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Verwirrung der Geister

Was die Islamisten weder militärisch noch durch Terror für sich entscheiden können, das soll auf dem Schlachtfeld der öffentlichen Meinung westlicher Gesellschaften entschieden werden. Die Manipulation des öffentlichen Meinungsklimas zählt zu den zentralen Aufgaben der asymetrischen Kriegsführung radikaler Islamisten gegen Israel.

Dem Begriff der „Islamophobie“ kommt dabei besondere Bedeutung zu. Mit ihm verbindet sich ein strategisches Konzept, das sich auf den verschiedenen Ebenen der psychologischen Kriegsführung einsetzen lässt. In den 1970er Jahren von Imamen erfunden, sollte er ein begriffliches Pendant zum Begriff des Antisemitismus sein. So wie es Antisemitismus und eine Judeophobie gibt, so sollte es nun auch eine „Islamophobie“ – also eine irrationale Haltung der Aversion gegen Muslime und den Islam geben. Wenn sich die Juden als Opfer des Antisemitismus verstehen können und damit auch ihr politisches Handeln legitimieren, so soll Gleiches auch für Muslime bzw. den Islam gelten. Im Begriff der „Islamophobie“ fokussiert sich dieser neue, identitätsstiftende muslimische Opfermythos. Nach außen hin – Richtung Westen – ist „Islamophobie“ ein ideologischer Kampfbegriff im Rahmen des globalen Dschihad und der damit verbundenen psychologischen Kriegsführung; nach innen hin – Richtung islamischer Gesellschaften und muslimischer Bevölkerungsgruppen im Westen – ist seine Verwendung Teil der psychologischen Strategie islamischer Identitätskonstruktion mithilfe eines neuen Opfernarrativs. 

Mittlerweile hat die Gleichsetzung von Antisemitismus und „Islamophobie“ zu einer pseudomoralischen Kanonisierung dieses Begriffs geführt. Der gleichermaßen intellektuelle und moralische Kurzschluss, der sich damit verbindet, lautet: Wer gegen Antisemitismus ist, muss auch gegen „Islamophobie“ sein. Denn das Eine wie das Andere ist – so wird argumentiert – Rassismus. Man könne nur glaubwürdig gegen Antisemitismus sein, wenn man zugleich auch entschieden gegen „Islamophobie“ auftritt. Niemand will sich das Attribut „islamophob“ anhängen lassen, weil es zugleich insinuiert, dass der Betreffende Rassist und damit moralisch unglaubwürdig sei. Damit wird jegliche Form der Kritik an den judenfeindlichen Aussagen des Koran, jegliche Form der Kritik am Islam, jegliche Form der Kritik am islamistischen Terror und seiner Ideologie des Hasses im Keim erstickt. Da es aber keine verbindliche Definition des Begriffs „Islamophobie“ gibt, ist er beliebig als propagandistische Waffe einsetzbar. Antisemitismus und „Islamophobie“ sind zwei Begriffe, die so gut wie nichts miteinander gemeinsam haben, weil sie sich weder auf einen gemeinsamen Bedeutungskontext, noch auf einen gemeinsamen moralischen Grund beziehen lassen, so dass sich jede Junktimierung verbietet. Judeophobie, also die irrationale Abneigung gegen alles Jüdische gibt es, solange es Juden in der Geschichte gibt. Der Begriff „Antisemitismus“ wurde Ende des 19. Jahrhunderts geprägt um der vorwiegend religiös motivierten Judenfeindlichkeit in Deutschland ein quasi-wissenschaftliches Mäntelchen umzuhängen und damit die Emanzipation der Juden zu bekämpfen. Seit den 1940er Jahren verknüpft sich mit dem Begriff des Antisemitismus ein pathologisches Geschehen, das sich aus komplexen kollektiv-pschychischen und sozialen Ursachen speist. Seitdem lässt sich Antisemitismus als „soziale Krankheit“ begreifen, als „ein bösartiges Geschwür am Körper der Zivilisation“ (Ernst Simmel). Oder wie es der deutsche Publizist Ralph Giordano ausdrückte: Antisemitismus ist ein „geistesgeschichtlicher Irrweg, eine Fehlhaltung in der Geistesgeschichte“. Dieser Irrweg mündete nach zwei Jahrtausenden der Verfolgung der Juden durch die Geschichte hindurch in die Shoah, im Genozid an den europäischen Juden. Hannah Arendt sagte zur Recht: „Antisemitismus ist genau das, was er vorgibt: eine tödliche Gefahr für Juden und sonst nichts.“ 

