Lange Zeit gehörte es bei den Mächtigen in Teheran zu den rhetorischen Pflichtübungen zu betonen, dass es sich bei den Sanktionen der internationalen Staatengemeinschaft und des Westens um ein zahnloses Instrument handle. Sie würden dem Land sogar nutzen, da sie die Autarkiebestrebungen und den Erfindungsreichtum der Iraner zusätzlich beflügeln würden. Die tatsächlich reichlich lächerlichen UN-Sanktionen des Jahres 2007 nannte Mahmoud Ahmadinejad noch eine „Totgeburt“, und auch auf spätere Verschärfungen reagierten der Präsident und andere Regimegrößen mit Hohn und Spott. Seitdem die EU Mitte 2012 aber Sanktionen gegen die iranischen Ölexporte erlassen und auch die iranische Zentralbank ins Visier genommen hat, sind die Folgen für die iranische Ökonomie so offensichtlich, dass auch die Vertreter des Regimes nicht mehr umhinkommen, sie öffentlich zu diskutieren, was wiederum die offene Feindschaft zwischen den konkurrierenden Fraktionen in Teheran verschärft, die sich gegenseitig die Schuld am miserablen Management der Sanktionsfolgen zuschieben wollen. |
Seit dem Sommer 2012 spricht die iranische Führung offiziell von einem „Wirtschaftskrieg“, der gegen das Land im Gange sei. Der Sprecher des Haushaltsausschusses des iranischen Pseudoparlaments, Gholamreza Kaseb, erklärte mit Bezug auf Ölminister Rostam Ghasemi Anfang des Jahres, die Einnahmen aus dem Ölgeschäft, die bis zu 90 Prozent des Staatsbudgets ausmachen, seien in den vergangenen zehn Monaten um 45 Prozent zurückgegangen. Im Januar sprach Parlamentspräsident Ali Laridjani von „schweren Problemen“ und der Industrie- und Handelsminister Mehdi Ghasanfari räumte ein, dass die Sanktionen für die iranische Wirtschaft mittlerweile einen nahezu „lähmenden“ Charakter haben.
Im Oktober 2012 verlor der Rial innerhalb nur weniger Tage 40 Prozent an Wert. Inoffiziell wird heute von einer Inflationsrate von über 50 Prozent gesprochen. Laut der Internationalen Energieagentur ist die iranische Ölproduktion auf dem niedrigsten Stand „seit drei Jahrzehnten“. Es wird geschätzt, dass dem Iran allein durch die Sanktionen im Energiebereich im letzten Jahr über 30 Milliarden Euro an Einnahmen verloren gegangen sind und 2013 wird mit einem weiteren dramatischen Einbruch gerechnet.
Eines der untrüglichen Zeichen dafür, dass die Sanktionen dem Regime schwer zusetzen, ist die Tatsache, dass es massive Mittel aufwendet, um in den USA und der EU Stimmung gegen sie zu machen. Es gehört zum Standardrepertoire der Regimepropaganda auf die Folgen der Sanktionen für jene Bevölkerung zu verweisen, die von den Ajatollahs und Revolutionswächtern seit über 30 Jahren drangsaliert wird. Was soll man davon halten, wenn ein Regime, das zehntausende Iraner ermordet und Millionen ins Exil getrieben hat, nun plötzlich vorgibt, sich um ihr Wohlergehen zu sorgen? Maryam Farzam und Sogol Ayrom vom Iranischen Frauennetzwerk haben dazu kürzlich festgehalten: „Es ist wahrlich nicht zu erwarten, dass Dollars und Euros in Händen der Mullahs der iranischen Bevölkerung ernsthaft zu Gute kommen könnten. Diese spürt zwar 10% der Sanktionen, aber unter den restlichen 90% leidet das Regime. … Vor allem bedeuten wirksame Sanktionen, die Kontroll- und Unterdrückungsapparate des Regimes durch den Entzug finanzieller Ressourcen zu behindern. Eben diese bekommt die iranische Bevölkerung unmittelbar zu spüren.“
Doch alle bisherigen, oft durch Ausnahmeregelungen konterkarierten Sanktionsbeschlüsse kranken an ihrer Grundkonzeption: Sie werden sowohl in den USA als auch in der EU weiterhin als Instrument verstanden, das iranische Regime zur Fortsetzung jener Verhandlungen zu bewegen, die schon bisher nur zum Ergebnis hatten, dass die Machthaber in Teheran weiter Zeit für ihre Urananreicherung gewinnen, und in denen die brutale Unterdrückung der iranischen Bevölkerung überhaupt keine Rolle spielt.
In der EU sind Sanktionen eher dazu konzipiert, Israel von militärischen Maßnahmen abzuhalten, als dazu, das Regime an der Fortsetzung seiner Projekte zu hindern. Wäre das anders, müsste schon längst über ein Komplett-Embargo mit humanitären Ausnahmeregelungen geredet werden. Doch da das offenbar niemand will, liefern europäische Unternehmen, insbesondere der mittelständische Maschinenbau, auch weiterhin Waren im Wert von mehreren Milliarden Euro pro Jahr in das Land der Ajatollahs, das trotz aller bisherigen Einbußen weiterhin über genügend Ressourcen verfügt, um sein Nuklear- und Raketenprogramm fortzuführen. Da bisher in den entscheidenden europäischen Staaten nicht einmal darüber nachgedacht wird, dem Beispiel Kanadas zu folgen und die diplomatischen Beziehungen zum iranischen Regime abzubrechen, können die Machthaber in Teheran immer noch auf ihr seit Jahren eingeübtes hinhaltendes Taktieren setzen. Israel wird durch diese Politik weiterhin genötigt, sich die ausgesprochen riskante Option von militärischen Maßnahmen gegen die existenzielle Bedrohung des iranischen Nuklearprogramms vorzubehalten.