Seit knapp einem Jahr beherbergt die Stadt Salzburg ein wohl weltweit einzigartiges Museum: das sogenannte Museum der Verlorenen Generation, das all jenen bildnerischen Künstlern, die während der Nazizeit in Deutschland und Österreich sowie in den okkupierten Ländern mit Berufsverbot, Emigration,Vernichtung und politischer Verfolgung belegt worden waren, wieder eine Stimme und jenen Platz in der Öffentlichkeit gibt, den sich diese Künstler eigentlich verdient haben.
Das Museum hat seine Adresse in der Sigmund Hafner Gasse – im Zentrum der Salzburger Altstadt, gleich neben den Festspielen und dem Dom.
In den schön adaptierten Ausstellungsräumen präsentiert es bei freiem Eintritt nicht nur die Werke dieser bedeutenden Künstlergeneration, sondern – und das macht diese Sammlung so einzigartig – auch die Geschichten hinter jedem Werk. Es sind meist dramatische, oft erschreckende aber auch fesselnde Schicksale hinter den Bildern und Skulpturen.
In penibler, detektivischer Arbeit wurden nicht nur der Werdegang der jeweiligen Künstler, ihre Prägung, ihre Erfolge und Niederlagen, sondern auch ihre Flucht- und Emigrationsgeschichte rekonstruiert. – Angefangen von der Aberkennung des Künstlerstatus, der Verfolgung und Deportation und manchmal auch der Ermordung.
Diese Künstler der Zwischenkriegszeit und Weimarer Republik, meist Vertreter des expressiven Realismus’ wie auch anderer Kunstströmungen, waren vor Ausbruch der Nazidiktatur von den bedeutendsten Künstlern und Werkstätten in Österreich und Deutschland ausgebildet worden. Viele von ihnen waren bereits etabliert oder hatten Karrieren vor sich, die mit einem Schlag beendet wurden. Wie eine Scheibe Brot wurden sie von ihrer künstlerischen Heimat abgetrennt, weil sie einer politisch verordneten Nazikunst von zweit- und drittklassigen Profiteuren Platz machen mussten.
Der Umstand, dass die emigrierten Künstler ihre Karrieren im Ausland meist nicht fortsetzen konnten und nach Kriegsende niemand mehr etwas von ihnen oder ihrer Kunst wissen wollte, ließ viele verzweifeln und in eine Art auch innere Emigration entfliehen. Viele dieser Künstler – sofern sie zurückkehrten – fanden im Kunstbetrieb der Nachkriegszeit, der zum Teil noch immer von den einstigen Profiteuren bestimmt wurde, schlichtweg keine Möglichkeiten mehr. Das macht deren künstlerische Schicksale besonders tragisch.
Heute sind viele von ihnen in Vergessenheit geraten. Zum Beispiel sind davon alle Schüler Max Beckmanns betroffen oder auch Schüler von Paul Klee, Oskar Kokoschka, Henri Matisse oder Charlotte Berend-Corinth. Der vor dem Zweiten Weltkrieg bekannte und bedeutende Künstler, Heinrich Adametz, geriet gänzlich in Vergessenheit ebenso die bedeutende, deutsche Künstlerin Hanna Becker vom Rath oder Eugen Spiro. Diese und viel andere sind im Museum vertreten.
Nicht nur die künstlerischen Arbeiten in der noch laufenden Ausstellung Wir haben uns lange nicht mehr gesehen überzeugen den Besucher, dem sie eine wunderbare Welt, geprägt von Kunst, Verzweiflung, künstlerischen Höhepunkten und menschlicher Niedertracht eröffnen, sondern sie geben auch Einblicke in die jeweiligen Lebensläufe, die man sonst nirgendwo so präsentiert bekommt.
Ein Einführungstext des bekannten Zeithistorikers Robert Streibel dient als Einleitung, wenn man das Museum betritt. Leider sind die Öffnungszeiten rar: Nur am Donnerstag und Freitag ist es von 13-17 Uhr geöffnet. Denn man ist sofort gefangen und fasziniert von dieser Zeit und ihren Schicksalen.
Endlich gibt es ein Museum, das Werke bedeutender Künstler aus einer bedeutenden Zeit, fern dem etablierten Kunstmarkt und seinen Prämissen präsentiert! Hier zählt allein das Werk und das Schicksal seiner Erschaffer.
Wenn man Glück hat, ist der Gründer und Direktor des Museums, Prof. Heinz Böhme, beim Besuch anwesend. Ab und zu führt auch er persönlich durch das Museum, um zusätzlich, zu den Biografien, noch weitere interessante Informationen beizusteuern. Er hat nicht nur seit Jahren diese Kunstwerke gesammelt und das Leben ihrer Künstler erforscht, sondern auch das Museum – betrieben durch einen unabhängigen und privaten Kunstverein – gegründet und finanziert.
Aus seinem persönlichen Schicksal heraus mit dieser Zeit und deren Kunst verbunden, will Prof. Heinz Böhme diesen, ihrer Karrieren beraubten und vergessenen Künstlern wieder ein öffentlich zugängliches Forum geben und ihren Biografien Ausdruck verleihen. Seine Sammlung umfasst bis heute über 300 Werke aus dieser Zeit, die noch alle auf ihr Publikum warten. Dieser Pionier der vergessenen Kunst ist jedoch komplett auf sich alleine gestellt. Es mangelt an finanziellen Unterstützungen, um weitere, interessante Ausstellungen und Mitarbeiter zu finanzieren, damit diese bis dato so benachteiligte Gruppe von Künstlern würdig ins öffentliche Licht gerückt werden kann.
Es stellt sich die Frage: Warum haben sich in Österreich viele etablierte Museen und Institutionen des Bundes und der Länder – alle mit einem gut dotierten Budget ausgestattet – bis heute nicht zu einem Engagement für diese hoch interessante vergessene Zeit und Kunst durchringen können? Vielleicht deswegen, weil es doch in den letzten Jahren so viele große Ausstellungen in Österreich von Künstlern gegeben hat, die genau das Gegenteil dessen repräsentieren, was in dem kleinen Privatmuseum von Prof. Heinz Böhme in Salzburg zu sehen ist?
Museum Kunst der Verlorenen Generation.
Sigmund Hafner Gasse 12
5020 Salzburg
Website
Telefon: +43 662 276231
Öffnungszeiten: Donnerstag und Freitag 13.00-17.00 Uhr