Wie fühlen Sie sich als Israeli in Deutschland?
Ich habe einen israelischen Pass, lebe seit 1992 in Berlin. Ich fühle mich in meinem Beruf eigentlich als Deutscher, meine ganze Arbeit ist in Deutschland entstanden. Bis auf einen Film: „Alles für meinen Vater" entstand komplett in Israel und mit israelischen Schauspielern. Er war meine Idee, allerdings in deutscher Koproduktion.
Wie war es möglich, als Israeli – also aus dem so genannten „Land der Zionisten" – in der DDR zu studieren?
Es gab die Chance für ausländische Studenten…
Ja, aus Kuba, aus der Sowjetunion, Vietnam.
Nein, bei mir im Seminar auch aus Finnland, Schweden und Holland. Ich war 1982 mit einer Israelin verheiratet, die in Westberlin studierte. Es ergab sich einfach. In Westberlin konnte ich das Studium nicht bezahlen, also ging ich mit Visum in den Osten nach Babelsberg.
Die Hochschule in Tel Aviv…
…genießt einen hervorragenden Ruf. Damals gab es aber noch keine Film-Fakultät.
Wie stand es 1982 um Ihre Deutschkenntnisse?
Ich hatte keine. Ich bin ein Sabre, meine Mutter ebenso. Ihr Vater kam aus Polen, ihre Mutter aus der Ukraine, mein Vater stammt aus Bulgarien. 1941, 24 Stunden vor der deutschen Invasion, ging er mit dem Schomer Hatzair nach Palästina. Sein Schiff wurde von den Briten gefasst, und er saß mit seinem Bruder zwei Jahre in einem Internierungslager in Atlit bei Haifa. Sein Bruder starb dort an Typhus. Nachdem er rauskam, lernte er meine Mutter kennen.
Da es keine Bezüge zu Deutschland gab, welche Rolle spielte Ihr Geburtsort Mitte der 1980er Jahre in der DDR?
Ich war in Babelsberg wie auf einer Insel in der DDR und ich hatte kaum Kontakte, nicht mal zur Jüdischen Gemeinde in Ostberlin. Der ergab sich erst zum Studien-Ende, als ich für meine Diplomarbeit über einen der größten israelischen Dichter, Alexander Ben, eine Drehgenehmigung für die Synagoge in der Oranienburger Straße brauchte und sie als einziger bekommen habe. Eigentlich ein historisches Dokument! Das war damals eine Ruine, in der wir einen Großteil des Films drehten, alles voller Sand, Bäume wuchsen aus den Wänden.
Gab es ideologische Schulung?
Bei mir nicht.
Jetzt sind Sie ein gesamtdeutscher Regisseur, der vom Krimi bis zum anspruchsvollen Fernsehfilm alles macht…
Ja, aber als engagierter, politisch denkender Mensch interessieren mich gesellschaftsrelevante Themen mehr als „romantic comedies". Obwohl ich die auch sehr gerne mache, wenn sie gut sind. Ich konnte mir in den letzten Jahren – vielleicht seit ich ein paar Preise bekam – Stoffe selbst aussuchen und die heißen „Zivilcourage" oder „Kehrtwende" oder „Ranicki".
Wie geht es Ihnen als Israeli, der sich der Gefahren bewusst ist bei einem Filmstoff über palästinensische Attentäter. Sie versuchen ja in Ihrer Arbeit stets fair zu sein.
Das ist richtig, das begleitet mich durch meine ganze Arbeit. Egal, was ich mache, ich versuche zu verstehen. Ich versuche wirklich jeden Charakter, den ich inszeniere, zu verstehen, auch wenn es um einen Massenmörder geht. Er handelt aus bestimmten Motivationen und ich versuche diese Motivationen zu verstehen. Das führt auf keinen Fall dazu, dass ich sie akzeptiere oder sie befürworte. Aber damit kein Propagandafilm entsteht, muss ich diesen Prozess durchlaufen. Bei „München 72" spielt es in meinem Unterbewusstsein mit Sicherheit eine Rolle, dass ich aus Israel komme, dass ich diese Zeit erlebt habe.
Sie waren bei der Zahal?
Ja, aber viel später, 1978. Aber 1972 habe ich als 13-jähriger sehr miterlebt. Auch in der Ausstattung kommt das zum Tragen. Die Zahnpasta der israelischen Sportler, die in der Schublade liegt, ist die Zahnpasta meiner Kindheit, die Marke Fluorid. Als Israeli ist mir natürlich auch die Verantwortung bewusst, welche Kraft politische Aussagen in einem Film haben können.
Wie zum Beispiel der Anführer der Palästinenser seine Ansicht der Dinge fast unwidersprochen formulieren kann?
Man weiß ja nicht, wie das Publikum auf die Emotionen eines Spielfilms reagiert, wo ein Dokumentarfilm Kommentierung liefern kann….
„München 72" zeigt ziemlich brutal, vor allem, was der Rädelsführer tut. Man sieht den verblutenden Romano am Boden liegen.
Ich glaube nicht, dass irgendjemand Sympathie für diese Tat entwickeln kann. Gleichzeitig ist es wichtig zu zeigen, dass die Palästinenser 1972 – vorher und wie nachher – für eine Sache – egal was man darüber denkt – kämpften. Und dass dieser Kampf unterschiedliche Aktionen hat. Manche Gruppierungen wählen den Weg des Terrorismus, andere den Weg der Verhandlungen. Ich bin Israeli – meine Mutter schmuggelte Waffen nach Jerusalem gegen die Briten. Es gab „Etzel" und „Lechi" in Israel. Das waren in den Augen der Briten Terrororganisationen. Dass Terror benutzt wird im Kampf für Volksbefreiungen, das ist nicht neu in der Welt. Es war mir wichtig, auch das zu zeigen. Ohne die Brutalität der Tat zu beschönigen.
Wir hatten das Riesenglück – den authentischen Ort besuchen zu können. Es war irre, was mit den Schauspielern passierte, als sie vor dem Haus Connollystraße 31 standen und jeder von uns sich einbildete, die Einschüsse unter dem neuen Putz noch zu sehen.
Erinnern Sie sich an den 5. September 1972?
Damals lebte ich mit meiner Mutter in Tel Aviv, wir hatte keinen Fernseher. Ich weiß noch wie sich die Nachricht verbreitete. Wir gingen zu den Nachbarn, um fernzusehen. Die Emotionen der Erwachsenen spürte ich auch als 13-jähriger.