu haben und dass das Judentum durch Assimilliation und unter Umständen sogar Konversion seinen Platz in der Gesellschaft finden könne. Die Affäre Dreyfus, die er als Korrespondent der Neuen Freien Presse (1891-1895) in Paris erlebte, als er bei Dreyfus’ Degradierung am 5. Jänner 1895 persönlich anwesend war, bewirkte ein vollständiges Umdenken. In den kommenden Jahren setzte er sich unermüdlich für die zionistische Bewegung ein, traf sich und verhandelte mit den bedeutendsten und mächtigsten Staatsoberhäuptern der damaligen Zeit, um die Errichtung eines jüdischen Staates in Palästina zu diskutieren. 

Herzl starb mit nur 44 Jahren, von den Strapazen der Reisen gezeichnet und körperlich und seelisch erschöpft, – er hatte fast sein gesamtes Vermögen seiner Vision zur Verfügung gestellt – an einer schweren Herzerkrankung, vielleicht auch an gebrochenem Herzen am 3. Juli 1904 in Edlach an der Rax. 

Bertha von Suttner, von unermüdlichem Einsatz für die Friedensbewegung ausgelaugt und durch Krankheit geschwächt, erlag am 21. Juni 1914, wenige Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, einem Krebsleiden.

Beiden, Suttner und Herzl blieb es erspart, die größten Katastrophen des 20. Jahrhunderts, vor denen sie gewarnt hatten, wie den Ersten Weltkrieg (1914-1918) und die Vernichtung des europäischen Judentums (1938-1945) miterleben zu müssen.

Kontextspalte