Keine auch nur annähernd vergleichbare Erfahrung, die den Begriff „Islamophobie“ rechtfertigen könnte, haben Muslime in ihrer Geschichte und auch nicht in der Gegenwart gemacht. Mit „Islamophobie“ soll vielmehr ein fiktiver Opferstatus etabliert werden, der Anhängern des islamischen Glaubens aber nicht zukommt, weil sie keine Opfer sind: Niemand hat es je als religiöse Pflicht empfunden und entsprechend propagiert, Muslime von der Erde zu vertilgen, so wie es den Juden laufend geschieht.  Es gibt zwar islamfeindliche Strömungen am rechten Rand, aber keine Pogromstimmung gegen Menschen muslimischen Glaubens – weder in Israel, noch in europäischen Ländern, auch nicht in jenen mit hohem Anteil an Muslimen. Wohl aber gibt der Umstand begründeten Anlass zur Beunruhigung , dass der Antisemitismus in Europa noch nie so hoch war wie heute. Die steigende Zahl an Attentaten gegen Leib und Leben westeuropäischer Juden ist nur die Spitze des Eisbergs einer tiefgehenden Ideologie des Hasses, die sich – siebzig Jahre nach der Shoah – heute wieder in Europa ausbreitet. Und diese antijüdische Obsession speist sich nicht nur aus dem Schuldumkehrantisemitismus der Rechten, der den Juden selbst die Schuld an ihrer Verfolgung andichtet, sondern aus einer explosiven Mischung aus linkem Antizionismus und islamischem Antijudaismus. Der gemeinsame Feind ist der jüdische Staat – Israel ist der gehasste kollektive Jude. Der Vorwand, dessen sich diese Melange antijüdischer Obsessionen bedient, ist der Nah-Ost-Konflikt. Aber die Anlässe sind austauschbar: Denn der Antisemitismus bedarf keiner Gründe – er ist selbst der Grund, der sich die Tatsachen, an denen er sich entzünden kann, sucht. Das Schlagwort „Islamophobie“ bezeichnet keinen ihm adäquaten Sachverhalt – vielmehr ist es dazu angetan, einen propagandistisch verwertbaren Verblendungszusammenhang herzustellen. Und das scheint auch in zunehmendem Masse zu gelingen – sieht man die wachsende Bereitschaft im Westen, Antisemitismus und „Islamophobie“ gleichzusetzen. Die Verwirrung der Geister treibt in den Redaktionen westlicher Medien genauso ihr Unwesen, wie in Universitäten und elitären Zirkeln jüdisch-muslimischer Gesprächskreise. Mit dem Kampfbegriff „Islamophobie“ immunisiert sich der islamische Antisemitismus gegen jede Kritik an seiner Ideologie des Hasses gegen Juden und den jüdischen Staat. „Islamophob“ ist dann derjenige, der – bei allem Respekt für den Islam und den Glauben von Muslimen – auf die religiösen Wurzeln und die religiöse Tradition der islamischen Aversion gegen Juden verweist. Etwa im Zusammenhang mit der in der Hadithe beschriebenen apokalyptischen Endschlacht zwischen Muslimen und Juden, in der es heißt: „In der letzten Stunde werden Muslime gegen Juden kämpfen…und die Muslime werden siegreich sein bis selbst ein Stein oder ein Bäum sagen wird: Komm her, Muslim, hinter mir versteckt sich ein Jude, töte ihn.“ (Hadithe sind Aussprüche des Propheten Mohamed). Die primäre Funktion des Islamophobie – Vorwurfs liegt zum einen darin einen islamischen Opfermythos in die Welt zu setzen; und zum anderen dient der Begriff der „Islamophobie“ der Rationalisierung einer letztlich religiös motivierten oder auch religiös verbrämten Obsession der Ausrottung der Juden und des Kampfes gegen den ungläubigen Westen. Beide, Opfermythos wie auch die Rationalisierung operieren mit dem alten antisemitischen Mechanismus der Täter-Opfer-Umkehr: Der Hass auf die Juden wird durch die eigene, angemaßte Opferrolle genährt und als religiöse Pflicht und politische Notwendigkeit legitimiert. Erreicht wird damit eine Einebnung des moralischen Gefälles zwischen Tätern und Opfern, zwischen denjenigen, die Hass säen und denjenigen, die sich der islamistischen Ideologie des Hasses entgegenstellen.  Der Begriff „Islamophobie“ ist eine Finte, mit deren Hilfe sich die Prediger des Hasses und ihre Anhänger selbst zu Opfern hochstilisieren…

Maximilian Gottschlich ist Professor für Publizistik – und Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien

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